Frontal | Georges Schnydrig, Gemeindepräsident Lalden
«Eine Fusion ist für uns im Moment kein Thema»
Er ist ein Urgestein in der Politik und seit bald 16 Jahren als Gemeindepräsident tätig. Georges Schnydrig (57) blickt auf sein politisches Schaffen zurück, nimmt Stellung zum Fusionsgedanken der Nachbargemeinden und sagt: «Der Herdenschutz wird das Wolfsproblem nie lösen.»
Georges Schnydrig, Sie sind seit 23 Jahren in der Exekutive tätig, davon 15 Jahre lang als Gemeindepräsident. Zudem waren Sie zehn Jahre im Grossen Rat. Nächstes Jahr wollen Sie kürzertreten. Was bleibt von Ihrer politischen Arbeit?
In erster Linie eine grosse persönliche Bereicherung. Ich habe in den vergangenen Jahren mit vielen Leuten zusammengearbeitet und hatte dadurch auch die Möglichkeit, Einsicht und Einfluss in verschiedene Dossiers und Projekte zu nehmen. Dabei habe ich mit vielen interessanten Menschen zusammengearbeitet, die ich sonst wahrscheinlich nie kennengelernt hätte.
Läuft alles nach Plan, wird das neue Dorfkernprojekt in Lalden mit Gemeindehaus, Wohnungen und Bistro noch in Ihrer Amtszeit fertiggestellt. Sind die Bauarbeiten im Zeitplan?
Der Zeitplan stimmt. Bis Ende Jahr sollten wir die Räumlichkeiten beziehen können. Im Ritterhaus werden die neuen Gemeindelokalitäten angesiedelt, während im ehemaligen Erpenhaus ein Bistro entsteht. Dazu werden drei Wohnungen gebaut. Eine davon könnte an die Burgerschaft gehen, während zwei Wohnungen an Privatpersonen verkauft werden. Schliesslich gehört noch die Gestaltung des neuen Dorfplatzes zum Projekt.
Warum hat man dieses Millionenprojekt initiiert? Wollten Sie sich noch ein Denkmal setzen?
Überhaupt nicht (lacht). Das Projekt wurde nicht erst gestern lanciert, sondern schon vor zehn Jahren. Weil viele Gebäude im Dorfzentrum leer gestanden sind, haben wir uns überlegt, was wir machen könnten, um das Zentrum wiederzubeleben. Die Bestandesaufnahme aller Gebäude im alten Dorfkern und der später erstellte Masterplan hat die Diskussion um die Wiederbelebung des alten Dorfkerns angekurbelt. In der Zwischenzeit wurden mehrere Wohnhäuser saniert und verschiedene Familien sind hier ansässig. Im Jahr 2014 hat die Gemeinde im Dorfzentrum einen Wettbewerb lanciert. Die Zustimmung der Urversammlung, die Sicherstellung der Finanzierung und die Detailplanung waren bis jetzt die Kernelemente des Dorfkernprojekts. Heute, knapp zehn Jahre nach dem Beginn der Bestandesaufnahme, ist die Umsetzung des Dorfkernprojekts angelaufen.
Während Ihre Nachbargemeinden Visp, Baltschieder und Eggerberg laut über eine Fusion nachdenken, baut man in Lalden ein neues Gemeindehaus. Wäre es nicht nahe liegender, bei diesem Fusionsprojekt mitzumachen?
Nein, das ist für uns im Moment kein Thema. Wir sind in der Agglomeration Brig/Visp/Naters gut eingebettet und aufgehoben. Sei es was die Siedlungs- und Verkehrspolitik angeht, den bevorstehenden Abschluss eines regionalen Trinkwasserverbunds oder die verschiedenen Koordinationsaufgaben der Raumplanung. Die Agglomerationspolitik ist aus meiner Überzeugung ein sehr gutes Instrument. Wenn man schon über eine Fusion nachdenkt, dann müsste man die ganze Agglomeration Brig, Visp und Naters zusammenlegen. Aber das bleibt vorderhand ein Wunschdenken. Bei der Übernahme von kleineren Gemeinden geht es aus meiner Sicht für die Grossgemeinden in erster Linie darum, in ihrer Region eine gewisse Stärke gegen aussen zu demonstrieren.
Trotzdem – für kleinere Gemeinden wird es immer schwieriger, die administrativen Aufgaben im Alleingang zu bewältigen. Stemmt man sich hier nicht gegen ein Szenario, das früher oder später sowieso eintreffen wird?
Nochmals: Die Zusammenarbeit in gewissen Bereichen macht durchaus Sinn. Aber das Kleinstrukturierte hat auch seine Vorteile. Dies würde beispielsweise im Sozialwesen das Fass weniger zum Überlaufen bringen. Haben früher die Gemeinden diese Aufgaben wahrgenommen, werden heute diese Aufgaben von den sozialmedizinischen Zentren und der Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde Kesb übernommen. Ein bürokratischer Apparat ist dabei garantiert. Die Gemeinden haben in diesen Bereichen relativ wenig Einfluss, das Interesse nimmt ab. Entsprechend läuft das Dossier neben den Gemeinden vorbei und die eigentliche Aufgabe, den wirklich Schwachen zu helfen und Auswüchse vor Ort an der Wurzel zu packen, verwässert mehr und mehr. Das finde ich eine gefährliche Entwicklung. Man ist nur noch in einem grossen Verbund und die Diskussion wird vornehmlich um die Aufteilung der Kosten unter den Gemeinden und weniger um die Kernaufgaben der Sozialhilfe geführt.
Trotzdem wird es immer schwieriger, junge Leute für ein politisches Amt zu begeistern. Da macht Lalden wohl keine Ausnahme…
Wir haben in Lalden sehr viele gut funktionierende Vereine. Hier übernehmen viele junge Vorstandsmitglieder die Verantwortung, stehen in engem Kontakt zur Gemeinde und lernen die einzelnen Vorgänge kennen. Darum bin ich der Meinung, dass man Leute aus dem Vereinskonstrukt auch für die politische Arbeit begeistern kann.
Viele der gewählten Gemeinderäte stellen sich nach vier Jahren nicht mehr zur Wiederwahl…
…was ich sehr schade finde. Wenn man in einer Gemeinde etwas bewegen will, dann braucht es Zeit. Allein aufgrund der Rahmenbedingungen, die viele Projekte mit sich bringen. Als Gemeinderat in einer kleinen Gemeinde ist man ja auch fassbar, das heisst, hinter jedem Entscheid steht ein Kopf. Wir können uns nicht hinter zig Kommissionen verstecken. Darum braucht es Ausdauer und auch eine gewisse Hartnäckigkeit, um etwas zu bewegen.
Ein wichtiges Thema für Lalden ist die 3. Rhonekorrektion. Sie haben sich in der Vergangenheit mehrmals dahingehend geäussert, dass Lalden und die Region einen Naherholungsraum möchte. Was hat sich diesbezüglich getan?
Man muss differenzieren. Die eigentlichen Arbeiten der 3. Rhonekorrektion im Raum Lalden sind abgeschlossen. Allerdings wurde der Naherholungsgürtel noch nicht umgesetzt. Hier hat der Kanton inzwischen einen interkantonalen Wettbewerb lanciert, um Vorschläge einzuholen. Dadurch verzögern sich die Arbeiten. Ich werde es in meiner Amtszeit wohl kaum mehr erleben, dass diese Bauarbeiten im Bereich der Naherholung abgeschlossen werden. Demgegenüber haben wir im Zuge der 3. Rhonekorrektion eine klare Trennung zwischen Strassenverkehr und Naherholungsgebiet geschaffen. Darum wurde die Entlastungsstrasse am Dammfuss gebaut, was zur Folge hatte, dass landwirtschaftlicher Boden geopfert werden musste. Dabei gab es auch einige kritische Stimmen. Rückblickend war es aber ein richtiger Entscheid. Beim Los Brigerbad warten wir seit drei Jahren auf die Plangenehmigung.
Sie sind nicht nur Gemeindepräsident, sondern auch Schwarznasenschafzüchter und Präsident der Vereine Lebensraum Wallis und Schweiz ohne Grossraubtiere. Ist die Wahrnehmung falsch oder kommt man in Sachen Wolf nicht vom Fleck?
Seit wir uns als Verein gesamtschweizerisch organisiert haben, ist unsere Akzeptanz kontinuierlich gestiegen. Das hat auch Auswirkungen auf die Debatten im Stände- und Nationalrat. Auch die ganzen landwirtschaftlichen Organisationen werden laufend über unser Vorgehen informiert. In der Natur sind die Auswirkungen noch kaum spürbar. Momentan sind wir noch zu viel mit Nebenschauplätzen wie dem unsäglichen Herdenschutz beschäftigt. In der Angelegenheit an sich sind dies nur kosmetische Eingriffe, die das Wolfsproblem nie lösen werden.
Warum?
Die Erfahrung zeigt, dass ein Grossraubtier viel schlauer als der Mensch ist und sich weder von Zäunen noch von Hunden aufhalten lässt. Das wird nie funktionieren. Der Herdenschutz bedeutet für die Landwirtschaft einen grossen Mehraufwand. Auch der finanzielle Aspekt steht in keinem Verhältnis. Es gilt zu erwähnen, dass mittlerweile jeder Wolf in der Schweiz pro Jahr die Allgemeinheit und die Betroffenen 250 000 Franken kostet. Wir fordern und müssen auf politischer Ebene klare Gesetze schaffen, wie wir in Zukunft mit dem Wolf umgehen wollen. Dem Nationalrat bietet sich am 8. Mai mit der Behandlung der Revision des Jagdgesetzes die grosse Chance, Nägel mit Köpfen zu machen.
Würde eine Abstimmung über den Schutzstatus des Wolfs Klarheit schaffen?
Es ist kaum vorhersehbar, wie eine Abstimmung ausfallen würde. In den Städten hat man diesbezüglich eine ganz andere Wahrnehmung als in den Bergregionen. Aber dadurch würde wenigstens eine gesamtschweizerische Diskussion entstehen. Für den Verein Lebensraum Wallis und den Verein Schweiz ohne Grossraubtiere bietet sich jetzt im Nationalrat unter anderem die Möglichkeit, den Kantonen diesbezüglich mehr Kompetenzen zu übertragen. Die Kantone müssen verpflichtet werden, im Bereich der Sicherheit auch beim Thema Grossraubtiere ihre vorgegebene Verantwortung und Aufgaben wahrzunehmen. Wenn ich heute die Berichterstattung der Medien anschaue, habe ich vermehrt das Gefühl, dass der Wolf glorifiziert wird. Das ist meiner Meinung nach ein völlig falscher Ansatz.
Just in dieser aufgeheizten Stimmung will der Bund mit der Agrarpolitik 22+ die Landwirtschaft fitter machen und die Nebenerwerbslandwirte auf die Schulbank schicken. Wie stehen Sie dazu?
Viele Nebenerwerbsbauern haben die Landwirtschaft von ihrem Vater oder Grossvater übernommen. Die momentane Gesetzgebung, wonach neu einsteigende Bauern einen Grundkurs besuchen müssen, finde ich gut. Allerdings steht die Kleinlandwirtschaft schon heute vor strukturellen Problemen und eine weitere Verschärfung der Ausbildung ist aus meiner Sicht total unverhältnismässig. Dadurch werden noch mehr Nebenerwerbsbetriebe eingehen. Die Folge: Die Vergandung wird zunehmen und das Gefahrenpotenzial für die Berg- und Randregionen steigt. Wenn dies der Wunsch der Schweizer Bevölkerung ist, sehe ich die erwähnten Regionen auf unüberwindbare neue Probleme zusteuern.
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