Interview | Renzo Cicillini, Standortleiter Lonza Visp
«Ein Verkauf des LSI-Segments ist eine Option von mehreren»
Renzo Cicillini amtet seit rund sieben Monaten als Standortleiter des Lonzawerks Visp. Im Interview spricht er über die Aufteilung des Werks, den Umgang mit den Altlasten und warum im Werk Visp Geschichte geschrieben wird.
Renzo Cicillini, vor ein paar Monaten gab Lonza bekannt, dass man den Bereich der Spezialitätenchemie (Lonza Specialty Ingredients – LSI) ausgliedern und somit auch neu organisieren werde. Wie steht es um diesen Prozess, der ja auch Auswirkungen auf das Werk in Visp hat?
Ziel ist es, den Bereich der Spezialitätenchemie neu zu positionieren. Von Anfang an war klar, dass ein solches Vorhaben nur mit der nötigen Konsequenz möglich ist. Das heisst, dass wir inzwischen eine eigene Organisationsstruktur für den LSI-Bereich aufgebaut haben. Ab dem 1. 1. 2020 werden wir daher am Standort Visp mit zwei getrennten Organisationen arbeiten, unter dem Mantel von Lonza Visp.
Es gibt dann also zwei Standortleitungen.
Genau. Den LSI-Teil wird dann Hans-Peter Eyer als Standortleiter LSI zusammen mit seinem Team leiten. Ich selbst bin weiterhin als Standortleiter in Visp als übergeordneter Ansprechpartner tätig. Doch der Bereich LSI wird in grossem Masse autonom arbeiten.
Solche Aufteilungen bei Firmen gelten oftmals als Vorbereitungshandlungen für einen Verkauf des Segments. Plant Lonza, den Bereich LSI abzustossen?
Die Ausgliederung der Spezialitätenchemie heisst nicht zwangsläufig, dass Lonza diesen Geschäftsbereich verkaufen will. In der jetzigen Phase geht es darum, den Geschäftsbereich neu zu positionieren und zu schauen, wo wir stehen. Das wird die Entscheidungsgrundlage dafür sein, wie es mit dem LSI-Bereich weitergeht.
Ein Verkauf ist aber durchaus ebenfalls möglich.
Wie der Bereich der Spezialitätenchemie langfristig weiterentwickelt wird, kann man zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Stand heute ist der LSI-Bereich ein Teil von Lonza. Ein Verkauf des Segments ist eine Option von mehreren.
Bei der Ankündigung, dass die Spezialitätenchemie abgespalten werde, hiess es auch,
Lonza werde Stellen abbauen. Wie sieht es damit aus?
Dieser Prozess ist bereits abgeschlossen. Wir haben auch in Visp ein paar Stellen abgebaut. Allerdings konnten wir dies sehr gut abfedern, da über das ganze Werk hinweg gesehen derzeit viele Stellen entstehen.
In den letzten Jahren wurden im Werk Visp Hunderte Millionen Franken investiert. Geht es im gleichen Stil weiter, oder backen Sie nun etwas kleinere Brötchen?
Nein, das Investitionsniveau bleibt hoch. In der laufenden 3-Jahres-Planung sind Investitionen von rund einer Milliarde Franken vorgesehen. Der neue Biotechnologie-Komplex «Ibex Solutions» ist ja noch im Bau, entsprechend wird darin investiert. Im Bereich Pharma investieren wir z. B. in die Produktion von Antikörper-Wirkstoffen und es stehen Investitionen in die allgemeine Infrastruktur an, zum Beispiel in Umweltprojekte oder die Planung einer neuen modernen Abfallverbrennungsanlage. Die derzeitige Phase ist die stärkste Investitionsphase in der 122-jährigen Geschichte von Lonza.
Stichwort Ibex, wie steht es um die Arbeiten? Sind Sie auf Kurs?
Wir schauen natürlich stark darauf, dass wir unsere Zeitpläne einhalten können. Entsprechend werden wir den ersten Teil des einen Komplexes, jenen, welchen wir zusammen mit unseren französischen Partnern von Sanofi realisieren, im Herbst 2020 in Betrieb nehmen können. Und auch im zweiten Gebäude, wo wir Lösungen für Produkt-Frühphasen anbieten, ist der Produktionsstart im nächsten Jahr.
Der Bau ist das eine, die Produktion das andere. Wie ist es um die prognostizierte Auslastung der Anlagen bestellt?
Wir konnten bereits erste Verträge abschliessen und sind mit einigen vielversprechenden Partnern im Gespräch. Mit dem neuen modularen Biotech-Produktionskonzept liegen wir vollkommen im globalen Megatrend. Wir sind überzeugt, dass wir mit Ibex eine innovative und rentable Anlage in Betrieb nehmen werden.
Für die neuen Anlagen benötigen Sie einiges an qualifiziertem Personal. Schon seit Längerem laufen die entsprechenden Rekrutierungskampagnen. Finden Sie die Leute, die Sie brauchen?
In diesem Bereich stehen wir vor mehreren Herausforderungen. Einerseits müssen wir die altersbedingten Abgänge von Hunderten Mitarbeitenden in den kommenden Jahren kompensieren. Dazu kommen die natürlichen Fluktuationen und der angesprochene Personalausbau aufgrund von Ibex. Daher haben wir in diesem Jahr über 1000 Personen rekrutiert, rund 500 Festangestellte und ähnlich viele mit einem temporären Vertrag. Netto haben wir 2019 300 feste Stellen geschaffen. Um unseren Personalbedarf decken zu können, müssen wir lokal, national, aber auch weltweit rekrutieren. Entsprechend ist unsere Personalabteilung gefordert, doch bislang ist sie sehr erfolgreich darin, neues Personal für eine Arbeit am Standort Visp zu begeistern.
Wie sieht es mit den Lehrstellen aus? Diese werden ja vornehmlich mit jungen Leuten aus der Region besetzt. Finden Sie hier genug Leute, die bei Lonza eine Ausbildung machen wollen?
Wie viele andere Firmen auch müssen wir uns darum bemühen, dass genügend junge Menschen bei uns eine Ausbildung machen möchten. Daher betreiben wir ein intensives Lehrlingsmarketing, zumal wir dabei sind, die Zahl der Lehrstellen auszubauen. Bis vor Kurzem haben noch 160 junge Leute bei Lonza eine Ausbildung gemacht, aktuell sind es 214. In den nächsten Jahren sollen es 250 sein. Wir sprechen die Jugend gezielt dort an, wo sie sich aufhält, sprich in den Schulen und auf den sozialen Medien. Als attraktiver Arbeitgeber können wir so auch unseren Bedarf an Auszubildenden decken. Aber es braucht Anstrengungen. Zum Beispiel versuchen wir schon Primarschülerinnen und Primarschüler für eine Laufbahn im naturwissenschaftlichen Bereich zu begeistern.
Vom Jungen zum Alten. Derzeit liest und hört man wieder viel von Lonzas Altlasten, wie Quecksilber oder der Deponie in Gamsenried, wo hochgiftiges Material in den Boden sickert. Was unternehmen Sie, um diese Thematik endlich zu beenden, sprich mit den Altlasten aufzuräumen?
Man kann nur in die Zukunft gehen, wenn man sich auch mit der Vergangenheit auseinandersetzt. Allerdings befassen sich derzeit einige Gruppierungen, meiner Meinung nach, zu viel mit jahrzehntealten Details dieser Vergangenheit. Ich richte meinen Fokus lieber auf die Lösung des Problems. Im Falle der Quecksilberbelastungen haben wir inzwischen 60 Prozent der Parzellen in den Siedlungsgebieten saniert. Der Rest soll bis 2021 folgen. Parallel dazu laufen die ersten Untersuchungen in den Landwirtschaftszonen. Wir wollen vorwärtsmachen. Gleiches gilt für die Deponie. Derzeit laufen unter Hochdruck die Detailuntersuchungen, damit wir der Dienststelle für Umweltschutz schnellstmöglich ein Sanierungskonzept präsentieren können. Die Sanierung der Deponie in Gamsen soll 2022 beginnen, sofern wir nicht von einigen Akteuren blockiert werden.
Sie sind nun seit rund sieben Monaten der Standortleiter des Werks Visp. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?
Es war und ist eine sehr intensive und spannende Zeit. Am Standort Visp wird im Moment Geschichte geschrieben. Was wir hier tun, hat nicht nur Auswirkungen auf Visp, das Wallis oder die Schweiz, sondern auf die ganze Welt. Es freut mich, dass wir Teil dieser Entwicklung sein dürfen.
Inwiefern beeinflusst das Werk Visp den Lauf der Welt?
Hier bei uns wird Hochtechnologie angewendet. Wir produzieren modernste Medikamente und Wirkstoffe für die Heilung von Krankheiten. Nicht nur mit unseren modernen Bio-Anlagen, sondern wir richten unseren Blick schon weiter in die Zukunft. So hilft Lonza Unternehmen, Produkte für neue Therapien zu entwickeln, etwa von dem man sicher ist, dass es in Zukunft die Behandlung von Krankheiten, die heute als unheilbar gelten, revolutionieren wird.
Was soll man eines Tages über Ihre Zeit als Standortleiter des Werks Visp sagen?
Das ist mir persönlich nicht so wichtig. Bei Lonza haben wir die Tugend, uns selbst nicht zu stark in den Vordergrund zu stellen. Daher ist es «unser» Ziel, dass wir eines Tages ein wirtschaftlich gesundes Unternehmen, welches als Motor für die ganze Region fungiert, hinterlassen.
Martin Meul
Artikel
Kommentare
Noch kein Kommentar