Frontal | Visp
«Ich besitze ein richtiges Superman-Kostüm»
Der reformierte Pfarrer von Visp, Tillmann Luther, hofft zu Weihnachten auf mehr Frieden in jedem Einzelnen. Zudem verrät er, warum er Sachen von Superman geschenkt bekommt und wie er die Zeit als Rekrut in der Armee erlebt hat.
Pfarrer Tillmann Luther, Weihnachten steht vor der Tür. Sind Sie gestresst?
Überhaupt nicht, ich bin die Ruhe selbst (lacht).
Woran liegt das?
Das liegt daran, dass ich schon sehr früh mit den Vorbereitungen für Weihnachten beginne. Halten Sie mich für verrückt, aber ich befasse mich schon ab dem Februar mit Weihnachten.
Das ist früh. Was gibt es denn im Februar schon für Weihnachten vorzubereiten?
Die reformierte Gemeinde führt jedes Jahr am dritten Adventssonntag ein Krippenspiel auf. Früher haben wir die Vorlagen dazu immer eingekauft. Allerdings musste ich immer sehr viel an diesen Stücken umschreiben. Also dachte ich mir, dass ich doch einfach selbst ein Stück schreiben könnte. Und damit beginne ich dann halt im Februar. Im Sommer fange ich dann an, mir zu überlegen, über welche kreative Themen ich dann an Weihnachten predigen könnte. Es ist auch so, dass ich dann während des Herbstes Teile der Weihnachtspredigt sozusagen ausprobiere, indem ich sie während der Predigten aufgreife und schaue, wie die Menschen darauf reagieren. Bis Weihnachten hat sich die Predigt dann entwickelt. Manchmal setze ich während der Predigt auch auf Hilfsmittel, wie zum Beispiel ein Präventionsplakat der Polizei oder so. So etwas muss man natürlich organisieren. Aus all diesen Gründe fange ich früh mit den Weihnachtsvorbereitungen an und habe darum am Schluss auch keinen Stress. Das hilft natürlich auch, die Leidenschaft für das Fest zu entwickeln.
Was wird Ihr Kerngedanke in der diesjährigen Weihnachtspredigt sein?
Im Rückblick auf das zu Ende gehende Jahr ist für mich Frieden das zentrale Thema. Ich erlebe in Gesprächen immer wieder, dass die Menschen sich mit dem Thema Frieden sehr beschäftigen. Viele Menschen fühlen sich ohnmächtig angesichts der vielen Konflikte in der Welt. Und Friede ist ja auch der zentrale Gedanke von Weihnachten. Darum werde ich darauf eingehen, dass der Friede im Herzen jedes einzelnen Menschen beginnt. Ein General sagte einmal: «Wenn du Frieden in der Welt willst, musst du Frieden im Land haben. Wenn du Frieden im Land willst, musst du Frieden in den Städten haben. Wenn du Frieden in den Städten willst, musst du Frieden in den Häusern haben, und wenn du Frieden in den Häusern willst, muss du Frieden in den einzelnen Menschen haben.» Das wird mein zentraler Gedanke zu Weihnachten sein. Friede ist nichts Abstraktes oder etwas Grosses, auf das man als «kleiner» Mensch allein keinen Einfluss hat. Friede beginnt immer im Herzen eines jeden Einzelnen und verbreitet sich von dort aus in die Welt. Das ist der Gedanke von Weihnachten und auch mein grösster Wusch für Weihnachten, dass wir mehr den Frieden in uns finden und ihn auch unseren Mitmenschen zeigen.
Gibt es denn auch materielle Dinge, die Sie sich zu Weihnachten wünschen?
Oh ja, sehr viele (lacht). Ich mag Bücher, vor allem Sachbücher zu Themen wie Sprachen und Rhetorik, oder aber auch Astronomie und Geologie. Ich habe ja neben der Theologie auch Geologie studiert. Mineralien und Kristalle faszinieren mich immer noch sehr, aber ich klopfe dann doch lieber auf die Steine in den Herzen der Menschen als auf jene im Steinbruch.
Und Sie mögen Dinge von Superman.
In der Tat. Ich finde Superman eine unglaublich faszinierende Figur. Ich glaube, dass in jedem Menschen ein Superman steckt. Wir alle haben von Gott eine Gabe bekommen, die uns auszeichnet. Daher mag ich die Geschichte von Superman sehr und schätze die positive Einstellung dieses Helden. Er ist immer da, wo er gebraucht wird, setzt sich für andere Menschen ein, nimmt sich zurück, wenn es nötig ist, und lässt sich durch Rückschläge nicht aufhalten. Das wäre doch auch ein gutes Thema für einen Jugendgottesdienst, nicht? Und weil mich dieser Held so fasziniert, bekomme ich immer wieder Sachen von Superman geschenkt. Ich besitze Superman-Figuren, ein richtiges Superman-Kostüm und viele andere Dinge mit dem Emblem von Superman.
An Weihnachten müssen Sie arbeiten. Sie lesen die Mitternachtsmesse und am 25. Dezember dann die Weihnachtsmesse. Wie feiert die Familie Luther privat Weihnachten?
Wie die meisten Familien. Wir laden Freunde zum Fondue-Chinoise-Essen ein, öffnen die Geschenke. Danach gehen wir zusammen zum Gottesdienst und feiern anschliessend weiter. Allerdings nicht ganz so heftig, schliesslich muss ich ja am nächsten Morgen wieder zur Arbeit. Dieses Jahr predige ich am 25. Dezember in Leukerbad.
Kommen wir nun zum obligaten Jahresrückblick. Anfang November haben die Feierlichkeiten zu 500 Jahre Reformation begonnen, die im kommenden Jahr ihren Höhepunkt erreichen werden. Was bedeutet dieses Jubiläum für Sie?
Es ist natürlich eine grosse Sache. Als Martin Luther 1517 seine Thesen anschlug, hat er die entscheidende Sache, und zwar die Botschaft von Jesus Christus wieder in den Mittelpunkt gestellt. Natürlich haben auch die Schweizer Reformatoren Zwingli und Calvin entscheidend daran mitgewirkt. Das hat so viel ausgelöst. Zum Beispiel, dass in der Muttersprache gepredigt wurde, was ja später auch von den Katholiken übernommen wurde. Aber, die erneute Fokussierung auf Jesus Christus und das Wort ist es wirklich wert, zu feiern.
Die Reformation brachte aber auch Leid und Krieg. Denken Sie darüber auch nach?
Darüber denke ich ebenfalls nach und mir tut dabei auch das Herz weh und ich bin traurig, dass solche Dinge geschehen mussten. Aber ich bin gleichzeitig so froh, dass in der heutigen Zeit die Kirchen sich wieder aufeinander zubewegen. Natürlich gibt es weiterhin Unterschiede, aber der gemeinsame Nenner, Jesus Christus, ist wieder stärker in Zentrum gerückt.
Woran machen Sie es fest, dass die Kirchen wieder mehr zusammenrücken?
Die Ökumene nimmt zu. Nur allein im kommenden Januar werde ich sechs Mal in einer katholischen Kirche predigen. Aber es gibt auch einige Gläubige, die zum Beispiel erst den reformierten Gottesdienst besuchen und direkt danach in die katholische Kirche gehen. Das zeigt doch, dass sich die alten Gräben immer mehr schliessen. Schliesslich soll Religion den Menschen helfen und sie nicht auseinanderbringen.
Ein anderes wichtiges Ereignis in diesem Jahr für Sie war Ihre Ernennung zum Seelsorger der Schweizer Armee. Im Sommer sind Sie dafür in die RS eingerückt, als ältester Schweizer Rekrut aller Zeiten. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?
Körperlich war es sehr, sehr hart für mich. Teilweise musste ich über meine körperlichen Grenzen hinausgehen. Aber es war auch eine sehr wichtige Erfahrung für mich. Ich habe schon während der RS gemerkt, wie wichtig Armeeseelsorger sind. In der RS war ich ja Rekrut wie alle anderen auch. Dennoch haben sich schon dort viele junge Leute an mich gewandt, wenn sie einen Rat brauchten. In der Armee braucht es Leute, die ein offenes Ohr für die Soldaten, aber auch die Offiziere haben. Meine Entscheidung, mich als Armeeseelsorger zu verpflichten, war definitiv eine gute. Die Kirche sagt immer: «Wir wollen nah bei den Menschen sein.» Die Armee besteht ja auch aus Menschen, darum ist es wichtig, dass die Kirche, egal welche Konfession sie hat, in der Armee vertreten ist. Und es ist toll, dass die Armee dies auch so sieht, was sich auch im Dienstgrad der Armeeseelsorger zeigt.
Was heisst das?
Jeder Armeeseelsorger hat den Dienstgrad eines Hauptmanns. Das ist schon seit dem vorletzten Jahrhundert so. Dahinter steckt die Idee, dass die Seelsorger auch die nötige Autorität innerhalb der Befehlsstruktur haben, um ihrem Auftrag, sich der Sorgen der Armeeangehörigen anzunehmen, gerecht zu werden.
Wagen wir zum Schluss noch einen Ausblick auf das kommende Jahr. Was wünschen Sie sich für 2017?
Bei dieser Frage wandert mein Blick in die USA. Ich werde immer wieder darauf angesprochen, was die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten wohl für Auswirkungen auf die Welt haben wird. Ich hoffe, dass sich der Pulverdampf des Wahlkampfes möglichst schnell verzieht und dass in den USA weiterhin positiv und gut gearbeitet wird. Ich hoffe, dass sich die Welt, mithilfe der USA, annähert und dass wir keine neue Welle des Isolationismus erleben.
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