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«Es schmerzt zu hören, dass vor allem Schweizer Verbilligungen wollten»

Jean-Michel Cina
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Jean-Michel Cina
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Für Staatsratspräsident Jean-Michel Cina hat das Jahr mit gemischten Gefühlen begonnen. Im Interview spricht er über die Herausforderungen für das Wallis, seine Art Politik zu machen und die Ziele, welche er als Volkswirtschaftsminister künftig verfolgen will.

Herr Cina, seit zwei Monaten feiert das Wallis seinen runden Geburtstag. Ist Ihnen noch nach feiern zumute?
Die Gefühle sind in der Tat gemischt. Einerseits ist die 200-Jahr-Feier etwas sehr Positives. Sie gibt uns die Möglichkeit, unseren Kanton zu präsentieren und unser Image aufzuwerten. Auf die Zugehörigkeit zur Eidgenossenschaft seit 200 Jahren können wir sicher stolz sein. Für mich als Volkswirtschaftsminister ist die Feier aber auch eine Möglichkeit, um zusätzliche Übernachtungen zu generieren, um Werbung für das Wallis zu machen.

Und was trübt die Feierstimmung?
Der Start in das Jahr war sicher nicht einfach. Die Tatsache, dass die Nationalbank den Euro-Mindestkurs aufgehoben hat, hat den Druck auf das Wallis verstärkt, vor allem auf das touristische Wallis, aber auch auf unsere Exportwirtschaft. Auch der Entscheid von Tamoil, die Raffinerie zu schliessen, was 200 Arbeitsplätze kosten könnte, hat einen Schatten auf den Jahresbeginn geworfen.

Sie sagen, dass Sie das Image des Wallis mit den Feier­lichkeiten aufwerten wollen. Ist das nötig?
Die Resultate der Abstimmungen der vergangenen Zeit waren für das Wallis nicht immer ganz einfach. Vereinzelt gab es Menschen, die mit diesen demokratischen Vorgaben nicht umgehen konnten und sich zu extremen Forderungen hinreissen liessen, wie zum Beispiel dass man aus der Eidgenossenschaft austreten solle. So etwas stösst natürlich auf wenig Verständnis. Das Image des Wallis im Rest des Landes ist grundsätzlich positiv, man schätzt unseren Hang zur Unabhängigkeit. Man darf es aber nicht zu weit treiben, denn sonst kippt das Image und die gewisse Bewunderung für unser Unabhängigkeitsverständnis schlägt um in Unverständnis. Wir müssen zeigen, dass wir mit demokratischen Entscheiden umgehen können, auch wenn sie uns vor Herausforderungen stellen. Es braucht viel, um ein gutes Image aufzubauen, aber nur wenige fragwürdige Aktionen, um es zu beschädigen.

«Der Start ins neue Jahr war nicht einfach»

Eine dieser Abstimmungen ist jene zur Zweitwohnungsinitiative. Nun wurde ein Kompromiss ausgehandelt. Wie stehen Sie dazu?
Speziell erscheint mir, dass die Direktbetroffenen, also die Menschen in den Berggebieten, nicht in die Ausarbeitung des Kompromisses einbezogen wurden. Das erzeugt dann ein Gefühl, dass über unseren Kopf hinweg entschieden wird.

Was stört Sie inhaltlich besonders am getroffenen Kompromiss?
Ein grosses Problem ist sicher, dass der Kompromiss schlechter ist als der Vorschlag des Bundesrates. Die Möglichkeit, Zweitwohnungen über eine Internet-Plattform zu vermieten und sie dadurch aus dem Kontingent von 20 Prozent zu lösen, existiert nicht mehr, dies obwohl die Initianten diese Möglichkeit bei der Abstimmung vorgesehen hatten. Das stört mich.

Andererseits wurde ein Referendum abgewendet. Ein kleiner Lichtblick?
Sicher ist es positiv, dass das Referendum abge­wendet­ wurde. Allerdings stellt sich die Frage: «Wie hoch ist der Preis?» Man muss jetzt sehr genau hinschauen, was der ausgearbeitete Vorschlag für Konsequenzen­ hat. Dass die vermieteten Zweitwohnungen­ komplett gestrichen wurden, ist ein grosser Rückschlag. Auch, dass die Umnutzung von leer stehenden Stadeln­ zum Erhalt der Dorfkerne­ deutlich erschwert wurde, ist sicherlich für viele Dörfer problematisch. Wie gesagt, der Kompromiss ist schlechter als der Vorschlag des Bundesrates. So gesehen hätte man es vielleicht auch auf ein Referendum ankommen­ lassen können.

Neben den Zweitwohnungen treibt Sie auch die Aufwertung des Frankens um. Wie war Ihre Reaktion auf den Entscheid der Nationalbank, den Euro-Mindestkurs fallen zu lassen?
Meine erste Reaktion war: «Auch das noch!» Der Walliser Tourismus befindet sich mitten in einem Strukturwandel, vor allem der Wintertourismus kämpft mit grossen Herausforderungen. Die Ersteintritte in Skigebiete nehmen ab, die Konkurrenz ist sehr gross. Dann kommt zusätzlich ein solcher Entscheid, der unsere Position im internationalen Wettbewerb auf einen Schlag schwächt. Ferien im Wallis wurden für die Gäste aus dem nahen Ausland auf einen Schlag um 20 Prozent teurer. Frustrierend dabei ist die Ohnmacht, die man bei solchen Entscheiden empfindet, da man kaum was dagegen tun kann. Die Konsequenzen aber müssen wir trotzdem tragen. Ich habe grossen Respekt vor den Leuten an der touristischen Front, die sich dieser Herausforderung stellen. Erst recht, wenn der Druck auf die Preise auch noch aus dem Inland kommt.

Wie meinen Sie das?
Nach dem Euro-Entscheid haben wir Befragungen bei den touristischen Akteuren durchgeführt. Natürlich haben Gäste aus dem Euro-Raum nach Preisreduktio­nen gefragt. Es schmerzt aber zu hören, dass vor allem Schweizer Verbilligungen wollten. Da frage ich mich schon, wo die Grundsolidarität bleibt?

Was muss der Walliser Tourismus nun tun, um diese ­Krise zu meistern?
Für mich liegt die Lösung in Kooperationen, seien dies nun Kooperationen im Bereich der Hotels, der Destinationen oder Ähnlichem. Der klassische Verkehrsverein hat für mich ausgedient, ist überholt. Wir müssen im Tourismus integriert denken, die Zusammenarbeit suchen, und die Akteure müssen gemeinsame Projekte angehen und auch finanzieren. Wir können sie darin unterstützen.

«Dum Härpfel gehnt d’Öige erscht üf, wener im Dräck liegt»

Kann die Krise auch eine Chance darstellen, da die ­Akteure gezwungen sind zusammenzuarbeiten?
Sicher, auch wenn es schmerzt. Denn es ist schon so: «Dum Härpfel gehnt d’Öige erscht üf, wener im Dräck liegt.» So gesehen ist die Krise sicher eine Chance, da das wirtschaftliche Umfeld zur Zusammenarbeit gezwungen wird. Wünschenswert wäre aber, wenn der Wille zur Zusammenarbeit von sich aus reifen würde. Das wäre die noblere Variante, aber auch die, welche am meisten Einsatz und Zeit braucht und am schwierigsten anzugehen ist.

Werden denn alle Destinationen den Strukturwandel überleben können?
Man muss die Destinationen unterscheiden. Wir haben grosse Player, die im internationalen Wettbewerb stehen und dort erfolgreich sind. Um die mache ich mir keine grossen Sorgen. Dann haben wir kleine Destinationen, die auf Nischenangebote setzen. Auch hier sehe ich Aussichten auf Erfolg. Sorgen machen mir dagegen die mittleren Destinatio­nen. Diese sind zu gross, um nur auf Nischen zu setzen, aber zu klein, um international tätig zu sein. Die Positionierung ist aber heute das A und O, wenn man Erfolg haben will. Das wird die grosse Herausforderung für die mittelgrossen sein, eine geeignete Positionierung zu finden, schaffen sie dies nicht, wird es für sie sehr schwer.

Was heisst Positionierung?
Es bedeutet vor allem das Anpeilen von Einzigartigkeit und Differenzierung. Ich erlebe aber immer wieder, dass diese Einzigartigkeit sabotiert wird. Da hat eine Destination eine Idee, zum Beispiel einen Seilpark. Kurz darauf baut die Nachbargemeinde ebenfalls einen solchen Park. Das kann es nicht sein. Die Destinationen müssen zusammenarbeiten und ihr Angebot aufeinander abstimmen. Nur so ist eine Positionierung am Markt möglich und das langfristige Überleben zu sichern.

In der laufenden Legislatur stehen wir ziemlich in der Mitte. Was sind Ihre Ziele für die noch kommenden zwei Jahre?
Es gibt zwei Dinge, die ich in den kommenden Monaten intensiv angehen werde. Da wäre einerseits die Regelung der Heimfälle von Kraftwerken. Dies ist für das Wallis ein sehr wichtiger Punkt. In dieser Angelegenheit wurden schon einige Anstrengungen unternommen, wir sind aber noch nicht am Ziel. Dann wird ein grosses Thema die neue Raumplanung sein. Auch hier wurde schon viel unternommen, aber es bleibt noch viel zu tun. Entscheidend ist dabei, dass man die Reformvorhaben Schritt für Schritt angeht und umsetzt.

«Die Holzhammermethode ist nicht zielführend»

Warum nicht in einem Wurf?
Aus der Ablehnung des Tourismusgesetzes 2009 habe­ ich etwas Wichtiges gelernt: Es bringt nichts, den grossen­ Wurf zu wollen, wenn dafür kaum eine­ Mehrheit zu finden ist. Politik bedeutet für mich, die notwendigen Veränderungen an die Hand zu nehmen­ und dann dafür Mehrheiten zu zimmern. Man kann zwar versuchen, dies in einem grossen Schritt zu erreichen. Wenn man damit aber scheitert, so besteht zwar weiterhin die Notwendigkeit für eine Veränderung, man hat allerdings nichts erreicht. Besser ist es dagegen, den Weg zur Veränderung aufzuteilen, in kleineren Schritten voranzugehen. Das geht zwar auf Kosten der Geschwindigkeit, man erreicht sein Ziel aber eher. Umso wichtiger wird dies, wenn es um grosse, strittige Reformvorhaben wie Heimfälle oder Raumplanung geht. Die Holzhammermethode ist bei solchen Dingen nicht zielführend, das musste ich schmerzlich lernen. Nicht nur, dass ein Scheitern den Kanton nicht weiterbringt. Es wird auch viel Arbeit und Zeit verschwendet.

Martin Meul

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Infos

Zur Person

Vorname Michel
Name Cina
Geburtsdatum 2. Juli 1962
Familie verheiratet, zwei Söhne
Funktion Staatsrat
Hobbies Kino, Lesen, Ski fahren, Fussball

Nachgehakt

Ich werde für eine weitere Amtszeit als Staatsrat kandidieren. Joker
Die 200-Jahr-Feierlichkeiten werden das Image des Wallis verbessern. Ja
Die CVP wird die Nationalratswahlen im Wallis dominieren. Ja
Der Joker darf nur einmal gezogen werden.  

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