Frontal | German Escher, Journalist und Unternehmer
«Die RZ ist eine der besten Gratiszeitungen der Schweiz»
German Escher (59) hat vor 20 Jahren die «Rhonezeitung» ins Leben gerufen. Im RZ-Frontalinterview spricht er über die Anfänge, den Lokaljournalismus und die Medienlandschaft im Oberwallis.
German Escher, Sie sind der Gründer und Vater der «Rhonezeitung», die vor 20 Jahren zum ersten Mal erschienen ist. Wie kamen Sie auf die Idee, eine Gratiszeitung herauszugeben?
Als Bub träumte ich immer davon, einmal ein eigenes Tabakpfeifengeschäft und eine eigene Zeitung zu haben. Diesen Traum konnte ich mir erfüllen. Ende der 1990er-Jahre kamen die Gratiszeitungen in der ganzen Schweiz auf. Nur im Oberwallis war diese Nische nicht besetzt. Per Zufall kam ich mit Waldemar Schön, der heute als Kommunikationsunternehmer arbeitet, in dieser Zeit ins Gespräch und wir haben zusammen diese Idee entwickelt. Für uns war bald einmal klar, dass wir eine Wochenzeitung machen, die kostenlos verteilt wird, und nicht einen klassischen Gratisanzeiger mit Inseraten. Das heisst, wir hatten einen publizistischen Anspruch.
Sie waren lange Jahre als SRF-Korrespondent im Wallis tätig, haben für den «Tages-Anzeiger» und die «SonntagsZeitung» gearbeitet und waren als Journalist beim «Walliser Boten» tätig. Warum der Drang zur Selbstständigkeit?
Das hatte sicher auch damit zu tun, dass mein Herz immer für den Lokaljournalismus geschlagen hat. Ganz einfach darum, weil es für mich die mit Abstand spannendste Art von Journalismus ist. Einerseits, weil man viel näher am Geschehen ist, und andererseits, weil man mit den jeweiligen Protagonisten direkt zu tun hat und die politischen Prozesse begleiten kann. Das macht die Sache viel, viel spannender.
Was war die grösste Herausforderung bei der Realisierung Ihrer Zeitungspläne?
Man hat nicht so richtig an uns geglaubt, nicht zuletzt deshalb, weil viele Leute falsche Vorstellungen hatten. Aber das Entscheidende bei einem solchen Prozess sind gute Leute. Mit Waldemar Schön und meinem Zwillingsbruder Bernhard Escher hatte ich ein sehr gutes Umfeld. Wir mussten auch nicht gigantische Investitionen tätigen, sondern ganz einfach unseren Weg gehen und beharrlich sein.
Die Zeitung wurde anfangs nur in der Agglomeration Brig-Glis, Naters und Visp verteilt. Warum?
Wir hatten vielleicht nicht die Courage und auch nicht den richtigen Druckpartner. Wir haben am Anfang bei der NBV, der heutigen Valmedia, gedruckt, und da kam man auch an Kapazitätsgrenzen. Darum war es für uns einfacher, in einem überschaubaren Rahmen zu starten. Wir merkten aber bald einmal, dass wir, auch wegen der grossen Werbekunden, unser Verteilgebiet erweitern mussten.
War eine Bezahlzeitung keine Option?
Ganz kurz haben wir uns diese Option offengehalten. Schliesslich haben wir uns aber für eine Gratiszeitung entschieden. Der Erscheinungstag hingegen war nicht ganz unumstritten. Anfangs haben wir uns überlegt, statt am Donnerstag am Sonntag zu erscheinen. Nicht zuletzt deshalb, weil dazumal die Sonntagszeitungen im Trend waren. Dieses Vorhaben ist letztlich aber an den Druckkosten und der Logistik gescheitert.
Wie haben die Leser auf die neue Gratiszeitung reagiert?
Die Reaktionen waren sehr gut. Wir hatten schon gleich von Beginn weg ein paar Werbekunden, die an uns geglaubt haben. Das hat uns natürlich sehr geholfen. Auch von der Leserschaft hatten wir sehr gute Echos. Eine Zeitung im Tabloidformat, die gratis zugestellt wird und Infos aus der Region liefert, dieses Konzept ist sehr gut angekommen. Das haben die Leser auch geschätzt.
Nach und nach haben Sie das Verteilgebiet ausgeweitet und sind vom Zwei-Wochen-Rhythmus in den Wochenrhythmus gewechselt. Was gab den Ausschlag?
Wir sind einfach Schritt für Schritt vorwärtsgegangen. Wir hatten auch keine Bank, die uns einen Kredit gewährt hat. Das war vielleicht auch ein Vorteil. Darum mussten wir immer aus den eigenen Erträgen das Wachstum generieren. Und wir hatten auch immer das Glück, dass wir sehr gute und motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hatten. Und zwar in allen Abteilungen.
Erinnern Sie sich an die erste Schlagzeile?
Wenn ich mich richtig erinnere, war in der allerersten Nummer das Eishallenprojekt in Gamsen auf der Titelseite, das private Promotoren in Zusammenhang mit der damaligen Olympiakandidatur verwirklichen wollten. Heute, 20 Jahre später, baut man nun eine neue Eishalle in Visp und wir stehen wieder vor einer Olympiakandidatur. Das zeigt, wir haben heute noch die gleichen Diskussionen wie schon vor 20 Jahren.
Wie schwierig oder einfach ist es für die Redaktion einer Wochenzeitung, gute Themen zu besetzen?
Eine gute Wochenzeitung zu machen ist anspruchsvoller als eine Tageszeitung. Ganz einfach darum, weil man immer wieder nach sogenannten Nischenthemen suchen muss, die von der Tagespresse noch nicht oder nur teilweise besetzt sind. Dazu kommt, dass sich die ganze Medienlandschaft extrem verändert hat und auf den sozialen Netzwerken praktisch jeder ein kleiner Journalist sein kann.
Sie waren Chefredaktor und Verleger zugleich. Wie schwer oder einfach war es, diese beiden Funktionen unter einen Hut zu bringen?
Das war in der Tat nicht immer einfach. Aber ich hatte mit meinem Zwillingsbruder einen sehr guten Mann als Geschäftsführer an meiner Seite, der mir in finanziellen Dingen den Rücken freigehalten hat. Dadurch konnte ich mich voll und ganz auf die Inhalte konzentrieren. Das war sehr wichtig.
Was war Ihre geilste Story?
Das ist nicht einfach zu beantworten. Was mir aber in Erinnerung geblieben ist: dass wir einmal eine Sonntags-Sonderausgabe zu den Staatsratswahlen gemacht haben. Weil die Wahlen auf ein Pfingstwochenende gefallen sind, haben wir uns dazu entschlossen, eine Sonderausgabe zu machen. Wir haben diese Ausgabe mit der
Valmedia produziert und selber verteilt. Das war eine sehr spannende Arbeit, die man nicht vergisst.
2014 haben Sie sich aus dem Geschäft zurückgezogen und haben Ihre Anteile an die Mengisgruppe verkauft. Wieso dieser Entscheid?
Als Journalist berichtet man auch über Wirtschaftsforen, die darauf hinweisen, sich rechtzeitig mit der Nachfolgeregelung zu befassen. Weil wir familienintern keine Lösung gefunden haben, haben mein Bruder und ich uns dazu entschlossen, unsere Anteile an die Mengisgruppe zu verkaufen. Nicht zuletzt im Sinne einer Stärkung des Medienraumes Oberwallis. Heute darf man sagen, es war die richtige Entscheidung. Auch Befürchtungen, wonach die «Rhonezeitung» eingestellt würde, haben sich nicht bewahrheitet. Das Verlagshaus Mengis hat Wort gehalten und die Eigenständigkeit der «Rhonezeitung» aufrechterhalten. Und ich finde es gut, dass auch heute noch im Hause Mengis ein inhaltlicher Wettbewerb stattfindet.
Heute stehen Sie der «Rhonezeitung» als Verwaltungsratspräsident vor. Wie erleben Sie die Entwicklung der RZ?
Ganz am Anfang war es ein komisches Gefühl, nicht mehr aktiv in der Redaktion mitzuarbeiten. Aber ich muss sagen, die neue Mannschaft hat schnell einmal Tritt gefasst und hat in den letzten fünf Jahren sehr gute Arbeit geleistet. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass die «Rhonezeitung» eine der besten Gratiszeitungen in der ganzen Schweiz ist.
Die RZ feiert dieses Jahr das 20-jährige Bestehen. Macht Sie das auch ein bisschen stolz?
Ja, es macht mich stolz. Aber es macht mich auch ein bisschen nachdenklich, weil man merkt, wie schnell die Zeit vergeht. Und es gibt auch Momente, wo ich den Lokaljournalismus vermisse. Ich war mit Herzblut Journalist, aber ich habe auch Spass daran, heute noch auf der strategischen Ebene mitwirken zu können.
Hat eine Gratiszeitung neben der Tageszeitung, dem Lokalradio und dem Lokalfernsehen Platz im Oberwallis?
Ja, davon bin ich felsenfest überzeugt. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter und glaube, dass die Perspektive der Gratis-Wochenzeitungen besser ist als diejenige der Tagespresse. Das zeigen auch die schweizweiten Zahlen. Die Wochenzeitungen konnten in den letzten Jahren ihr Inseratevolumen halten und zum Teil ausbauen, während die grossen Tageszeitungen Einbussen im zweistelligen Prozentbereich hinnehmen mussten. Das hat damit zu tun, dass die Gratiszeitungen eine grosse Reichweite haben und dass sich der Inhalt nur auf das Lokalgeschehen fokussiert. Das macht den Erfolg aus und zeigt, dass die Zukunftsperspektiven für diese Art von Zeitungen, wenn sie inhaltlich gut gemacht sind, sehr gut sind.
Sie sprechen es an, der Werbemarkt ist umstritten und die Printmedien müssen um die Leserschaft buhlen. Während die Auflage bei den abonnierten Zeitungen stagniert, sind Gratiszeitungen im Trend. Wird dieser Boom anhalten?
Der Wandel ist rasant. Die Medienlandschaft muss sich permanent dem Konsumverhalten anpassen. Das macht die Sache nicht einfacher. Der Zeitungsmacher muss sich immer wieder hinterfragen, wie er die Bedürfnisse der Leserschaft und der Inserenten am besten abdecken kann. Nichtsdestotrotz ist es wichtig, dass wir auch weiterhin im Oberwallis mit dem «Walliser Boten» eine grosse und starke Tageszeitung haben. Das ist für eine Region sehr wichtig und auch ein Stück weit Identität.
Was wünschen Sie der RZ und ihren Macherinnen und Machern zum runden Geburtstag?
Ich wünsche ihnen, dass sie auch weiterhin mit viel Freude und Herzblut ihre Arbeit machen und Woche für Woche eine gute und spannende Zeitung herausgeben und Schlagzeilen schreiben, die für Aufsehen sorgen.
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