Frontal | Naters
«Gelingt die Erstbesteigung, halte ich die Walliser Fahne hoch»
Nur die fünf besten Jungbergsteiger der Schweiz schafften es ins «SAC Expeditionsteam». Im Sommer streben sie die Erstbesteigung eines Berges im Gebirgsmassiv im Westen Chinas an. Mittendrin: Der Oberwalliser Sebastian Briw (21) aus Naters.
Sebastian Briw, Sie sind einer von fünf Bergsteigern im Expeditionsteam. Wie kam es dazu?
JO-Leiter und Bergführer informierten junge SAC-Mitglieder frühzeitig über das Projekt und fragten, ob jemand Interesse hat, daran teilzunehmen. Ich kannte «das Expeditionsteam» bereits aus der ersten Staffel, in der ein Kollege aus Bitsch dabei war. Deshalb sagte ich zu und meldete mich für das Selektionsverfahren an.
...und prompt wurden Sie selektioniert.
Ich hatte am Anfang keine Erwartungen und liess alles auf mich zukommen. Während des Ausscheidungsverfahrens wollte ich primär zeigen, was ich bisher gelernt habe. Dabei knüpfte ich einige sehr gute Freundschaften zu anderen Kletterern und Berggängern. Generell gilt es zu sagen, dass das Ganze auf einer sehr kameradschaftlichen Ebene durchgeführt wurde.
Während drei Jahren bringt ein Bergführer des Schweizer Alpenclubs dem fünfköpfigen «Expeditionsteam» alles bei, was es braucht, um eine Expedition zu planen. Mittendrin filmt das SRF. Wie haben Sie die Kamera als steten Begleiter wahrgenommen?
Das war schon speziell. Zum Teil war es auch ein bisschen mühsam, gerade wenn wir morgens um 4.00 Uhr aufgestanden sind und noch ziemlich verschlafen waren, nervte die Kamera (lacht). Doch wir gewöhnten uns schnell daran. Die Kameraleute hatten einen eigenen Bergführer, weshalb sie sehr unabhängig agieren konnten.
Worauf wurde bei den Vorbereitungen auf die Expedition (Start am 16. Juli 2016, die Red.) im Jahr 2015 der Fokus gelegt?
Insgesamt waren wir mit dem Team zwei komplette Wochen unterwegs. Die eine verbrachten wir mit Klettern. Dabei ging es um verschiedenste Techniken beim Klettern, die andere verbrachten wir am Mont Blanc. Dort wurde der Schwerpunkt auf das Bergsteigen und Biwakieren gelegt. Doch den grössten Teil war ich mit Kollegen unterwegs und erkundete verschiedene Gipfel.
Im «Expeditionsteam» sind Sie mit vier weiteren Jungbergsteigern unterwegs. Ist daraus eine Kollegschaft entstanden?
Auf jeden Fall. Daraus ist eine sehr gute Freundschaft entstanden. Doch auch mit Kollegen, die am Selektionsverfahren teilgenommen haben, tausche ich mich zwischendurch aus und habe auch schon Touren mit ihnen absolviert. Man kennt und schätzt sich.
Sind Sie in den Bergen an Ihre Grenzen gekommen?
Das Ziel eines Bergsteigers ist es, nicht bis an die absolute Grenze zu gehen. Wir wollen auf der sicheren Seite sein. Dennoch versucht sich jeder ambitionierte Bergsteiger stets zu steigern. Ich erinnere mich an eine Tour vom vergangenen Sommer, die wir 100 Meter vor dem Gipfel abbrechen mussten, weil das Wetter sehr schlecht war. Das war eine Sicherheitsmassnahme. Es gilt, die Verhältnisse richtig einzuschätzen.
In der Vorbereitung hat sich einer Ihrer Kameraden verletzt und musste mit einem Helikopter geborgen werden. Ein Szenario, das bei der Expedition im Tian-ShanGebiet diesen Sommer nicht möglich ist.
Natürlich bleibt in den Bergen auch ein Restrisiko, doch wir lernen auch viel über die Bergrettung und versuchen uns bestmöglichst darauf vorzubereiten.
Was heisst das konkret?
Wir haben ein Wochenende damit verbracht, konkrete Szenarien durchzuspielen. Wie reagieren wir bei welcher Verletzung eines Kollegen? Was gibt es für Höhenkrankheiten? Was tun wir dagegen? Es gibt verschiedene Punkte, die beachtet werden müssen. Gerade die Akklimatisierung wird uns in Asien vor eine grosse Herausforderung stellen. Wichtig ist, möglichst vielen Gefahren im Voraus zu eruieren.
Sie haben viel Zeit mit dem Lead-Guide Denis Burdet verbracht. Wie haben Sie ihn wahrgenommen?
Er hat sehr viel Erfahrung und konnte uns davon viel weitergeben. Da er bereits auf der ganzen Welt unterwegs war, konnte er uns von seinen Expeditionen viele Details erzählen und uns auf Unvorhersehbares aufmerksam machen. Burdet kennt zudem viele kleine aber wertvolle Tricks, die er uns verraten hat. Es ist toll, dass wir von einem derart erfahrenen Lead-Guide profitieren können.
Am 16. Juli startet die Expedition. Mit welchen Erwartungen reisen Sie nach China?
Mein grösster Wunsch ist gutes Wetter. Denn sechs bis sieben Wochen im Gebirge mit Nebel und Regen sollen es auf keinen Fall werden; wir müssten dann unser Programm anpassen und unser Ziel, möglichst viele Erstbegehungen zu machen, wäre dadurch nur schwer umzusetzen. Wo wir hinfahren, gibt es Bergketten, die gleich gross sind wie der Kanton Wallis und noch nicht bestiegen sind. Diese Gebiete gehörten vor 10 Jahren noch zur Sperrzone der Armee. Gerade mal drei Expeditionen fanden in diesem Gebiet bisher statt. Allein die Anreise ins Basecamp dauert eine ganze Woche.
Sie waren noch nie in diesem Gebirgsmassiv in China. Was bereitet Ihnen Kopfzerbrechen?
Die grösste Herausforderung wird die Höhe sein. Von fünf Teammitgliedern war nur einer bereits höher als 5000 Meter über Meer. Die höchsten Gipfel im Tian Shan liegen bei 6700 Meter. Das ist eine grosse Unbekannte. Natürlich: Es gibt weit höhere Berge, doch wir haben uns bewusst für dieses Gebiet entschieden, da wir nicht wissen, wer wie auf die Höhe reagiert. Zudem ist es ruhiger im Bezug auf den Massentourismus. Es bringt nichts, wenn wir deswegen einen oder zwei Kameraden zurücklassen müssten.
Vor dem Gang nach China gings nochmals zum Mont Blanc. Die höchsten Gipfel in China liegen fast 2000 Meter höher als die Spitze des Mont Blanc. Wie verläuft die Akklimatisierung?
Wichtig ist es, dass jeder in seiner Region immer wieder in die Berge geht. Dadurch gewöhnt man sich an die Bergluft. In China werden wir unser Basecamp relativ hoch erstellen; vermutlich auf 4000 bis 4500 Meter. Dann lassen wir uns mit der Akklimatisierung Zeit und werden zwischendurch höher aufsteigen und dann dort übernachten, ehe wir wieder hinabsteigen, um unseren Körper besser an die Höhe gewöhnen zu können. Es gilt, nichts zu überstürzen, bevor wir einen Gipfel erklimmen.
Was wissen Sie über China?
China ist ein grosses komplexes Land. Wir haben uns in der Vorbereitung vor allem auf das Tian-Shan-Gebiet und die bevorstehende Expedition konzentriert. Wir wissen, welche Bewilligungen wir einholen müssen, wer uns wo begleiten wird und wo es Sinn macht, mit einem Übersetzer anzureisen.
Was darf auf der Reise auf keinen Fall fehlen?
Ein gutes Stück Walliser Trockenfleisch.
Im Ernst?
Ja. Es ist wichtig, etwas mitzunehmen, das man wirklich mag. Wenn du 40 Tage auf einer Expedition immer das selbe isst, freust du dich auf eine Spezialität aus deiner Heimat.
Woher kommt eigentlich die Begeisterung für die Natur und die Bergwelt?
Bereits als zehnjähriger wurde ich Mitglied des SAC und besuchte dort die Touren des Kinderbergsteigens. Das hat mich von Anfang an begeistert. Später kamen dann die JO sowie das Nachwuchsteam des Walliser Bergführerverbandes dazu. So konnte ich mich stetig weiterentwickeln, um auch privat viele Touren sicher und effizient durchzuführen.
Sie haben in der Vorbereitungsphase mit dem Lead-Guide auch über die Finanzierung der Expedition gesprochen. Wer finanziert das Ganze mit?
Denis Burdet zeigte uns, wie ein Sponsoring-Dossier erstellt wird, aber er wies uns darauf hin, wann der richtige Zeitpunkt ist, dieses einem potenziellen Partner vorzustellen. Doch schlussendlich mussten wir eigenständig mögliche Sponsoren finden. Durch einen Kontakt gerieten wir zur Privatbank Notenstein, die gleich das Exklusivrecht beanspruchte und uns nun mit einem grosszügigen Betrag unterstützt. Neben ihnen gibt es noch einen Hauptsponsoren sowie diverse kleinere Sponsoren, die uns die Expedition ermöglichen.
Sie sind Biologielaborant bei Lonza. Wie sieht Ihr Arbeitspensum während der Vorbereitungsphase aus?
Parallel zur Expedition beginne ich derzeit die Ausbildung zum Bergführer. Im ersten Kurs im Januar geht es um Ski- und Lawinentechnik sowie das Eisklettern. Das ist sehr zeitaufwendig. Ab Januar arbeite ich dann blockweise, damit ich mein 60-Prozent-Pensum erfüllen sowie alle Kurse besuchen kann. Anschliessend werde ich wieder intensiv arbeiten, bevor die grosse Expedition ansteht. Den Grossteil der zweiten Jahreshälfte werde ich dann arbeiten.
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