Frontal | Wallis-Korrespondent SRF

«Die Berichterstattung über die Katastrophen war nicht einfach»

Reinhard Eyer, Wallis-Korrespondent SRF
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Reinhard Eyer, Wallis-Korrespondent SRF
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Quelle: RZ 0

Brig-Glis/Naters | 36 Jahre war er Radiokorrespondent auf SRF 1. Ende Februar geht Reinhard Eyer (64) in Pension. Im Frontalinterview spricht er über seine Arbeit im Grossen Rat, sein Verständnis von Journalismus und sein liebstes Hobby – das Strahlen.

Reinhard Eyer, nach 36 Jahren wurden Sie als Wallis-Korrespondent von Radio SRF im Grossen Rat gewürdigt. Hat Sie diese Geste berührt?

Es hat mir Freude gemacht, auch wenn ich ungern im Mittelpunkt stehe. Als Journalist bin ich es gewohnt, mehr in der Rolle des Beobachters zu sein. Dass nun auf einmal das Interesse auf meiner Person liegt, war für mich eher ungewohnt.

Grossratspräsident Grégoire Dussex sagte in seiner Würdigung, Sie hätten die Dossiers manchmal wohl besser gekannt als die Walliser Staatsräte. Erinnern Sie sich noch an die Anfänge Ihrer Berichterstattung zurück?

Das mit der Dossierkenntnis war natürlich ein Kompliment. Und Komplimente greifen bekanntlich weit über die Realität hinaus. Am Anfang war das alles nicht einfach. Aufgrund meiner fehlenden Erfahrung hatte ich eine gewisse Unsicherheit. Es braucht viel Zeit, bis man die politischen Zusammenhänge kennt und in einfachen Worten wiedergeben kann. Heute, nach mehr als 36 Jahren Berufserfahrung, kenne ich die Dossiers natürlich besser. Ich bin ein Journalist, der vom Wissen lebt, das er sich mit den Jahren aneignet.

Was ist Ihnen von Ihrer Arbeit im Grossrat in Erinnerung geblieben?

Geschichten, zum Beispiel rund um das Spannungsfeld zwischen Kirche und Staat. Das war schon vor 36 Jahren das gleiche Thema wie heute. Schon damals wollte der Grosse Rat die sogenannten Kirchgemeinden gesetzlich verankern und so die Trennung von Kirche und Staat realisieren, wie es die Verfassung damals verlangte. Dieses Vorhaben ist aber in mehreren Sessionen gescheitert. Jacques Allet von der CVP Mittelwallis meldete sich damals zu Wort und sagte, wenn man es nicht schaffe, die Verfassung umzusetzen, müsse man halt die Verfassung ändern. Und das wurde dann auch tatsächlich so gemacht. Heute, rund 35 Jahre später, stehen wir wieder vor einer Initiative für die Trennung von Kirche und Staat. Ob das gelingt, wage ich allerdings zu bezweifeln.

Die politische Kultur im Wallis hat sich in den letzten 30 Jahren stark verändert. Wie haben Sie diesen Wandel miterlebt?

Als ich mit der Berichterstattung im Walliser Grossen Rat angefangen habe, waren die Machtverhältnisse sehr einseitig. Die C-Parteien stellten damals fast 60 Prozent der Grossräte. Ich kann mich noch gut an Debatten erinnern, wo Pierre Moren, ein Wirt aus Sitten und Präsident der CVP-Fraktion Wallis, in der Schlussdebatte den Ton und die Richtung angab. Da konnte Peter Bodenmann noch so lange dagegen ankämpfen, die sogenannten Minderheitsparteien hatten keine Chance, ihre Pläne umzusetzen.

Inzwischen haben sich die parteipolitischen Verhältnisse geändert. Führt das zu einer politischen Öffnung?

Natürlich. Heute stellen die sogenannten Minderheitsparteien rund 60 Prozent der Grossräte. Die Folge davon ist, dass im Parlament Machtkämpfe stattfinden. Dabei werden leider manchmal auch Entscheide gefällt, nur um den C-Parteien eins auszuwischen. Das ist unsinnig und schade. Das Positive an der Sache ist, dass sich dadurch neue Allianzen bilden und eine neue Politik entwickelt. Eine CSP beispielsweise muss sich jetzt überlegen, welchem Flügel sie sich anschliessen will. Die Frage bleibt: Was entsteht jetzt aus diesen neuen Machtverhältnissen?

Auch der Bau der Nationalstrasse ist ein politischer Dauerbrenner. Gegenüber SRF haben Sie davon gesprochen, dass es beschämend sei, dass in dieser Zeitspanne nur gerade zehn Kilometer Autobahn im Oberwallis gebaut wurden…

Dem ist so. Der Bau der Nationalstrasse war eine der ersten grossen Diskussionen, die ich im Parlament miterlebt habe. Damals wurde über die Linienführung der Nationalstrasse im Wallis diskutiert. Dabei haben immer wieder die Umweltverbände, die Lonza, aber auch die politischen Parteien ihre Interessen angemeldet. Egal, welche Variante vorgeschlagen wurde, es gab immer wieder Einsprachen. Erst in den letzten Jahren ging es zügig vorwärts. Jetzt haben wir die Probleme auf der Ebene der Unternehmen, die sich am Bau beteiligen wollen. Dadurch gibt es viele Einsprachen und Verzögerungen.

Was hat sich denn in all den Jahren im Parlament positiv verändert?

Auf der Ebene des Umweltschutzes zum Beispiel hat das Parlament einen grossen Schritt vorwärts gemacht. Ich habe noch Zeiten erlebt, wo Politiker gesagt haben, wenn uns niemand vor den Umweltschützern schützt, schützen wir uns selber und schreiben­ die Bauvorhaben nicht mehr aus. Mit anderen ­Worten, man wollte sich in die Illegalität begeben. Aber ich habe auch Zeiten erlebt, wo Alt-Staatsrat Hans Wyer sagte: «An den Umweltschutzkreisen führt kein Weg vorbei.» Heute habe ich den Eindruck, dass die Zusammenarbeit zwischen Umweltschutzkreisen und der Politik recht gut funktioniert, obwohl es immer noch Differenzen gibt. Vor allem im Bereich der Kleinwasserkraftwerke.

Sie sind nach aussen eher ein introvertierter Mensch, der nicht so gerne im Rampenlicht steht. Wie haben Sie diese Charaktereigenschaft mit Ihrer Arbeit als Journalist vereinbart?

Ich sehe das sogar als Vorteil. Ich bin zwar in der Tat eher der stille Beobachter, aber wenn es meine Arbeit verlangte, habe ich die notwendigen Informationen vor Ort eingeholt. Letztlich habe ich das Gefühl, das war keine schlechte Kombination.

Vor Ihrer Tätigkeit beim SRF waren Sie beim «Walliser Volksfreund» tätig. Was war Ihre Hauptaufgabe beim «Volksfreund»?

Ich war für das Wochenmagazin «Spektrum» zuständig und habe Beilagen für den «Volksfreund» gemacht. Manchmal hats da allerdings auch Probleme gegeben. So habe ich zum Beispiel einmal eine Reportage über den damaligen Bischof Nestor Adam geschrieben mit dem Titel «Ein Keuscher auf dem Bischofsstuhl». Diese Beilage wurde dann eingestampft. Für mich passte der Titel zum Schaffen und Denken von Bischof Adam. In der Redaktion wurde der Titel aber als Provokation aufgefasst und darum wurde die Beilage nicht abgedruckt. Während der Zeit beim «Volksfreund» habe ich auch für verschiedene Zeitschriften wie den «Beobachter» geschrieben, bevor ich zu Radio DRS wechselte, wo gerade die Regionaljournals ins Leben gerufen wurden. Ich gehörte zur Gründerequipe.

Gab es auch einen Moment in Ihrer journalistischen Laufbahn, den Sie lieber vergessen würden?

Die Berichterstattung über die Katastrophen war nicht immer einfach. Das hat mir grosse Mühe bereitet, wenn ich gesehen habe, wie die betroffenen Leute darunter gelitten haben. Meine Aufgabe war es, so nüchtern wie möglich darüber zu berichten, was nicht immer ganz einfach war. Mir hat es manchmal fast die Stimme verschlagen, wenn ich über solch dramatische Ereignisse berichten musste.

Was ist Ihnen wichtig am Journalismus?

Verstehen und verständlich machen. Das ist für mich das Wichtigste an meiner journalistischen Arbeit. Ich empfinde mich als typischen Korrespondenten. Das heisst: Ich beobachte, ich höre zu, zum Beispiel im Kantonsparlament. Ich versuche zu verstehen und das Verstandene dann so einfach und verständlich wie möglich meinen Hörern weiterzugeben. Ich glaube an das Bedürfnis zu verstehen. Nur wer als politischer Bürger auch versteht, kann auch Entscheide treffen.

In Ihrer Freizeit sind Sie oft in den Bergen unterwegs und suchen nach Mineralien. Wie sind Sie zu diesem Hobby gekommen?

Über den Journalismus. Ich habe mich schon früh für Treibholz interessiert, welches ich entlang von Bachläufen gefunden habe. Einmal hatte ich den Auftrag, einen Berufsstrahler vorzustellen. Als ich mit André Gorsatt auf eine Tour ging, war ich total fasziniert von der Materie. Da habe ich mich entschlossen, selber Mineralien zu suchen. Fast jede freie Minute war ich fortan unterwegs. Es ging aber mehr als ein Jahr, bis ich den ersten Stein gefunden habe. Einen kleinen Kristall, den ich mit grossem Stolz meiner Familie zeigte. Den ersten grösseren Kristall habe ich erst viel später gefunden. Als ich beim Kaltwassergletscher ein hartes Quarzband bearbeitete, habe ich mir aus Versehen auf den Finger geschlagen. Als ich das Blut im Wasser abwaschen wollte, habe ich im Rinnsaal etwas Glattes gespürt. Das entpuppte sich als Kristall und war mein erster grosser Fund.

Was fasziniert Sie, stundenlang allein unterwegs zu sein und nach Mineralien zu suchen?

Früher trieb mich der Drang, einen grossen Fund zu machen. Heute geht es mir nicht mehr so sehr darum, einen möglichst grossen Kristall zu finden, sondern vielmehr um den Tag im Berg. Wenn ich unterwegs bin, dann bin ich fasziniert von der Landschaft, vom Laufen, von der Auseinandersetzung mit dem Fels. Es ist interessant, einen Fels zu lesen. Ich geniesse­ einfach das Erlebnis an sich.

Den grössten Kristall habe ich am Riederhorn gefunden. Ich war schon auf dem Heimweg, da sah ich einen feinen Felsriss im Gebüsch verlaufen. Als ich mit dem Pickel leicht unters Gebüsch schlug,

Was war der grösste Fund, den Sie bisher gemacht haben?­

Den grössten Kristall habe ich am Riederhorn gefunden. Ich war schon auf dem Heimweg, da sah ich einen feinen Felsriss im Gebüsch verlaufen. Als ich mit dem Pickel leicht unters Gebüsch schlug, um die Wurzeln auszureissen, ertönte ein heller Klang. Und als ich hineingriff, hatte ich einen Doppelender von fast 30 Zentimetern in der Hand. Das war eine grosse Überraschung und wunderschön.

Neben dem Strahlen finden Sie auch im Bagua Entspannung…

Das Bagua ist eine uralte Tradition, die in den Shaolin-Klöstern gelehrt wird. Es ist eine Kombination von Bewegung und Meditation, sozusagen Meditation in Bewegung. Ich habe sie vom Kampfkunstlehrer Hans Amacker gelernt und bin ihm heute noch dankbar. Bagua hat mir aus einer Depression heraus geholfen und noch heute mache ich jeden Tag meine Übungen. Es tut einfach gut.

Walter Bellwald

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Infos

Zur Person

Vorname Reinhard
Name Eyer
Geburtsdatum 6. Februar 1950
Familie verheiratet, drei erwachsene Kinder, ein Enkelkind
Beruf Journalist
Funktion Wallis-Korrespondent SRF
Hobbies Strahlen

Nachgehakt

Das Strahlermuseum in Naters wird 2016 eröffnet. Joker
Ich würde wieder den Beruf als Journalist wählen. Ja
Die Oberwalliser Medienlandschaft ist zu wenig vielfältig. Nein
Der Joker darf nur ein mal gezogen werden.  

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