Frontal | Amandus Forno, Laienschauspieler

«Ich bete vor jedem Bühnenauftritt ein Vaterunser»

Amandus Forno (links) im Theaterstück «Romeo und Julia».
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Amandus Forno (links) im Theaterstück «Romeo und Julia».
Foto: Hannes Zaugg-Graf

Amandus Forno (links) im Theaterstück «Romeo und Julia».
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Amandus Forno (links) im Theaterstück «Romeo und Julia».
Foto: Hannes Zaugg-Graf

Quelle: RZ 0

Er hat schon viele grosse Rollen verkörpert und ist der Inbegriff der Theaterkultur im Oberwallis. Amandus Forno (68) über seine grosse Leidenschaft und das Theaterstück «Romeo und Julia».

Amandus Forno, Sie stehen momentan mitten in den Proben des Open-Air-Theaters «Romeo und Julia am Gornergrat». Wie laufen die ­Vorbereitungen?
Die Proben sind sehr streng und straff organisiert. Aber die Regie unter Livia Richard ist sehr professionell. Das habe ich bisher so noch nicht erlebt. Ich fahre regelmässig zu den Proben nach Zermatt. Während der Auftritte, insgesamt sind es 38 Aufführungen, werde ich in Zermatt wohnen, damit ich nicht immer zwischen Zermatt und Steg hin- und herpendeln muss. In meinem hohen Alter habe ich jetzt auch noch einen ­Arbeitsvertrag als Schauspieler unterzeichnet.

Sie spielen den Vater von Jakob, der den ­Romeo verkörpert. Liegt Ihnen diese Rolle?
Die Rolle liegt mir sehr, nicht zuletzt auch ­deshalb, weil viele Charaktere darin vereint sind. Einerseits der sanftmütige und liebe Bergler und andererseits der grobe und jähzornige Mann, der auch mal lautstark werden kann. Diese Mischung gefällt mir sehr.

Wie sind Sie zu dieser Rolle gekommen?
Eigentlich wollte ich dieses Jahr gar kein ­Theater spielen. Trotzdem habe ich beim Casting vor­gesprochen. Weil aber keine passende Rolle frei war, habe ich abgesagt. Schliesslich wurde ich dann doch angefragt, weil der Darsteller, der die Rolle von Jakobs Vater besetzen sollte, tödlich verunglückt ist. Darum bin ich in die Bresche gesprungen.

Wie stimmen Sie sich auf eine bestimmte ­Rolle ein?
Bevor man eine Rolle übernimmt, muss man sich in die Figur hineinversetzen und die Feinheiten des Charakters herausspüren. Dann folgen die ersten Proben. Dabei modelliert auch der Regisseur die zu spielende Figur. Livia Richard beispielsweise ist zwar neben der Bühne sehr sympathisch und nett, aber als Regisseurin hat sie eine harte Hand und ist darauf bedacht, dass die Rollen und Charakterzüge der Darsteller sitzen. Da gibt es keine Halbheiten. «Gring achä u seckle» ist ihr Motto.

Wie sind Sie eigentlich zum Theaterspielen gekommen?
Ich spiele Theater, seit ich vier, fünf Jahre alt bin. Ich bin zusammen mit anderen Kindern beim Bahnhof in Steg aufgewachsen und wir ­haben die Realsatire hautnah miterlebt. Wenn ein «Färli» gemetzget wurde, war das genauso aufregend, wie wenn der alte Herr Lütolf vom Bahnhof­buffet mit seinem neuen Auto vorgefahren ist, oder der Kirchenchor­ von einem Gesangsfest heimgekommen ist und einige Mitglieder einen über den Durst getrunken hatten (lacht). Wir haben beobachtet, wie sich die Menschen gefreut haben, wenn sie bedrückt waren, traurig oder auch mal über die Stränge geschlagen haben. Auch lustige Momente waren dabei. Das war ein reales Schauspiel sondergleichen. Später haben wir dann die ersten Gehversuche auf der Bühne gemacht.

Inwiefern?
Wir haben in der alten Scheune, da wo heute das Restaurant Sindbad steht, verschiedene Kindertheater aufgeführt. Da waren wir kleine Stars und alle drum herum waren Statisten. Nach und nach haben wir sogenannte Schwänke und Komödien im Theaterverein Qlisse in Steg aufgeführt und grosse Erfolge auf der Bühne gefeiert.

Sie haben schon unzählige klassische ­Theaterrollen gespielt. Welche Rolle war ­Ihnen auf den Leib geschrieben?
Don Camillo, diese Rolle spricht mir aus dem Herzen. Einerseits wegen meiner italienischen Wurzeln – mein Vater war Italiener – und andererseits auch wegen der Zwiegespräche mit dem Herrgott. Das war für mich eine sehr dankbare Rolle. Auch der «Schacher Sepp» war eine schöne Rolle. Da habe ich den Tod gespielt und hatte die Regie inne. Und auch der Bischofsmord oder die Auftritte mit der Seniorenbühne sind mir in guter Erinnerung.

Was macht einen guten Theaterspieler aus?
Es braucht eine Portion Frechheit. Man muss zwar eine gewisse Demut mitbringen, aber je länger ein Schauspiel dauert, desto «frecher» muss man werden. Natürlich darf man den roten Faden nicht verlieren, aber ein gewisser Spielraum und eine gewisse Inspiration auf der Bühne müssen möglich sein.

Auf der Bühne wirken Sie authentisch und können sich in jede Rolle hineinversetzen. Wie viel ist Talent und wie viel ist Übung?
Das schauspielerische Talent ist sicher nicht zu unterschätzen. Dazu muss man den Spass und die Freude am Theaterspielen mitbringen. Diese Mischung macht es aus. Wichtig scheint mir auch, dass man sich an professionellen Schauspielern orientieren kann. Darum braucht es die Bereitschaft und Offenheit, Neues zu lernen und die Rollen zu verinnerlichen. Und zwar sowohl im Ausdruck als auch in der Sprache und in der Mimik. Die Übungen geben dann den letzten Schliff.

Was fasziniert Sie am Theaterspielen?
Man muss gerne im Rampenlicht stehen, mit Hingabe in eine Rolle schlüpfen und eine ganz andere Person verkörpern. Und das Wichtigste: Man muss dem Publikum Freude bereiten. Auch eine gewisse Demut ist vonnöten. Bevor ich auf die Bühne gehe, bete ich ein Vaterunser. Daraus schöpfe ich Kraft und Inspiration, die mir hilft, auf der Bühne meine Leistung abzurufen.

Haben Sie noch Lampenfieber vor einer Aufführung?
Natürlich habe ich Lampenfieber. Vor jeder Aufführung spüre ich ein leichtes Kribbeln im Bauch. Das zwingt mich, vor jedem Auftritt Bananen und Schwarztee zu mir zu nehmen. Zudem muss ich mehrmals die Toilette aufsuchen (lacht).

Sind Sie immer zufrieden mit Ihren ­Auftritten?
Ich bin sehr selbstkritisch. Wenn ich eine bestimmte Passage verhaue oder den Text vergesse, dann kann ich mich fürchterlich darüber ärgern. Das hat auch damit zu tun, dass ich die Rollen ernst nehme und dem Publikum etwas bieten will. Während der Auftritte beobachte ich auch viel meine Mitspieler. Das hat etwas Faszinierendes und ich kann viel dabei lernen.

Sie haben schon ernste und prägende Rollen gespielt wie beim Bischofsmord den Freiherrn Anton von Turn, aber auch lustige und heitere Rollen wie Don Camillo. Was liegt ­Ihnen näher?
Momentan erkenne ich mich in den ernsten Rollen besser wieder. Diese Rollen haben viel mehr Tiefe als die heiteren, beschwingten Charaktere, die man verkörpert. Es braucht viel Zeit und Musse, sich in ernste Charakterrollen hineinzuversetzen und in diese Rollen hineinzuwachsen. Wichtig ist dabei, dass man auch die eigene Persönlichkeit mit einbringt. Sonst verliert die Rolle an Glaubwürdigkeit.

Sie gelten als einer der besten Laienschauspieler im Oberwallis. Hat es Sie nie gereizt, eine professionelle Schauspielausbildung zu machen?
Früher war das keine Option, eine solche Ausbildung in Angriff zu nehmen. Es fehlten ganz einfach die Mittel und die Möglichkeit dazu. Wenn ich meiner Mutter gesagt hätte, ich ­wolle eine Schauspielschule besuchen, hätte sie gesagt, sie gehe zum Zirkus als Seiltänzerin (lacht). Wie gesagt, es war keine Option und darum habe ich mir auch keine Gedanken darüber gemacht. Eine Schauspielschule ist ein hartes Business. Es braucht viel Durchhaltevermögen, Talent und Willenskraft, sich da zu behaupten.

Sie sind nicht nur als Schauspieler ­bekannt, sondern haben auch schon Regie ­geführt. ­Stehen Sie lieber auf oder hinter der Bühne?
Regie zu führen ist eine sehr interessante Aufgabe, aber auch mit viel Aufwand verbunden. Man muss die Schauspieler führen, Anordnungen geben, sich mit Ton und Licht auseinandersetzen und darf den Überblick nicht verlieren. Als Schauspieler kann man sich auf seine Rolle konzentrieren und sich selber verwirklichen. Insofern liegt mir das Schauspielen näher.

Die Theaterkultur im Oberwallis ist weit ­verbreitet. Wie beurteilen Sie das Niveau der Laienschauspieler?
Im Oberwallis gibt es sehr viele Leute, die grosses Talent haben. Aber man merkt auch, welche Theatervereine gut geführt werden. Das wirkt sich auf die Bühnenarbeit aus. Wichtig scheint mir, dass die Vereine überregional zusammenarbeiten. Auch die Mitwirkung von Profischauspielern hat einen sehr guten Einfluss auf das Laientheater.

Fast jedes Jahr findet im Oberwallis eine grosse Theaterproduktion statt. Wäre nicht weniger mehr?
Gutes Theater kann man nicht genug spielen. Vor allem die Freilichtschauspiele, wie sie in letzter Zeit immer mehr aufgeführt werden, gefallen mir persönlich sehr gut. Jedes Schauspiel gibt einen Impuls für das kulturelle, gesellschaftliche und touristische Leben. Das bringt Leben in unsere Region.

Sie haben schon viele Auftritte hinter sich. Gibt es eine Traumrolle, die Sie einmal besetzen möchten?
Meine Traumrolle ist Jedermann. Die Rolle des reichen Prassers, der nur an seinem Geld hängt, würde mich reizen. Aber ich könnte mir vorstellen, auch eine neue, moderne Version von Jedermann zu inszenieren. Ich habe noch viele Ideen, die ich verwirklichen möchte.

Walter Bellwald

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Infos

Vorname Amandus
Name Forno
Geburtsdatum 25. April 1949
Familie verheiratet, vier Kinder, fünf Enkel
Beruf Elektromonteur, in Pension
Funktion Laienschauspieler
Hobbies Sport allg., Lesen
Theaterspielen ist die beste
Psychotherapie.
Ja
Das ganze Leben ist ein Theater. Ja
Ich würde gerne einmal als Schauspieler
vor der Kamera stehen.
Ja
Der Joker darf nur einmal gezogen werden.  

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