Frontal | Wie man sich richtig ernährt
«Hände weg von Diäten, bei denen kaum Kalorien gegessen werden»
Doris Zeller ist Ernährungsberaterin am Spitalzentrum Oberwallis. Im Interview spricht sie über Diäten, Fast Food, Essen als Lebensstil und warum sie Diäten gegenüber sehr kritisch ist.
Doris Zeller, was haben Sie heute zu Mittag gegessen?
Heute Mittag gab es für mich Salat, Ziger-Käse, etwas Brot und ein Joghurt.
Hört sich genau nach dem gesunden Zeug an, das man auf dem Teller einer Ernährungsberaterin zu finden vermutet.
(lacht). Ja, aber das ist eher Zufall. Ich achte auf meine Ernährung, das ist klar. Aber ich habe auch «ungesunde» Tage, an denen mein Speiseplan anders aussieht. Und Süssem kann ich selten widerstehen.
Sie essen auch mal einen Burger.
Ja, ich liebe einen guten Burger.
Aber das ist doch Fast Food und somit ungesund.
Fast Food heisst nur, dass es schnell in der Zubereitung und nicht dass diese Nahrung ungesund ist. Nehmen wir den angesprochenen Burger. Besteht dieser aus qualitativ hochwertigen, frischen Zutaten und verzichtet man auf eine allzu fettige Sauce, so ist ein Burger eine sehr gesunde Mahlzeit. Es kommt nicht darauf an, wie schnell eine Mahlzeit zubereitet wird, sondern was sie enthält.
«Ich habe auch ungesunde Tage. Süssem kann ich nicht widerstehen»
Die Nahrung nimmt bei vielen Menschen heute einen grossen Stellenwert in ihrem Leben ein. Machen wir uns zu viele Gedanken um unser Essen?
Ich denke, das ist sehr individuell. Fakt ist, dass wir in einer Überflussgesellschaft leben und meist überall und sehr einfach zu Nahrung kommen. Wir sind einem unglaublichen Angebot von Lebensmitteln ausgesetzt, die billig sind. Die Verführung ist gross und vielfältig. Da ist Widerstehen nicht so einfach. Ich denke, dass ein grobes theoretisches Wissen über die gesunde Ernährung nach der Lebensmittelpyramide daher sicherlich hilfreich ist, um sich gesund zu ernähren. Es ist auch von Vorteil, seine Schwächen zu kennen und entsprechende Gegenmassnahmen zu treffen, wie zum Beispiel nie hungrig einkaufen gehen, möglichst wenig Süsses zu Hause lagern oder seinen Frust mit Entspannung statt mit Essen abzubauen. Wenn die Frage nach der richtigen Ernährung aber das Leben zu bestimmen droht, halte ich das nicht für ideal.
Wie gesund ist denn die Nahrung, die dem Durchschnittsmenschen zur Verfügung steht?
Grundsätzlich gibt es keine ungesunde Nahrung. Wie eine These von Paracelsus sagt: «Die Menge macht das Gift.» Das heisst, wenn ich den ganzen Tag nur Äpfel esse, ist dies genauso ungeeignet, wie wenn ich den ganzen Tag nur Schokolade esse.
Was bedeutet es für Sie persönlich gesund zu essen?
Die Lebensmittelpyramide gibt die Leitplanken für den Alltag vor. Das heisst: Ausreichend trinken, (1,5 bis 2 Liter pro Tag), regelmässige Zufuhr von Kohlenhydraten und Proteinen zu jeder Hauptmahlzeit und sehr fettreiche Speisen mit Mass essen. Gesund essen bedeutet für mich: genussvoll, abwechslungsreich, saisonal, regional und ausgewogen und am besten in Gesellschaft.
Um Zeit zu sparen, kochen viele Menschen nicht selbst, sondern setzen auf Fertiggerichte, sogenanntes Convenience Food. Kann man sich mit solchen Produkten gesund ernähren?
Auch hier würde ich am liebsten Paracelsus zitieren. Convenience Food kann gezielt und mit Mass eingesetzt sehr praktisch sein. Es sollte aber immer mit frischen Lebensmitteln wie Gemüse oder Früchte ergänzt werden. Eine Fertigpizza kann beispielsweise mit magerem Schinken, Tomaten und Kräutern «aufgemotzt» werden. Gleichzeitig muss die Pizza auch nicht so gross sein, wenn man dazu noch einen Salat isst.
Viele Menschen leiden an Unverträglichkeiten und müssen deshalb besonders auf ihre Ernährung achten. Dabei hat man oft das Gefühl, dass diese Phänomene stetig zunehmen. Stimmt das?
Wenn Unverträglichkeiten oder Allergien ärztlich diagnostiziert werden, dann ist eine entsprechende Ernährungsanpassung empfehlenswert. In letzter Zeit ist aber vor allem gluten- und laktosefreies sprich milchzuckerfreies Essen en vogue, ohne dass eine Gluten- oder Milchzuckerunverträglichkeit ärztlich diagnostiziert wurde. Die Umsätze von gluten- und laktosefreien Produkten haben sich dadurch vervielfacht. Es gibt auch viele irreführende, wissenschaftlich nicht gesicherte Bluttests, die angeblich Nahrungsmittelallergien und -intoleranzen diagnostizieren sollen. Es gibt keinen Grund, sich unnötig einzuschränken, nur weil etwas gerade «in» ist oder ein zweifelhafter Bluttest dies diagnostiziert. Zudem besteht so auch die Gefahr einer einseitigen und unausgewogenen Ernährung. Hat man das Gefühl, etwas nicht zu vertragen, sind ein klärendes Gespräch mit dem Arzt und eine seriöse Abklärung sinnvoll.
Viel Geld wird auch mit Vegetarismus oder Veganismus gemacht. Auch diese Esskulturen sind im Trend. Wie sieht es hier mit den gesundheitlichen Aspekten aus?
Diese zwei Ernährungsformen werden oft auch als Weltanschauung und alternative Lebensweise verstanden. Die vegetarische Essweise ist grundsätzlich einfach durchzuführen. Es ist kein Problem, sich dabei ausgewogen zu ernähren. Dem gegenüber setzt eine vegane Ernährungsweise ein umfassendes Ernährungswissen voraus, damit man sich ausgewogen ernährt. Bei der veganen Ernährung können Supplemente oder angereicherte Lebensmittel mit Omega-3-Fettsäuren, Calcium, Vitamin D und Vitamin B12 nötig sein, damit keine Mangelerscheinungen auftreten. In gewissen Lebenslagen wie Schwangerschaft, Stillen oder bei Kindern und alten Menschen birgt die vegane Ernährung gewisse Risiken. Hier empfehle ich auf alle Fälle eine ärztliche Kontrolle der Nährstoffversorgung.
Die Fastenzeit ist gerade zu Ende gegangen. Viele Menschen haben diese Zeit fürs Fasten genutzt. Was halten Sie davon?
Die Gründe fürs Fasten sind sehr unterschiedlich. Einige Menschen tun es aus spirituellen oder religiösen Gründen, andere zur Darmreinigung, zur Förderung der eigenen Körperwahrnehmung oder des Wohlbefindens. Für viele Fastende hat die Kur positive Effekte auf den Geist. In dieser Zeit werden Hunger und Sättigung besser wahrgenommen. Viele sehen dies als Chance, über die eigenen Essgewohnheiten nachzudenken. Andere berichten auch, dass die Ruhe, in der sich der Darm befindet, auch auf ihre Psyche übergeht. Wenn Fasten aber einzig zur Gewichtsreduktion dienen soll, rate ich von einer solchen Blitzdiät ab.
«Vom Fasten als Blitzdiät rate ich jedem vehement ab»
Ist fasten nun gesund oder nicht?
Inwieweit Fasten gesund ist für den Körper, darüber streiten sich Naturheilkundler und Schulmediziner. Die Schulmedizin sagt zwar, eine kurze Fastenzeit sei für den Körper nicht schädlich, sei aber eher ein Stressfaktor als eine Therapie. Die Naturheilkunde argumentiert, dass sich der Körper während dieser Zeit regenerieren könne und mit dem Abbau von Reserve sich selber entgifte. Klar ist: Fürs Fasten ist eine gute Gesundheit Grundvoraussetzung. Ein klärendes Gespräch mit dem Hausarzt wäre sicher sinnvoll, bevor man eine Fastenkur beginnt. Zudem sollte man nicht länger als eine Woche fasten, sich während der Fastenzeit entspannen und möglichst nicht arbeiten. Nach der Fastenzeit sollte die Nahrungsmenge langsam gesteigert und mit leicht verdaulichen Nahrungsmitteln begonnen werden.
Viele Menschen fasten zwar nicht, machen aber Diäten, um an Gewicht zu verlieren. Wie sieht es hier vom gesundheitlichen Standpunkt her aus?
Diät wird gleichgesetzt mit Schlankheitskur oder Gewichtsabnahme. Vor allem im Frühling gibt es kaum eine Zeitschrift, welche nicht ihre eigene Diät propagiert. Diäten gibt es wie Sand am Meer. Hier den Überblick zu behalten, ist sehr schwer. Es gilt aber: Hände weg von Diäten, bei welchen die tägliche Lebensmittelzufuhr unter 1500 Kilokalorien liegen, bestimmte Lebensmittel oder Lebensmittelkombinationen verboten werden, eine Gewichtsreduktion von mehr als einem Kilogramm pro Woche versprochen wird oder eine Erfolgsgarantie gegeben wird mit «nie wieder zunehmen» oder «nie wieder dick». Eine ausgewogene, abwechslungsreiche Ernährung ist sicher der richtige Weg, der längerfristig zum Erfolg führt. Zudem ist es wichtig, dass man sich täglich mindestens 30 Minuten zügig bewegt, sodass man etwas ins «Schnaufen» kommt. Das ist der erfolgversprechendste Weg, dauerhaft an Gewicht zu verlieren.
Wenn Sie Diäten so kritisch gegenüberstehen, warum verordnen Sie solche dann im Spital?
Wie bereits erwähnt, ist für die meisten Leute Diät ein Synonym für Schlankheitskur. Die Diätetik im Spital basiert jedoch auf ernährungswissenschaftlichen Grundlagen und beinhaltet viel mehr als nur Gewichtsabnahme. Aufgrund von ärztlichen Verordnungen unterstützen wir medizinische Therapien durch gezielte ernährungstherapeutische Massnahmen. Die Krankheitsbilder sind sehr vielfältig. Dazu können Stoffwechselkrankheiten, Nierenerkrankungen, Nahrungsmittelallergien, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Adipositas, Krankheiten des Verdauungstraktes, Fehl- und Mangelernährungszustände und vieles mehr gehören. Unsere Diäten orientieren sich an diesen Krankheitsbildern und tragen ihnen Rechnung. Unsere Diäten haben daher ganz andere Ziele als den reinen Gewichtsverlust.
Artikel
Kommentare
Noch kein Kommentar