Frontal | Leander Jaggi, Präsident der SRG Bern Freiburg Wallis
«Die No-Billag-Vorlage wäre der Untergang der heutigen SRG»
Er wurde vor drei Wochen zum neuen Präsidenten der SRG Bern Freiburg Wallis gewählt. Leander Jaggi (65) über das Fernseh- und Radioprogramm, den Lokaljournalismus und die Diskussionen um die Billag-Gebühren.
Leander Jaggi, sind Sie ein Fernseh-Junkie oder eher der passionierte Radiohörer?
Ich bin mehr der Radiohörer. Nicht zuletzt auch deshalb, weil ich viel mit dem Auto unterwegs bin.
Die Frage sei erlaubt: Welchen Sender hören Sie?
Ich höre meistens Radio SRF 1. Vor allem die Info-Sendung «Echo der Zeit» finde ich sehr informativ und gut. Aber auch das zweite und dritte Radioprogramm von SRF schalte ich ein. Am Samstagmorgen höre ich regelmässig Swiss Classics. Im Fernsehen schaue ich wenn möglich die Tagesschau und das Nachrichtenmagazin «10 vor 10». Die politischen Diskussions- und Dok-Sendungen gehören ebenfalls zu meinem Programm.
Wie beurteilen Sie das Programm von SRF?
Ich stelle fest, dass es für Radio- und Fernsehmacher immer schwieriger wird, die passenden Sendungen zu produzieren. Der Grund ist ganz einfach: Das Konsumverhalten der Nutzer hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Die klassische Samstagabend-Fernsehkiste beispielsweise hat schon lange ausgedient. Darum ist die Herausforderung für die Fernsehmacher, eine gute Samstagabend-Fernsehshow auf die Beine zu stellen, heute ungleich höher als noch vor ein paar Jahren.
Welche Note würden Sie Fernsehen SRF auf einer Skala von 1 (umschalten) bis 10 (ausgezeichnetes Unterhaltungs- und Informationsprogramm) denn geben?
Wenn ich die Note 1 geben würde, wäre ich wohl am falschen Platz (lacht). Im Ernst, ich gebe die Note 8 plus.
Laufen die Privaten den öffentlich-rechtlichen Sendern nicht langsam den Rang ab?
Die privaten Fernseh- und Radiosender sind nicht die eigentliche Konkurrenz von SRF. Diese Sender haben auch eine andere Aufgabe als die SRG-Medien. Unsere Aufgabe ist es, ein ausgewogenes, hochstehendes nationales Programm anzubieten und vor allem auch Sendungen zu machen, die sich für Private nicht rechnen. Insofern machen uns die privaten Anbieter wenig Sorge. Es sind ausländische Sender und vor allem globale Player wie Facebook und Youtube, die den schweizerischen Medienhäusern – der SRG wie den Privaten – den Markt streitig machen.
Vor knapp drei Wochen wurden Sie zum neuen Präsidenten der SRG Bern Freiburg Wallis gewählt. Was bedeutet Ihnen diese Wahl?
Die SRG Bern Freiburg Wallis konnte dieses Jahr ihr 90-jähriges Bestehen feiern. Auf das Jubiläum hin bin ich der erste Walliser, der zum Präsidenten dieser Genossenschaft gewählt wurde. Das ist für mich eine grosse Ehre. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die SRG Wallis viel weniger Mitglieder zählt als die Region Bern. Deshalb wurde bis jetzt auch immer ein Berner zum Präsidenten der SRG Bern Freiburg Wallis gewählt.
«Die SRG steht vor grossen Herausforderungen»
24 Jahre lang waren Sie für die Finanzen der SRG Bern Freiburg Wallis zuständig. Was ändert sich mit Ihrer Wahl zum Präsidenten?
Die SRG steht in den nächsten Jahren vor grossen Herausforderungen. Darum ist es wichtig, dass jemand an der Spitze steht, der gut vernetzt ist und sich aktiv einbringen kann. Diese Vorgaben kann ich hundertprozentig erfüllen. Bisher war ich als Präsident der SRG Wallis vor allem für die Anliegen unserer Region zuständig. Jetzt darf ich die Interessen der drei Kantone Wallis, Bern und Freiburg innerhalb der SRG Deutschschweiz vertreten. Eine meiner Aufgaben wird es sein, trotz Sparmassnahmen den Standort Bern zu stärken und damit auch indirekt die Standorte in Brig und Freiburg.
Seit 22 Jahren sind Sie Präsident der SRG Wallis und in diesem Zusammenhang auch dafür zuständig, dass unser Landstrich nicht von der Fernsehlandkarte verschwindet. Täuscht der Eindruck oder war die Walliser Medienpräsenz auch schon stärker?
Der Eindruck täuscht insofern nicht, als dass der Spardruck von SRF einen direkten Einfluss auf das Programm hat. Vor zehn, fünfzehn Jahren konnten die SRF-Korrespondentinnen und SRF-Korrespondenten entweder einen Radiobericht oder einen Fernsehbeitrag produzieren, während sie heute noch einen Artikel online stellen, zu welchem auch immer noch ein passendes Bild gehört. Die Medienwelt hat sich rasant verändert und mit ihr auch die Arbeit der Medienschaffenden. Insofern kann ich nicht feststellen, dass das Wallis weniger Medienpräsenz hat als früher.
Wie beurteilen Sie denn das Schaffen der Medienschaffenden im Radio und Fernsehen?
Ich bin sehr zufrieden mit der Arbeit der Walliser Radio- und Fernsehkorrespondenten. Sie haben eine feine Nase für gute Geschichten und wischen auch Skandale nicht einfach unter den Teppich. Die Mischung aus Information und gut recherchierten Berichten ist es, weshalb unsere Medienpräsenz im Radio und am Fernsehen immer noch überdurchschnittlich hoch ist.
«Der Oberwalliser Lokaljournalismus verdient sehr gute Noten»
Und wie bewerten Sie den Lokaljournalismus?
Der Oberwalliser Lokaljournalismus verdient sehr gute Noten. Sowohl die Printmedien mit dem «Walliser Boten» als Tageszeitung und der RZ als Wochenzeitung wie auch das Lokalradio Rottu und der Fernsehsender Kanal 9 leisten wirklich gute Arbeit. Kurzum: Die Oberwalliser Medien sind für die SRG eine wunderbare Ergänzung.
Vor einem Jahr wurde das neue Radio- und Fernsehgesetz äusserst knapp (50,08 %) angenommen. Damit ist die medienpolitische Diskussion um die Gebührengelder aber nicht vom Tisch. Wie sehen Sie die Rolle der SRG in dieser Auseinandersetzung?
Das neue Radio- und Fernsehgesetz hat man mit der SRG gleichgesetzt. «Mu hed der Eschel gmeind und der Sack gschlagen.» Dieses Vorurteil konnte man im ganzen Abstimmungskampf nicht loswerden. Wer gegen das RTVG war, meinte eigentlich die SRG. Das war der falsche Ansatz. Die SRG profitiert vom neuen Gesetz in keiner Weise. Im Gegenteil. Bei der Abstimmung ging es um ein korrektes Gebührensplitting, das vor allem den lokalen Radio- und Fernsehstationen zugutekam. Davon war im Vorfeld der Abstimmung aber nichts oder nur wenig zu hören. Insofern war ich persönlich ein bisschen enttäuscht, dass sich die privaten Radio- und Fernsehsender im Abstimmungskampf nicht mehr engagiert haben.
In Ihrer Ansprache nach der Wahl haben Sie betont, Sie würden sich dafür einsetzen, «dass die SRG weiterhin unabhängigen Journalismus betreiben kann». Ist das überhaupt möglich als gebührenfinanzierter Sender?
Diesen Vorwurf hören wir immer wieder. Aber erstens haben wir einen offiziellen Leistungsauftrag und zweitens lassen sich die Journalistinnen und Journalisten eben gerade dank der staatsfernen und von der Politik losgelösten Struktur der SRG nicht für irgendwelche politischen oder wirtschaftlichen Zwecke einspannen. Der Vorwurf, die SRG-Mitarbeiterinnen und -mitarbeiter könnten nicht unabhängigen Journalismus betreiben, ist schlicht und einfach falsch. Die Gebührenfinanzierung und die staatsferne Struktur der SRG sind doch gerade Voraussetzungen für den unabhängigen Journalismus und dafür setze ich mich ein.
Kaum ist die umstrittene RTVG-Revision unter Dach und Fach, wartet mit der No-Billag-Initiative schon die nächste Herausforderung...
Die No-Billag-Vorlage wäre der Untergang der heutigen SRG. Wenn wir keine Gebühren mehr bekommen, können wir unseren Auftrag schlicht und einfach nicht mehr erfüllen. Die Folgen wären vor allem für die Randregionen wie das Oberwallis gravierend. Standorte wie Brig und Freiburg würden wohl kaum aufrechterhalten werden können. Aber auch die Sprachminderheiten wie die Westschweiz, das Tessin und die Rätoromanische Schweiz hätten das Nachsehen. Ein gebührenfinanziertes Medienhaus wie die SRG ist für die föderalistische Schweiz mit ihren vier Sprachen und Kulturen unverzichtbar.
«Ich kann meine Arbeit mit der Freizeit verbinden»
Die Befürworter der Vorlage argumentieren aber nicht ganz zu Unrecht, dass die Billag-Gebühr eine Zwangsgebühr ist…
Einerseits muss jeder Haushalt mit der Umsetzung der RTVG-Revision in Zukunft weniger Gebühren zahlen. Andererseits muss die SRG nicht weniger als vier Sprachregionen versorgen. Das geht ins gute Tuch. Ansonsten muss unser Leistungsauftrag geändert werden. Aber ich bezweifle, dass die Schweizerinnen und Schweizer das wirklich wollen.
Ein Wort noch zu Ihrer Rolle als Unternehmer. Sind Sie als Inhaber einer Postautounternehmung viel mit dem ÖV unterwegs?
Je länger, je mehr. Ich habe ein Generalabonnement und nutze den öffentlichen Verkehr, wann immer es geht. Durch meine berufliche Tätigkeit bin ich aber auf mein Auto angewiesen. Deshalb bin ich auch viel und oft auf der Strasse unterwegs.
Sie sind Unternehmer, Broker und Präsident der SRG Bern Freiburg Wallis. Wie bringen Sie das alles unter einen Hut?
Der Tag hat nicht nur für andere, sondern auch für mich 24 Stunden. Ich schlafe durchschnittlich sechs Stunden. Drei Stunden nehme ich mir Zeit für meine Frau. Die restlichen 15 Stunden nutze ich für meine Arbeit. Durch meine Vielseitigkeit und meine abwechslungsreichen Tätigkeiten kann ich mich jeweils voll fokussieren und motivieren. Ich bin in der glücklichen Lage, dass ich meine Arbeit mit der Freizeit verbinden kann. Insofern kann ich mich zwischendurch auch sehr gut erholen.
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