Frontal | Direktor Pfyn-Finges

«Es wird leider immer noch in sehr kleinen Einheiten gedacht»

Peter Oggier: «Die Gesellschaft ­befindet sich zwischen Misthof und Stadthaus.»
1/2

Peter Oggier: «Die Gesellschaft ­befindet sich zwischen Misthof und Stadthaus.»
Foto: rz

«Warum kommt der Wolf ins Wallis? Weil er hier Nahrung findet», so Oggier.
2/2

«Warum kommt der Wolf ins Wallis? Weil er hier Nahrung findet», so Oggier.
Foto: rz

Quelle: RZ 1

Salgesch | Biologe Peter Oggier leitet den regionalen Naturpark Pfyn-Finges. Im Interview spricht er über sein Verständnis eines Parks, warum der Wolf im Wallis bleibt und was der Park in diesem Jahr plant.

Peter Oggier, die Natur hält Winterschlaf. Ist der Winter auch für die Parkleitung eine ruhige Zeit?

Ganz im Gegenteil. Für mich und mein Team vom Naturpark Pfyn-Finges ist der Winter sehr arbeitsintensiv. Wir sind dabei, das vergangene Geschäftsjahr abzuschliessen und das neue Jahr im Park vorzubereiten. In diesem Jahr fällt dabei aber noch zusätz­liche Arbeit an.

Die da wäre?

Wir sind derzeit dabei, die Leistungsvereinbarung mit dem Bundesamt für Umwelt (Bafu) für die Jahre 2016 bis 2019 auszuarbeiten. Das ist eine sehr wichtige Arbeit, schliesslich wird sie entscheidend dafür sein, wie viel Geld wir in Zukunft erhalten werden.

Wie viel Geld hätten Sie denn gerne?

Wir hoffen, dass wir pro Jahr 880 000 Franken vom Bund und 550 000 Franken vom Kanton erhalten.

Sind Sie zuversichtlich, dass Sie dieses Geld erhalten werden?

Ja, das sind wir. Wir sind in den letzten Jahren als Natur­park immer bekannter und vernetzter geworden­. Zudem haben wir uns die nötigen personellen Ressourcen geschaffen, um unsere Angebote auszubauen. Ich denke darum, dass wir die geforderten­ Geldmittel erhalten werden.

Nun gibt es ja noch andere Pärke in der Schweiz, die ebenfalls Geld wollen. Herrscht ein Konkurrenzkampf?

Die anderen Pärke sind in meinen Augen keine Konkurrenten, sondern Mitbewerber. Die Mittel sind zwar begrenzt und werden je nach Qualität des Angebots auf die einzelnen Pärke verteilt. Allerdings ist es nicht so, dass die einzelnen Pärke ein Geheimnis aus ihrem künftigen Angebot machen. Wir wissen eigentlich sehr gut, was die anderen vorhaben. Mit dem Landschaftspark Binntal haben wir zum Beispiel sehr eng zusammengearbeitet und einzelne Punkte der Leistungsvereinbarung auch zusammen eingegeben.

Was für Schwerpunkte wollen Sie in den kommenden vier Jahren setzen, sprich was sind zentrale Punkte der neuen Leistungsvereinbarung?

Etwas, dass wir in Zukunft stark verfolgen möchten, sind Kreisläufe und wie diese Kreisläufe wieder besser in die Gesellschaft integriert werden können.

Das heisst?

Die Gesellschaft im Oberwallis befindet sich derzeit salopp gesagt zwischen Misthof und Stadthaus. Als Beispiel möchte ich die Grünabfälle nehmen. Viele Menschen bei uns haben noch einen Garten. Da fallen Abfälle an. Was wird mit diesen Abfällen gemacht? Sie werden zur nächsten Sammelstelle gebracht und entsorgt. Danach rennen die Menschen aber ins Geschäft und kaufen für viel Geld Humus. Dabei könnten sie diesen Humus bei sich im Garten selber machen, so wie es früher war. Mit modernen Kompostmethoden zum Beispiel ist dies sehr gut möglich. Im Oberwallis sind wir wie gesagt auf einer Zwischenstufe. Es gibt zwar noch viel Natur im täg­lichen Leben, trotz allem erhalten die Gewohnheiten aus einer städtischen Umgebung immer mehr Einzug. Diesem Phänomen wollen wir uns in den nächsten Jahren vermehrt annehmen.

Wie soll das laufen?

Auch wir im Park kennen das Phänomen, dass wir Rohstoffe, die die Natur produziert, wegwerfen anstatt sie weiterzuverarbeiten. Wenn wir zum Beispiel Weiden oder Haselstauden schneiden, fällt viel Material an, das man wunderbar für Körbe oder «Tschiffre» verwenden könnte. Es gibt aber kaum noch jemand, der «Tschiffre» macht. Diese alten Handwerke wollen wir wiederbeleben. Ein Erfolg wäre es, wenn der Gedanke der Verwertung von Rohstoffen aus der Natur wieder stärker ins Bewusstsein der Menschen treten würde.

Kommen wir auf dieses Jahr zu sprechen. Das Jahr im Park beginnt traditionell mit dem Putztag im Pfynwald Anfang April. Ist der Pfynwald eine solche Müllkippe, dass man ihn jedes Jahr putzen muss?

Nein, sicher nicht. Der Pfynwald wie auch alle anderen Regionen des Parks sind gut gepflegt und recht sauber. Schliesslich gibt es verschiedene öffentliche Institutionen, die hierfür zuständig sind und einen guten Job machen. Beim Putztag geht es darum zu sensibilisieren. Wir kennen das alle. Ein Papier ist schnell einmal weggeschmissen und wo ein Papier liegt, folgt bald das nächste. Zudem ist der Pfynwald sehr gut zugänglich, Abfälle sind schnell einmal abgeladen. Wir finden immer wieder Reifendepots oder ähnliche Abfälle. Diese werden dann am Putztag beseitigt.

Gibt es sonst Neuheiten in diesem Jahr?

In diesem Jahr wollen wir uns noch mehr auf die einheimische Bevölkerung konzentrieren. Aus diesem Grund werden wir z.B. Flechtkurse, Baumschnittkurse oder ornithologische Frühstücke und Apéros anbieten. Dabei werden die Gäste an einen Ort gebracht, wo man spezielle Vogelarten, wie die Nachtigall, beobachten kann. Dazu werden die Gäste verköstigt. Da sich diese Anlässe eher auf den frühen Morgen und den späteren Abend konzentrieren, hoffen wir, dass so mehr Einheimische ihren Park kennenlernen.

Die Vögel im Park bleiben ein zentrales Thema.

Die Artenvielfalt bei uns ist sehr gross. Wir sind einer der besten Pärke im Land, was die Biodiversität betrifft. Das wollen wir natürlich zeigen.

Gibt es denn Bemühungen, diesen Artenreichtum noch auszubauen?

Das kann gefährlich sein und ist nicht die primäre Aufgabe eines Naturparks. Jeder unüberlegte Eingriff in das Ökosystem kann Konsequenzen haben, die kaum abschätzbar sind. Darum ist es besser, sich darauf zu konzentrieren, die bestehenden Arten zu erhalten und zu fördern. Daneben erhalten wir via Biotoppflege möglichst optimale Lebensräume, damit sich seltene Pflanzen und Tiere wieder ausbreiten können. Ich bin kein grosser Freund von Eingriffen in ein Ökosystem, vor allem wenn dieses Eingreifen oder Nichteingreifen politisch und nicht sachlich motiviert ist.

Hier klingt die Wolfsdebatte durch.

Auch, aber nicht nur. Bei jedem Eingriff in die Natur gibt es einen technischen und einen politischen Aspekt. Warum kommt der Wolf zu uns ins Wallis? Weil er hier Nahrung findet. Dabei spreche in nicht nur von den Schafen. Die sind nur eine kurze Zeit für den Wolf erreichbar. Den Rest des Jahres ernährt sich der Wolf von Huftieren wie Rehen und Gämsen, welche es bei uns in hohen Dichten gibt. Das ist einer der Hauptgründe, warum der Wolf zu uns kommt und es immer wieder tun wird, die technische Seite eben. Politisch hingegen verspricht man der Bevölkerung seit nunmehr 20 Jahren, dass man das Wallis oder einzelne Gebiete wieder wolfsfrei bekommen wird. Argumentiert wird dann sehr oft auf Stammtischniveau, wobei es um Aussetzungstheorien, Geschichten aus der Märchen- und Sagenwelt und Gerüchten anstatt Zahlen, gesicherte Fakten und Erfahrungen aus dem Ausland geht. Als Fachmann ist es hart, zuschauen zu müssen, wie wir hier in einen regelrechten Hammer hineinlaufen. Leider ist die Diskrepanz zwischen Fakten und Wunschdenken bei diesem Thema riesig und fast niemand will eine rein sachliche Diskussion führen und die Probleme wirklich angehen.

Welche Visionen haben Sie als Direktor des Naturparks Pfyn-Finges für die Zukunft?

Meine Vision ist, dass die Menschen, die im Gebiet des Parks leben, eines Tages sagen: «Ich komme aus dem Naturpark Pfyn-Finges» und nicht mehr: «Ich komme aus Gampel, Leuk oder Salgesch.» Wenn der Park so stark ins Bewusstsein der Menschen übergegangen ist, dann haben wir einen wunderbaren Schritt getan, der Park ist dann wirklich in der Gesellschaft verankert, mit der Erkenntnis, dass der Naturpark für die Menschen da ist und nicht umgekehrt. Wir von der Parkleitung wollen und können nicht vorschreiben, wie sich die Region entwickeln soll. Vielmehr ist uns daran gelegen, dass wir die Vorstellungen der Menschen aufnehmen und den Park in diese Richtung entwickeln. Daraus ergäbe sich dann auch eine touristische Vision.

Die da wäre?

Im Tourismus wird leider immer noch in sehr kleinen Einheiten gedacht. Jedes Dorf kämpft praktisch alleine um Gäste. Aber fragen Sie mal im Ausland, wer Erschmatt oder Leuk kennt? Niemand. Wenn sich ein Gast für eine Destination entscheidet, dann für eine Region und nicht für ein Dorf. Ein Naturpark bietet darum sehr gute Voraussetzungen, um sich zu positionieren. Denn der Begriff Naturpark ist sehr positiv behaftet, sagt er doch aus, dass es dort landschaftlich schön ist. Man wird ja nicht ohne Grund ein Park, sondern weil die Landschaft dort besonders schön und einzigartig ist. Dieses Potenzial einer tollen Landschaft sollte stärker genutzt werden, nicht nur hier in der Region, sondern im ganzen Oberwallis.

Wird das denn nicht getan?

Nein. Bei uns ist Innovation leider immer noch gleichbedeutend mit Infrastruktur. Verstehen Sie mich jetzt nicht falsch, wir brauchen selbstverständlich gute Infrastrukturen für unsere Gäste. Bei der Angebotsgestaltung aber gehen wir aus meiner Sicht sehr oft falsch vor, indem wir nur gerade dasjenige kopieren, was alle anderen auch anbieten – ich denke da an Seil- und Abenteuerparks, Lehrpfade und Ähnliches. Damit stehen wir dann in direkter Konkurrenz zu Regionen, welche dies auch anbieten. Wir aber sollten bei der Angebotsgestaltung von dem ausgehen, was uns von allen anderen abhebt und einmalig macht: Unserer Landschaft sowie unseren Kulturwerten und Bauten. Denn nur wir haben eine Gemmi, einen Illgraben, ein Turtmanntal, ein Matterhorn oder ein Schloss Leuk. Diese einmaligen Werte als Ausgangs- und Mittelpunkt unserer Angebote zu nutzen, könnte uns entscheidend weiterbringen.

Martin Meul

Artikel

Infos

Zur Person

Vorname Peter
Name Oggier
Geburtsdatum 7. Februar 1964
Familie verheiratet, zwei Kinder
Beruf Biologe
Funktion Direktor Pfyn-Finges
Hobbies Wandern, Lesen

Nachgehakt

Ich habe mich schon einmal im Pfynwald verlaufen. Ja
Als Park-Direktor muss ich ein Naturbursche sein. Nein
Das Zentrum des Parks stünde besser in Leuk. Nein
Der Joker darf nur einmal gezogen werden.

Artikel

Kommentare

  • Claudio - 20

    Sie sprechen in hohen Tönen, von Wolf und Natur! Aber die 10 Tonnen Abfall, die in Ihrem Naturschutzgebiet neben der Strasse, zwischen Susten und Siders liegen, sehen Sie nicht!!! Viel blabla

Kommentar

schreiben

Loggen Sie sich ein, um Kommentare schreiben zu können.

zum Login

Sitemap

Impressum

MENGIS GRUPPE

Pomonastrasse 12
3930 Visp
Tel. +41 (0)27 948 30 30
Fax. +41 (0)27 948 30 31