Naters | Frontalinterview mit Michael Nellen

«Der Umgang mit der Lawinengefahr ist in der Schweiz vorbildlich»

Michael Nellen, Geschäftsführer Belalp Bahnen.
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Michael Nellen, Geschäftsführer Belalp Bahnen.
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Michael Nellen (39) ist Geschäftsführer der Belalp Bahnen und von Blatten Belalp Tourismus. Im Frontalinterview spricht er darüber, wie die Wintersaison bisher lief und über den Umgang mit der Lawinengefahr.

Herr Nellen, wie ist die Saison bis jetzt ­gelaufen auf der Belalp?

Sehr, sehr gut. Die Verhältnisse waren fantastisch, und wir hatten unglaublich viele Gäste. Ich bin sehr zufrieden.

Was für einen Einfluss hat das 2014 in Blatten eröffnete Reka-Dorf?

Das Reka-Dorf brachte viele neue Betten und generiert ganzjährig sehr viele Gäste, die Blatten besuchen. Vor allem die Auslastung in der Nebensaison hat sich dank des Reka-Dorfs stark verbessert. Denn die Reka-Gäste sind häufig ­Familien mit noch nicht schulpflichtigen ­Kindern, die nicht in der Hochsaison in die ­Ferien reisen.

Wie ist in der Tourismusregion Blatten Belalp das Verhältnis Winter- zu Sommersaison?

Die Bahn macht über 80 Prozent des Umsatzes im Winter. Bei der Anzahl Übernachtungsgäste liegt das Verhältnis zwei Drittel zu einem Drittel zugunsten des Winters.

Hat sich das Buchungsverhalten der Touristen verändert? Entscheiden sich heutzutage mehr Gäste kurzfristig und spontan für einen Ferienaufenthalt?

Man muss unterscheiden zwischen jenen Gästen, die eine Woche oder länger bleiben und denen, die nur kurz, beispielsweise für ein Weekend anreisen. Wer eine Woche oder länger in die Ferien will, der muss frühzeitig buchen, ansonsten findet er keinen Platz mehr. Der Tagestourismus funktioniert kurzfristig. Die Leute studieren die Wetterprognose und entscheiden dann, ob sie verreisen und wenn ja, wohin es gehen soll – natürlich dort, wo das Wetter schön ist.

Die Bergbahnen in den verschiedenen Destinationen operieren mit unterschied­lichen Preismodellen. Auf der Belalp haben Sie vor zwei Jahren das sogenannte meteo-dynamische Pricing eingeführt. Das heisst, bei schlechtem Wetter muss weniger bezahlt werden. Wie sind die Erfahrungen?

Das Modell hat sich bei uns bewährt. An jenen schlechten Tagen, wo bisher fast nichts lief, ­haben wir jetzt mehr Gäste im Gebiet. Davon profitiert auch die Gastronomie. Und wir als Bergbahnen können trotz des Rabatts immer noch einen kleinen Gewinn erwirtschaften.

Wie funktioniert das Rabattsystem genau?

Jedes der rund 30 existierenden Wettersymbole ist verknüpft mit einem bestimmten Rabatt. ­Je nach prognostiziertem Wetter, dem Zeitpunkt in der Saison und Wochentag errechnet der ­Computer automatisch den Rabatt. Wir nehmen keinen Einfluss.

Wie hoch ist der Maximalrabatt?

Maximal gibt es 50 Prozent Rabatt auf den ­Normalpreis.

«Das meteo-dynamische Pricing hat sich bewährt»

Wie sind die Reaktionen der Gäste zu dieser wetterabhängigen Tageskarte?

Ich habe durchwegs positive Feedbacks bekommen, nie eine Reklamation. Die Gäste finden das Prinzip vernünftig, dass die Preise je nach Wetter variieren. Ein Vorteil besteht darin, wenn ­jemand beispielsweise eine Woche im voraus eine Tageskarte kauft, mit Rabatt dank schlechter Wetterprognose, an besagtem Tag das Wetter trotzdem top ist, so bezahlt er nicht nachträglich mehr, sondern kann vom günstigen Preis trotzdem profitieren.

Eine Idee für die Zukunft ist eine Bahn von der Belalp hinüber zur Riederalp, was halten Sie davon?

Wir in Blatten-Belalp sind überzeugt, dass eine Verbindung für die Region gewinnbringend ist und haben ein grosses Interesse daran, dass so eine Bahn realisiert wird. Zurzeit ist in Ab­klärung, was überhaupt machbar ist.

Was für Investitionen planen Sie in Zukunft?

Das Hexenland als Winterspielplatz und idealer Bereich für Skianfänger soll vergrössert werden. Es sind weitere Förderbänder geplant, sodass in Zukunft fast doppelt so viele Kinder transportiert werden können. Zudem soll die gesamte ­Inszenierung des Hexenlandes mit weiterem Holzschmuck und Sitzgelegenheiten verschönert werden. Es sollen WCs installiert werden und mehr Spielmöglichkeiten entstehen. Um das ­Erweiterungsprojekt zu realisieren, haben wir einen Verein «Hexenland» gegründet. Dahinter stehen die Schneesportschule Belalp, die IG ­Belalp, die Burgerschaft Naters, die Belalp Bahnen AG und Blatten Belalp Tourismus.

Wie sieht der Zeitplan aus?

Die Erweiterung des Hexenlandes soll in zwei Etappen realisiert werden. Im Sommer 2019 ­sollen die Arbeiten zur Ausweitung im Aussen­bereich umgesetzt werden, sodass dieser in der Wintersaison 2019/2020 erstmals genutzt werden kann. In einer zweiten Phase wird dann die Erweiterung des Gebäudes und des Kinderhorts in Angriff genommen.

Um die Vergrösserung zu finanzieren, suchen Sie Spender?

Das Hexenland konnte bisher kostenlos genutzt werden und dies soll auch in Zukunft so bleiben. Wir hoffen, dass Leute, die vom Hexenland profitiert haben, bereit sind, zur angelaufenen Aktion etwas beizusteuern. Durch Crowdfunding hoffen wir, 250 000 Franken zusammenzubringen. Mit der Sammelaktion haben wir Ende Jahr begonnen und wir haben schon einen Drittel des Schwellen-Zielbetrags erreicht. Sie wird jetzt noch über zwei Monate andauern.

Apropos Unterstützung: In Nachbarländern der Schweiz erhalten Bergbahnen massive staat­liche Unterstützung. Wird es durch das Bergbahnengesetz jetzt auch hierzulande besser?

Mit dem Bergbahnengesetz konnte ein erster Schritt realisiert werden. Angesichts der grossen Konkurrenz aus dem Ausland hatten die Bergbahnen auf eine weiterreichende Unterstützung gehofft.

Was meinen Sie damit?

Das Bergbahnengesetz legt staatliche Unter­stützung in Form zinsloser Darlehen fest. Die Bergbahnbranche hat Á-fonds-perdu-Beiträge angestrebt.

Im Bereich der Mineralölsteuer kann der Fahrzeugpark der Bergbahnen aber auch von einem reduzierten Satz profitieren oder?

Seit zwei Jahren erhalten wir einen Teil der ­Mineralölsteuer zurück, das ist richtig. Diese Steuer dient bekanntlich dem Strassenunterhalt. Da ein Pistenfahrzeug aber bekanntlich auf Skipisten und nicht auf Autostrassen unterwegs ist, finde ich es gerechtfertigt, dass die Bahnen nicht die volle Steuer bezahlen müssen.

Wie viel sparen die Belalp Bahnen jährlich dank dieses reduzierten Mineralölsteuer­satzes ein?

Das sind rund 50 000 Franken.

Stichwort Lawinengefahr: Wie sieht die ­Lawinengefahr auf der Belalp aus an­gesichts der grossen Schneemassen?

Auf der Belalp hatten wir keine grossen Einschränkungen. Der Umgang mit der Lawinengefahr ist in der Schweiz vorbildlich. Man hat Lawinenverbauungen, verfügt über ein hervorragendes Warnsystem, führt Lawinensprengungen durch. Heute können sogar Sprengungen im Büro ferngezündet werden. Für die gesamte Zufahrtsstrasse nach Blatten inklusive Dorf können die Lawinensprengungen mittlerweile automatisch ausgelöst werden. Eine Gratlawine wie 1999 werden wir deshalb nie mehr erleben. Durch ein Radarsystem kann auch überprüft werden, ob irgendjemand im Gebiet unterwegs ist. Das jahrhundertealte Wissen der Schweiz über den Umgang mit der Lawinengefahr wurde übrigens in die Liste der Unesco für immaterielles Kulturerbe aufgenommen.

Ein Restrisiko bleibt aber, wie Zwischenfälle beweisen.

Die Menschen heute vergessen manchmal, dass Lawinen eine Naturgefahr sind und dass man nicht alles kontrollieren kann.

Ist die Risikobereitschaft gestiegen? Sind die Leute heute leichtsinniger als früher?

Nein, ich glaube nicht, dass die Leute leicht­sinniger wurden. Sie sind immer besser ­aus­gebildet, verfügen über eine immer ­bessere ­Ausrüstung; Stichwort Lawinen­verschüttetensuchgerät, Airbag. Durch die verbesserte ­Ausrüstung wird möglicherweise ein falsches ­Sicherheitsgefühl vermittelt und Schneesportler gehen dann vielleicht manchmal ein grösseres Risiko ein. Im langjährigen Schnitt haben wir in der Schweiz 23 Lawinentote pro Winter.

Am Weihnachtstag 2017 gab es auf der Belalp einen tragischen Todesfall, wo ein Tourengänger von einem Schneebrett mitgerissen wurde. Sie und Diego Wellig waren auf dieser Tour mit dabei. Manche fragen sich, wie kann so etwas passieren sozusagen unter den Augen von so erfahrenen Spezialisten?

Leider ist die Lawinengefahr eine Naturgefahr, die auch von erfahrenen Alpinisten wie uns nie vollkommen eingeschätzt werden kann. Auch die Spezialisten vom Schweizer Institut für Schnee- und Lawinenforschung Davos, die den Unfall untersucht haben, kamen zum Schluss, dass der Abriss nicht vorhersehbar war. Es ist passiert, obwohl die Lawinen­gefahr «nur» mässig eingestuft wurde. Was bleibt, ist der tragische Verlust eines guten Freundes, der viel zu früh aus unserer Mitte gerissen wurde.

Sie sind selbst auch Bergführer. Reicht eigentlich die Zeit noch für Touren?

Wenn ich Zeit finde, so bin ich privat für mich in den Bergen unterwegs.

Frank O. Salzgeber

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Infos

Zur Person

Vorname Michael
Name Nellen
Geburtsdatum 19. November 1979
Familie verheiratet, zwei Kinder
Funktion Geschäftsführer Belalp Bahnen und Blatten-Belalp Tourismus
Hobbies Klettern, Skitouren, Hochtouren

Nachgehakt

Die Bahn Belalp–Riederalp wird eines Tages realisiert werden.

Ja
Schneesportler und Tourengänger verhalten sich leichtsinniger als früher. Nein

Der Tourismus muss vom Staat mehr unterstützt werden.

Ja
Der Joker darf nur einmal gezogen werden.  

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