Leuk-Stadt | Frontalinterview

«Die teuren Walliser Weine sind immer zuerst ausverkauft»

Stéphane Kellenberger.
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Der Berner Stéphane Kellenberger (39) ist Inhaber der ältesten Kellerei von Leuk und Präsident der Vitival. Er spricht über die Qualität der Walliser Weine, warum Walliser Rebberge weniger grün sind und warum Winzer Sexualhormone einsetzen.

Was stehen in den Walliser Rebbergen gegenwärtig für Arbeiten an?
Wir machen so etwas wie einen letzten Rundgang durch die Reben. Vogelschutznetze werden gespannt, falls nötig die Bodenbegrünung nochmals geschnitten.

Kann man schon Prognosen wagen, wie die Ernte dieses Jahr sein wird?
Es gibt eine späte Ernte, wir rechnen mit den ersten Einkellerungen in der letzten Septemberwoche. Darum muss man vor allem bei spätreifen Sorten wie Humagne oder Syrah den Behang so regulieren, dass alle Trauben wirklich gut ausreifen, dann stimmt auch die Qualität. Persönlich finde ich spätere Erntezeitpunkte sehr interessant, da wir im September und Oktober von einem Mix aus kühlen Nächten und warmen Tagen profitieren, was optimal ist für das heranreifen der Trauben.

Generell hat sich der Weinbau im Wallis in den letzten Jahrzehnten extrem gewandelt, weg von der Überproduktion hin zu Qualität. Wie haben Sie das erlebt?
Ich habe selber die Einführung von Mengenbeschränkungen zu Beginn der 1990er-Jahre nicht miterlebt. Aber die Beschränkung, wie viele Kilo Trauben pro Quadratmeter geerntet werden dürfen, hat der Qualität sicherlich sehr viel gebracht.

Wie steht der Walliser Wein im Vergleich etwa zur Waadt, zu Genf oder gar Frankreich da?
Das Wallis ist sehr interessant, weil wir eine gros­se Rebsorten-Vielfalt haben und wir uns auch mit zahlreichen autochthonen (ursprünglichen) Sorten profilieren können, die es in anderen Regionen nicht gibt. Zum Beispiel Petite Arvine, Cornalin, Humagne Rouge oder auch Humagne Blanc. Das sind Trümpfe, die wir ausspielen können und müssen. Und diese Sorten dürfen auch ihren Preis auf dem Markt haben, da sie vielfach in Hanglagen heranwachsen, wo die Produktionskosten viel höher sind als anderswo. Darum wäre es ein Fehler, würde man sich nicht auf hochwertige Produkte fokussieren. Wenn wir uns Mühe geben, kommen wir schnell in ein Preissegment zwischen 20 und 80 bis 100 Franken pro Flasche.

Unter dem Namen Vin d'oeuvre produzieren Sie in Leuk selbst Weine. Geht es bei Ihnen auch in Richtung hohe Qualität und hohe Preise?
Absolut. Nebst einer Anzahl von Weinen, die wir zwischen 14 und 20 Franken anbieten, gibt es Weine, welche bis 45 Franken kosten. Rotweine, die vielleicht im Barrique (Eichenfass) über mehrere Jahre ausgebaut wurden, kann man nicht für 15 Franken verkaufen. Die Kundschaft in der Schweiz ist aber bereit, solche Preise zu bezahlen. Das zeigt sich bei uns zum Beispiel daran, dass die teuren Weine immer zuerst ausverkauft sind. Die Leute wissen, dass billiger Wein qualitativ nicht top sein kann.

Kommen wir zum Weinbau an sich. Wie wichtig ist der Boden, von dem man so viel hört?
Der Boden ist eines der wichtigsten, wenn nicht sogar das wichtigste Element im Weinbau, gibt er doch dem Wein seine Typizität und das gewisse Etwas. Davon spricht man ja auch, wenn man von einem Terroir spricht, dem Zusammenspiel zwischen Klima, Boden, Traubensorte und so weiter. Darum müssen wir zum Boden Sorge tragen.

Wie sorgt man als Winzer dafür, dass der Boden seine Nährstoffe bringt?
Man muss dem Boden Nährstoffe zurückgeben, zum Beispiel indem man Rebberge begrünt, beim Winterschnitt das Holz häckselt und auf den Parzellen liegen lässt. Wenn man sieht, dass die Wuchskraft der Pflanzen zu wenig ist, kann man auch mit organischem Dünger, das heisst Mist, oder sogar mineralischem Dünger Nährstoffe zuführen. Mineralische Dünger sind synthetisch hergestellt, aber dafür weiss man dank einer Bodenanalyse genau, ob zum Beispiel Magnesium oder Calcium fehlt.

Sie haben die Begrünung angesprochen. Damit Walliser Rebberge begrünt werden können, erhält Vitival Geld vom Bund. Warum?
Im Wallis erhalten wir seit drei Jahren über das Projekt Viti-Sol die sogenannten Ressourcen-Effizienz-Beiträge vom Bund. In diesem konkreten Fall geht es darum, Herbizide um 40 bis 50 Prozent zu reduzieren. Wir erhalten Subventionen, die dazu dienen, einen Teil der höher ausfallenden Anbaukosten abzudecken und so eine nachhaltige Entwicklung zu fördern.

Warum sind Walliser Rebberge im Vergleich zu anderen Weinbau-Kantonen so viel weniger grün?
Im Wallis regnet es durchschnittlich 500 bis 700 Millimeter pro Jahr, am Zürichsee im Vergleich dazu mehr als doppelt so viel. Das ist sehr wenig. Eine zusätzliche Konkurrenzierung der Reben durch Unkraut erschwert es uns, qualitativ gute Trauben zu produzieren. Das Projekt Viti-Sol zeigt aber auf, dass es Methoden gibt mindestens teilweise auf Herbizide zu verzichten. 400 Hektaren, also etwa acht Prozent der Rebfläche des Kantons, sind bereits ganz oder teils begrünt.

Sie präsidieren den Branchenverband der Walliser Winzer für integrierte Produktion (Vitival). Wie viele Mitglieder zählt der Branchenverband und was ist Ihre Aufgabe?
Wir haben knapp 1000 Mitglieder und wollen alle Arten von Produktionen mit ökologischem Charakter und einer verantwortlichen und nachhaltigen Entwicklung fördern.

Was bedeutet «integrierte Produktion»?
Es bedeutet, möglichst naturnah zu produzieren. Heutzutage ist das in der Schweiz aber Standard. Vitival-Mitglieder müssen aber noch ein paar Punkte mehr erfüllen. Das setzt voraus, dass die Winzer ihre Rebberge gut kennen und wissen, was es wo braucht. Erträgt zum Beispiel die Parzelle, in der ich meinen top Pinot noir machen möchte, eine Begrünung oder ist die Konkurrenz zu gross? Habe ich genügend Wasser? Das muss jeder Winzer durch Erfahrung und Beobachtung einschätzen können und falls ein Problem auftritt auch angehen.

Ein Verzicht von Insektizid ist kein Thema?
Doch. Aber zum Glück werden Insektizide heute nur noch sehr wenig angewendet. Den Traubenwickler zum Beispiel (ein Nachtfalter) halten wir im Wallis mit der Verwirrungsmethode in Schach.

Wie funktioniert diese Verwirrungsmethode?
Die grossflächige Verteilung von Sexualhormonen mittels Dispensern fast im ganzen Wallis überdeckt den Duft paarungswilliger Weibchen. Dadurch finden die Männchen mögliche Partnerinnen nicht mehr so gut, die Paarung bleibt aus und es wachsen weniger Raupen heran, die Schäden an den Trauben hervorrufen können.

Aktuell hört man viel von der Kirschessigfliege, die ­Sorgen bereitet. Warum?
Es ist ein Insekt, das sich sehr schnell verbreitet und grosse Schäden anrichtet. Mit ihrem Stachel gleich einer Wespe durchbohren die Fliegen die reife Frucht und legen ihre Eier hinein. Zuerst in den Kirschen, dann in Pflaumen und Aprikosen. Jetzt werden aber die ersten Trauben reif und weil wir im 2014 schon sehr schlechte Erfahrungen gemacht haben, beunruhigt das einige Winzer. Probleme gab es dieses Jahr aber erst beim Obst.

Warum gibt es gerade dieses Jahr so viele Probleme?
Die Kirschessigfliege mag es gerne feucht und nicht so warm. Der viele Regen im Juni/Juli und nicht allzu hohen Temperaturen waren für sie ein Eldorado.

Was für Empfehlungen haben Sie für deren Be­kämpfung?
Hilfreich ist, rund um die Trauben gut zu entlauben, das Gras tief zu halten und anfällige Rebsorten mit engmaschigen Netzen zu schützen – notfalls sogar früher zu ernten. Selber bin ich gegen den Einsatz von Insektiziden, da deren Wirkung nicht restlos bewiesen ist. Zudem bedarf es einer Bewilligung des Kantons. Alternativen wie zum Beispiel der Einsatz von Steinmehl müssen auch wohlüberlegt sein. Ein vorgängiges Gespräch mit einem allfälligen Traubenabnehmer ist sicherlich von Vorteil.

Ende Woche findet in Siders die Vinea statt. Werden Sie da auch anzutreffen sein?
Ja, auch wir sind seit letztem Jahr dabei. Es ist eine gute Plattform, weil Leute aus der ganzen Schweiz kommen, auch viele Journalisten und Gastronomen.

An der Vinea werden auch die weltbesten Pinots ausgezeichnet. Wie werden Ihre Mitglieder abschneiden?
Prognosen, wie die Leute abschneiden werden, sind schwer abschätzbar. Wettbewerbe kennen ihre eigenen Gesetze. Wir verfügen aber über ein sehr gutes Terroir, das sich sehr gut für Pinot eignet, selbst wenn das Wallis auch für andere Rebsorten prädestiniert ist. Wenn jemand eine super Hanglage hat und sensationelle Weine macht, hat er sicher gute Chancen, bekannt zu werden – sogar wenn die Jurymitglieder nicht dieser Meinung sein sollten. Freuen wirds den nächsten Kunden.

Christian Zufferey

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Infos

Zur Person

Vorname Stéphane
Name Kellenberger
Geburtsdatum verheiratet, zwei Kinder
Beruf Önologe
Funktion Präsident Vitival
Hobbies Sport, Schach, Natur

Nachgehakt

Walliser Weine gehören zu den besten der Welt. Ja
Viele Schädlinge im Weinbau lassen sich nur chemisch bekämpfen. Nein
Die Affäre Giroud macht dem Walliser Weinbau heute noch zu schaffen. Ja
Der Joker darf nur einmal gezogen werden.  

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