Frontal | Bis Ende Januar Direktor Feriendorf Fiesch, ab 1. Februar Direktor Fondation Barry
«Der Bund verpasst die Chance, einer Randregion etwas zurückzugeben»
Fiesch | Im RZ-Interview blickt Claudio Rossetti (51) zurück auf seine Zeit als Direktor des Sport Ferien Resorts Fiesch, erzählt, wie er von der französischen Polizei mit einem Greenpeace-Aktivisten verwechselt wurde und was ihn an seiner neuen Aufgabe als Direktor der Fondation Barry reizt.
Herr Rossetti, nach vier Jahren verlassen Sie Ende Januar das Sport Ferien Resort Fiesch – warum?
Vor einem Jahr erhielt ich das Angebot, die Leitung der Stiftung Barry zu übernehmen, deren Ziel es ist, die Zucht der Bernhardinerhunde zu sichern, einem Symbol der Schweiz. Das ist eine sehr spannende Aufgabe, da ich Tiere sehr liebe. Nach 20 Jahren im Logiernächtetourismus habe ich die Chance erhalten, noch mal etwas komplett Neues zu tun.
Nach dem Abzug der Armee aus dem Goms und der rückläufigen Entwicklung von Schullagern steht das Resort vor einer schwierigen Zukunft. Ist das auch ein Grund für Ihren Abgang?
Nein, es ist keine Flucht. Ich habe das Feriendorf 2011 in einem relativ schwierigen Umfeld übernommen. Die Übernachtungszahlen hatten einen Tiefstwert von 122 000 erreicht gegenüber den goldenen Zeiten, wo sie zwischen 140 000 und 150 000 lagen. Letztes Jahr brachten wir es immerhin wieder auf 129 000 Übernachtungen. Wenn man bedenkt, wie sich der Tourismus allgemein in der Schweiz und im Wallis entwickelt hat, sind dies sehr respektable Übernachtungszahlen.
Das 1962 gegründete Feriendorf Fiesch verfügt über eine Kapazität von rund 1400 Betten. Ist das nicht zu gross für einen wirtschaftlichen Betrieb?
Wir haben ein ähnliches Problem wie die Linienbusse in den Städten. Zu bestimmten Zeiten brauchen wir diese Kapazitäten. Würden wir die Bettenzahl reduzieren, so hätte dies zur Folge, dass wir in der Hochsaison Stammkunden verlieren. Um Kosten zu sparen entscheiden wir je nach Saison, wie viele Betten wir zur Verfügung stellen.
Wird in Zukunft vom Ganzjahresbetrieb auf Saisonbetrieb umgestellt werden?
Das haben wir schon im letzten Herbst gemacht. Zwischen Mitte November und Mitte Dezember hatte das Ferienresort geschlossen. Grund war der Entscheid des Militärs, im November in Fiesch keinen WK mehr durchzuführen. Es müssen nun Ideen gefunden werden, wie im kritischen Monat, dem November, wieder Übernachtungsgäste den Weg ins Feriendorf finden.
Besonderes schwierig ist aber der Sommertourismus.
Ja, leider. Im Sommer stehen wir immer mehr in Konkurrenz mit dem Mittelmeer. Der Sexappeal des Bergtourismus hat abgenommen. Wir haben deshalb versucht, unser Angebot im Sommer aufzuwerten.
Was für Projekte haben Sie realisiert?
Die Internetplattform sport.info hilft Lehrpersonen, Schullager übers Internet zu organisieren. Das Projekt «Lernarena Aletsch» soll Fiesch als Bildungsstandort für Schulen attraktiv machen. 2012 eröffneten wir einen Seilpark, der sehr gut angekommen ist. Letztes Jahr hatten wir 5000 Gäste. In Zusammenarbeit mit der Universität Lausanne haben wir das Konzept «Höhentrainingslager» entwickelt. Eine andere Idee, die man noch umsetzen könnte ist «Alpenstrand», ein Beachsoccer-Feld in Originalgrösse, das auf den jetzigen Aussenplätzen realisiert werden soll.
Sie haben auch versucht, durch eine neue Marketingstrategie das Ferienresort bekannter zu machen.
Ja, ich wollte im Marketing offensiver auftreten. Dafür habe ich 2012 auch eine ganz spezielle Werbereise unternommen. Mit einem Schlauchboot sind wir 1000 Kilometer auf dem Rhein von Basel nach Rotterdam gefahren und haben am Schluss mitgebrachtes Wasser vom Aletschgletscher in die Nordsee gegossen, um symbolisch den Kreis zur Quelle des Wassers zu schliessen.
Auf der Reise wurden Sie von der französischen Polizei angehalten, was sogar dem «Blick» eine Schlagzeile wert war.
Unser Schlauchboot wurden beim Kernkraftwerk Fessenheim von der französischen Polizei angehalten, weil sie uns mit Greenpeace-Aktivisten verwechselt hatten.
Wurden Sie verhaftet?
Nein, wir wurden befragt, die Pässe und das Boot wurden kontrolliert. Der Irrtum konnte schnell aufgeklärt werden, so dass wir nach einer halben Stunde weiterfahren durften.
Die gewünschte Publicity haben Sie erhalten.
(lächelt) Ja, es hätte uns nichts Besseres passieren können.
Sind in nächster Zeit auch Investitionen im Feriendorf geplant?
Das Hallenbad muss dringend saniert werden. Die Gesamtkosten werden mit rund sechs Millionen Franken veranschlagt. Da dieser Betrag nicht auf einmal zu stemmen ist, müssen die Arbeiten auf mehrere Jahre verteilt werden. Die erste Etappe wird voraussichtlich 2016/17 in Angriff genommen werden. Das ist ein Hauptproblem des Feriendorfs: Aus dem Cashflow können wir den Unterhalt decken, grössere Investitionsprojekte wie das Hallenbad übersteigen aber unsere Möglichkeiten. Wir sind darauf angewiesen, dass uns der Kanton, die Gemeinde Fiesch aber auch die umliegenden Gemeinden in der Region finanziell unterstützen. Es ist ja auch ein Infrastrukturprojekt, das der gesamten Region zugute kommt.
Wann ist Ihre Arbeit in Fiesch definitiv abgeschlossen?
Das ist ein stufenweiser Prozess. Ich habe vom Verwaltungsrat das Mandat, bestimmte Projekte noch über den Januar hinaus zu Ende zu führen. Da ist etwa das Höhentrainingslager, das ich noch begleiten werde. Die walisische Rugby-Nationalmannschaft wird im Sommer zu Gast sein. Dazu werde ich noch bis Ende Jahr Ansprechspartner für den Markt Luxemburg bleiben. Dann werde ich die Kandidatur Schneesportzentrum Aletsch-Goms bis zum Ende leiten.
Wie ist der Stand der Dinge bei der Vergabe des nationalen Schneesportzentrums?
Zuerst vorneweg: Positiv ist, dass bei der Kandidatur die gesamte Region gut zusammengearbeitet hat und wir sehr viele neue Kunden gewinnen konnten, die durch die Kandidatur auf unser Resort aufmerksam wurden. Nach der Vorauswahl ist Goms-Aletsch weiterhin dabei. Bei der Evaluation haben die Kandidaturen der Lenzerheide und Andermatt am besten abgeschlossen. Im Juni 2015 soll die endgültige Entscheidung fallen.
Wie schätzen Sie die Chancen ein?
Ich dachte immer, unser grosses Plus sei die Tatsache, dass es uns schon gibt, die Infrastruktur und Erfahrung da ist, wir sozusagen sofort loslegen könnten und bloss Investitionskosten von 12 Millionen Franken notwendig wären. Zum Vergleich: Die Lenzerheide rechnet mit 70 Millionen. In Gesprächen mit den Verantwortlichen habe ich aber herausgespürt: Die wollen lieber etwas Neues. Ob 10 oder 70 Millionen investiert werden müssen, spielt eigentlich keine grosse Rolle, wenn der Bund sich einmal für einen Standort entschieden hat. Deshalb glaube ich, dass die Oberwalliser Chancen sehr schlecht stehen. Schade. Der Bund verpasst die Chance, einer Randregion etwas zurückzugeben, nachdem das Militär sich aus dem Goms zurückgezogen hat. Ein weiteres Problem ist: Wenn wir nicht gewählt werden, haben wir nicht nur kein Schneesportzentrum, sondern einen neuen Konkurrenten, der im selben Feld tätig ist.
Falls das Goms leer ausgeht, hat Bundesrat Ueli Maurer Kompensation in Aussicht gestellt.
Meine Hoffnung ist, dass die Schneesportlager geografisch aufgeteilt werden. Alle Schullager aus der Romandie könnten in Fiesch durchgeführt werden.
Im Februar treten Sie die Nachfolge von Rudolf Thomann an, der die Fondation Barry gegründet hat. Sie treten in sehr grosse Fusstapfen.
Das bin ich gewöhnt. In Fiesch war Herbert Volken mein Vorgänger, der ja die Persönlichkeit ist im Goms. Direkt hat man es mir nicht gesagt, aber es gab damals schon Stimmen die sagten: «Braucht es einen Tessiner, um das Feriendorf zu leiten. Können wir das nicht selber tun?» Mit Rudolf Thomann von der Fondation Barry habe ich in den vergangenen sechs Monaten schon sehr gute Gespräche geführt. Aber ich bin mir bewusst, dass es eine grosse Herausforderung wird, seine Nachfolge anzutreten. Thomann hat die Stiftung gegründet, er hatte die Idee, die Bernhardinerhunde zu retten und stellte die Finanzierung sicher. Die Fondation Barry zählt 40 Mitarbeiter und hat mit sieben Millionen Franken heute einen ähnlichen Jahresumsatz wie das Ferienresort Fiesch mit 70 Mitarbeitern.
Haben Sie schon Ideen oder Aufträge, die Sie bei der Fondation Barry realisieren wollen?
Vom Verwaltungsrat der Stiftung Barry habe ich die Aufgabe erhalten, das 2014 neu übernommene Bernhardinermuseum in Martinach zu integrieren. Mit dem Projekt «Barryland» will man innerhalb des Museums noch mehr Angebote für Familien und Kinder schaffen. Dann müssen wir andere sinnvolle Tätigkeiten für die Bernhardinerhunde finden. Heutzutage hat er seine Aufgabe als Rettungshund verloren. Ich denke, dass die Bernhardiner im Gesundheitswesen, im Sozialen, in Altersheimen und in Schulen wertvolle Dienste leisten können.
Frank O. Salzgeber
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