Frontal | Daniel Luggen, Kurdirektor Zermatt
«Ein gutes Verkehrskonzept braucht Zeit und Investitionen»
Das Verkehrschaos auf den Strassen innerorts von Zermatt über die Feiertage gab zu reden. Kurdirektor Daniel Luggen (48) über die Ist-Situation, die Schaffung einer Begegnungszone und griffige Klimaschutzmassnahmen.
Daniel Luggen, die Feiertage gehören der Vergangenheit an. Waren Sie zufrieden mit dem Gästeansturm?
Die Weihnachtsfeiertage waren für uns ein voller Erfolg. Wir hatten viele Gäste und dazu war das Wetter sehr gut. Davon konnten wir natürlich auch profitieren. Alles in allem sind wir sehr zufrieden mit der Auslastung über die Weihnachtsfeiertage.
Waren auch Prominente im Matterhorndorf?
Das kann gut sein. Ein grosses Plus unserer Destination ist natürlich, dass wir unseren prominenten Gästen eine 100-prozentige Diskretion zusichern. Darum weiss ich auch nicht, ob und wie viele Prominente in Zermatt gefeiert haben. Aber es dürften wohl einige gewesen sein.
Während der Feiertage waren vor allem viele asiatische Touristen zugegen, die sonst eher in den Sommermonaten im Matterhorndorf anzutreffen sind. Wie das?
Es waren nicht vorwiegend asiatische Touristen da, der grösste Teil der Gäste stammt noch immer aus der Schweiz und dem anliegenden Europa. Aber wir stellen seit ein paar Jahren fest, dass asiatische Gäste unseren Winter entdecken und anscheinend schätzen.
Setzen die Tourismusverantwortlichen von Zermatt mehr auf den asiatischen Raum?
Es ist das Gegenteil der Fall: Der Hauptteil unserer Marketingmittel fliesst in die Schweiz und ins restliche Europa. Wir streben grundsätzlich eine möglichst breite Diversifizierung bei der Herkunft unserer Gäste an. Bis heute ist uns das gut gelungen: Über 40 % unserer Gäste sind Schweizer, rund 30 % kommen aus dem restlichen Europa und die übrigen rund 30 % teilen sich auf Amerika und Asien auf.
Das Fliegen und das Autofahren sollen teurer werden. So soll auch in der Schweiz eine Flugticketabgabe eingeführt werden. Begrüssen Sie das?
Das ist durchaus ein Ansatz. Ich bezweifle zwar, ob eine solche Abgabe zu deutlich weniger Flügen führen würde.
In der Folge würde aber auch die Destination Zermatt darunter leiden, weil ja auch viele Gäste aus Übersee und dem asiatischen Raum in Zermatt ihre Ferien verbringen…
Vielleicht würden wir tatsächlich einige Gäste aus diesen Destinationen verlieren. Aber andererseits würden dadurch noch mehr aus der Schweiz und anderen europäischen Ländern zu uns kommen, die heute mit dem Flieger verreisen.
Sie sagen, der Schweizer Markt sei der wichtigste für Zermatt. Was tun Sie, um sich gegen die Konkurrenz aus dem Inland zu behaupten?
Wir investieren ins Produkt. Dahinter stehen die Zermatter Leistungspartner, welche laufend die Qualität verbessern und innovativ sind. Schauen Sie sich zum Beispiel unsere Gastronomie an: Nirgends gibt es eine so grosse Vielfalt auf so kleinem Raum. Auch die Hotellerie, geprägt von einheimischen Familienbetrieben, hält locker mit den besten internationalen Reisezielen mit. Und dass unsere Bahnen Hunderte Millionen investieren, um dem Gast Komfort zu bieten, ist längst bekannt.
Sie sprechen es an: Zermatt rühmt sich nicht nur der herrlichen Bergwelt, sondern ist auch autofrei. Aber gerade das Nebeneinander von Elektrotaxis und Fussgängern sorgt mitunter für Ärger. Der Vorwurf: Die Taxifahrer würden rücksichtslos durch die Strassen bolzen. Wie gehen Sie mit diesem Dilemma um?
Es ist in der Tat nicht ganz einfach, hier eine gute Lösung zu finden, denn Zermatt ist organisch gewachsen und der Platz für den Verkehr ist beschränkt. Einerseits sind gerade während der Feiertage oder Sportferien sehr viele Fussgänger bei uns unterwegs. Andererseits müssen die Chauffeure ihrer ordentlichen Arbeit nachkommen und dafür sorgen, dass die Personen- und Warentransporte zügig vorangehen. Dabei kommt es vor, dass sich Taxis und Fussgänger in die Quere kommen. Der Herausforderung sind wir uns bewusst.
Die Gemeinde plant für 2021 eine Begegnungszone mit Tempo 20. Wird das Problem damit gelöst?
Es ist zumindest ein Ansatz, welcher zu Diskussionen führt. Und das ist wiederum gut für die Sensibilisierung; schliesslich leben wir hier alle vom Tourismus. Man muss sich jedoch nichts vormachen; ein gutes Verkehrskonzept braucht Zeit und grosse Investitionen und wird wohl auch noch die nachfolgenden Generationen beschäftigen.
Sie wollen nach eigenen Aussagen das Tempo der Taxis sogar auf 15 km/h drosseln…
Ich habe kürzlich in einem Selbstversuch die Geschwindigkeitswahrnehmung in Zermatt getestet. Zuerst bin ich mit einem Taxi mit 20 resp. 15 km/h mitgefahren. Dann habe ich mich an den Strassenrand gestellt und die Taxis mit besagten Tempi vorbeifahren lassen. Die Wahrnehmung ist dabei jeweils eine ganz andere: Wenn man im Taxi sitzt und mit 15 km/h fährt, dann steht man praktisch still. Wenn man aber als Fussgänger ein Taxi mit 20 km/h vorbeifahren sieht, hat man das Gefühl, als ob der Chauffeur viel zu schnell unterwegs sei. Als Vertreter unserer Gäste bevorzuge ich klar ein langsameres Tempo.
Nachhaltigkeit und Klimawandel sind zurzeit in aller Munde. Sie haben sich auch schon dahingehend geäussert, der Klimawandel sei kaum irgendwo so deutlich ersichtlich wie in Zermatt. Wie gehen Sie dagegen an?
In Zermatt wird schon heute sehr viel gemacht, um unseren Fussabdruck so klein wie möglich zu halten. Dabei konzentrieren wir uns auf die Dinge, welche wir selbst beeinflussen können. Dazu gehört selbstverständlich die Tatsache, dass wir ein autofreier Kurort sind. Zudem fördern wir nachhaltiges Bauen.
Sie sprechen von Nachhaltigkeit, werben aber mit «dem schnellsten Taxi der Welt», indem die Gäste direkt auf den Gletscher geflogen werden. Ist das kein Widerspruch?
Doch. Aber der Wettbewerb ist hart und die Leute wollen ein breites Angebot. Man muss in diesem Zusammenhang aber betonen, dass dieses Angebot nur von einem sehr kleinen Teil der Gäste in Anspruch genommen wird. Das Heliskiing ist nur eine von vielen Möglichkeiten, um in Zermatt seine Ferien zu verbringen. Insofern darf man dieses Angebot nicht überbewerten.
Neben einer Flugticketabgabe steht auch eine Co2-Abgabe im Raum. Wäre es für Ihre Destination ein Problem, wenn Helis oder Pistenbullys mit einer Treibstoff-Abgabe belegt würden?
Nein. Aber anstelle von Klimaabgaben bevorzugen wir die Investition in eigene Projekte, wie zum Beispiel die Fotovoltaik-Anlagen der Bergbahnen.
Zurück zur positiven Entwicklung der Logiernächte: Kommt man mit den Gästezahlen langsam an die Grenzen?
Auch wenn wir während Weihnachten/Neujahr oder den Sportferien eine sehr hohe Auslastung erzielen, haben wir selbstverständlich noch freie Kapazitäten. Unser Fokus liegt klar darauf, Zermatt – Matterhorn zu einer Ganzjahresdestination auszubauen. Gerade der Wander- und Biketourismus hat noch sehr viel Potenzial.
Auch wenn die Landschaft dabei tangiert wird…
Wir sind überzeugt, dass Menschen, welche die Natur kennen und erleben, Wert darauf legen, diese zu erhalten. Deshalb sehen wir es als unsere Aufgabe, ein Freizeitangebot in einem begrenzten Bereich der Natur für die Gäste zu schaffen. Ein grosser Teil des Gemeindegebietes von Zermatt steht schon heute unter Naturschutz.
Wie geht Zermatt mit dem Konflikt zwischen Bikern und Wanderern um?
Für uns als Destination ist es wichtig, ein gutes Nebeneinander zwischen Wanderern und Bikern zu erreichen. Dafür braucht es eine Lenkung der beiden Freizeitgruppen und den Ausbau von einzelnen Abschnitten. Dazu gehören Bikestrecken, die als solche definiert werden, und Wanderwege, auf denen die Biker nichts verloren haben. Mit gegenseitigem Respekt und Goodwill sollte das umsetzbar sein.
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