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«Das Tempo auf dem Markt ist schneller als unsere Anpassungsfähigkeit»

Berno Stoffel, Vize-Präsident der Walliser Bergbahnen
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Berno Stoffel, Vize-Präsident der Walliser Bergbahnen
Foto: RZ

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Quelle: RZ 1

In seiner Funktion als Vizepräsident der Walliser Bergbahnen ist Berno Stoffel (46) gefordert. Die Branche serbelt und die Zukunftsaussichten sind alles andere als positiv.

Herr Stoffel, was für eine Wintersaison erwarten Sie für die Walliser Bergbahnen?

Die Parameter sind nicht gerade positiv. Aufgrund der Währungssituation gehen wir von einem Rückgang bei den Logiernächten von 5 Prozent aus. Etwa den gleichen Rückgang erwarten wir bei den Frequenzen der Bergbahnen. Statistiken zeigen: Schwächt sich der Euro um ein Prozent ab, so sinken die Logiernächte gleichzeitig um ein halbes Prozent. Bei guten Schneeverhältnissen und schönen Wetterperioden kann der Winter jedoch besser ausfallen.

Wo sehen Sie die Wettbewerbsfähigkeit der Walliser Bergbahnen gegenüber den ausländischen Mitbewerbern?

Da müssen wir drei Kategorien unterscheiden. Auf der einen Seite haben wir Topunternehmen wie Zermatt und Verbier. Beide gehören international zu den Besten und brauchen den Vergleich nicht zu scheuen. Dann haben wir mittlere Unternehmen wie beispielsweise die Aletsch Arena oder die Saas-Fee Bergbahnen, die ein gutes Produkt anbieten. Drittens gibt es noch kleine und mittlere Unternehmen, die nicht klar positioniert sind. Sie werden in Zukunft Schwierigkeiten haben auf dem hart umkämpften Markt. Zum Vergleich: Im Wallis kann zurzeit 35 Prozent der Pistenfläche künstlich beschneit werden. In Graubünden sind es 40 Prozent und in Tirol und Südtirol 75 und mehr Prozent. Diese Zahlen sprechen eine deutliche Sprache.

Kann dieser Rückstand in Jahren beziffert werden?

Ja, ich denke circa zehn Jahre. Um das Ganze zu verdeutlichen, gebe ich folgendes Beispiel: Ohne Zermatt und Verbier erwirtschaften die Walliser Bergbahnen zusammen einen jährlichen Cashflow von 50 Millionen Franken. Demgegenüber stehen Schulden von insgesamt 430 Millionen Franken und ein Nachholbedarf bei Investitionen in Bahnen und Schneianlagen von einer Milliarde Franken. Die Unternehmen sind also gezwungen zu amortisieren. Für grosse Investitionen fehlt das Geld.

Nach dem Ist-Zustand kommen wir jetzt zu den Problemzonen. Stichwort Verkehrsanbindung: Im Vergleich zum Ausland gibt es bei uns mit Abstrichen kaum Bergbahnen, welche vom Talgrund aus über eine direkte Anbindung verfügen. Stichwort Bahnhof Brig...

Das sehe ich anders. Unsere Bergbahnen sind vom Talgrund aus gut erschlossen. Bei uns ist der Gast vom Tal aus in einer halben Stunde auf 2000 Metern. Das ist europäische Spitze.

Wenn die Anbindung europäische spitze ist, wieso klagen Sie denn über mangelnde Frequenzen?

Die Anbindung ist nicht der Hauptgrund für die sinkenden Frequenzen. Der grosse Teil unserer Frequenzen generieren wir nicht von regionalen Gästen aus dem Tal, sondern von übernachtenden Gästen vor Ort. Das Problem ist aber, dass es in Europa immer weniger Skifahrer gibt. Entsprechend wirkt sich das negativ auf die Frequenzen aus.

Weniger Skifahrer und gleichzeitg steigende Abopreise. Oder anders gesagt: Immer weniger Skifahrer bezahlen immer mehr für die Skipässe. Wo sehen Sie den Punkt, an welchem dieses Spiel nicht mehr funktioniert?

Der Referenzpreis für eine Tageskarte für Gäste liegt bei 55 Franken für ein mittelgrosses Skigebiet. Unsere mittleren Skigebiete sind alle in dieser Preisspanne. Aufgrund des Wechselkurses haben wir praktisch keine Luft mehr nach oben. Zu erwähnen ist aber auch, dass auf diese Wintersaison hin kein Oberwalliser Skigebiet die Preise für die Tageskarte erhöht hat.

Bleiben wir bei der Preispolitik. RZ-Recherchen ergeben folgendes Bild: Pro hundert Franken Skipass erhält der Gast im Ausland eine durchschnittliche Förderleistung von 32 000 Personen. Im Wallis ist es nicht einmal die Hälfte. Was sagen Sie dazu?

Seit 2009 ist die Schweiz ohne Preisaufschläge allein wegem des Währungskurses um 60 Prozent teurer geworden. Unsere mittleren Skigebiete sind mit dem aktuellen Eurokurs teurer als österreichische Topstationen. Dort kostet die teuerste Tageskarte rund 50 Euro. Damit verbunden ist die Preissensitivität bei den Kunden, welche klar gestiegen ist. Das wirkt sich negativ aus. Bei den Preisen haben wir nach oben gesehen nur noch sehr wenig Spielraum.

Hinzu kommt die Qualität der Bahnen als solche. Moderne Seilbahnsysteme wie 8er-Sesseln, 10er-Gondeln, beheizte Sessel, 3S-Bahnen usw. sucht man im Wallis im Gegensatz zu den Nachbarländern praktisch vergebens…

Beheizte Sessel finde ich wegen der Energieeffizienz sehr bedenklich. Aber es stimmt, dass wir nicht überall moderne Bahnen anbieten können. Andere Länder haben ganz andere Finanzierungsmöglichkeiten. Dort werden Bahnprojekte von 30 bis sogar 80 Prozent staatlich subventioniert. Im Wallis wurde bis heute noch kein einziger Franken an Subventionen für Bergbahnprojekte gesprochen. In anderen Kantonen wie im Kanton Waadt werden Investitionen in Bergbahnen bis zu 75 Prozent durch die öffentliche Hand unterstützt. Die Politik hat mittlerweile auch im Kanton Wallis einen Schritt gemacht und den Tourismusfonds (dieser ist nicht nur ausschliesslich für Bergbahnen vorgesehen, Anm. der Redaktion) ins Leben gerufen. Das ist ein erster guter Schritt.

Diesen wollte ich gerade ansprechen. Das Gesetz steht, hingegen harzt es bei der Erarbeitung des entsprechenden Reglements. Dieses ist aber wichtig, um die Spielregeln zu definieren, sprich wie die Ausschüttung der Gelder geregelt wird. Besteht so nicht die Gefahr, dass sich gewisse Protagonisten oder Insider in der Zwischenzeit das Geld klammheimlich untereinander für ihre Projekte aufteilen?

Nein, auf keinen Fall, das wäre ja schon fast kriminell. Ich habe 100 Prozent Vertrauen in die öffentlichen Institutionen. Gleichzeitig möchte ich aber auch erwähnen, dass wir den Fonds selbstverständlich begrüssen. Die gesprochenen jährlichen 15 Mil­lio­nen Franken sind aber angesichts der notwendigen Investitionen zu wenig.

Reden wir nun über das Sommergeschäft. Dort drückt der Schuh erst recht. Das sogenannte themenorientierte Erlebnisangebot wird bei uns im Vergleich zum Ausland stiefmütterlich behandelt. Hat man den Trend bei uns noch nicht erkannt?

Um dies anzukurbeln, braucht es eine scharfe Positionierung. Man muss klar wissen, welches Zielpublikum man ansprechen will, bevor man hier ein entsprechendes Produkt entwickeln kann. Man will es oft noch allen Gästen recht machen. Erste gute Projekte sind aber bereits umgesetzt wie der Flow-Trail in Leukerbad. Erschwerend kommt hinzu, dass die Entscheidungsprozesse und Bewilligungsverfahren hierzulande für solche Erlebnisangebote viel zu lange dauern. Hier müssen alle an Tempo zulegen. Die Politik muss die Bewilligungsprozesse zwingend vereinfachen und entschlacken. Während wir uns noch mit solchen grundsätzlichen Fragestellungen beschäftigen, sind unsere Nachbarn bereits in der Realisierungsphase.

Ein bekannter Tourismusfachmann thematisiert, dass der global zunehmende Ausflugsverkehr bei uns ungenügend ausgebaut ist. Er fordert Massnahmen. So weit, so gut. Der Verlierer dabei sind die Übernachtungen. Was für flankierende Massnahmen können ergriffen werden, damit beim notwendigen Zusammenspiel zwischen Bergbahn/Übernachtung Letztere nicht als Verliererin dasteht?

Für den Ausflugstourismus ist die öffentliche Erschliessung zwingend notwendig. Die Zustände auf der Simplonpassstrasse sind eine Katastrophe und ein Bus kann noch nicht durch den Furkatunnel transportiert werden. Der deutsche ICE hält in Interlaken Ost statt in Brig. Hinzu kommt der Flugplatz Sitten: zu lange wurde auf die Armee gesetzt, statt ihn touristisch erfolgreich zu positionieren. Zum Glück wird die Autobahn im nächsten Jahrzehnt realisiert. Die Verkehrserschliessung ist also alles andere als tourismusfreundlich. Jetzt zur Ihrer Frage: Bergbahnen und Übernachtungsanbieter müssen strukturell viel besser zusammenarbeiten und entsprechende «Packages» erarbeiten und auch vermarkten. Es gibt hier bereits erfolgreiche Produkte wie beispielsweise der Bürgerpass im Saastal oder die Grächen Goldcard. Dies ist erst der Anfang. Ich bin überzeugt, dass in Zukunft hier noch neue Geschäftsmodelle entstehen werden. Zudem ist eine Zunahme des Ausflugstourismus nicht gleichbedeutend mit einer Abnahme der übernachtenden Gästen, da es sich um zwei unterschiedliche Gästesegmente handelt. Zumal die übernachtenden Gäste oftmals auch in den Genuss von verschiedenen Aktionen wie beispielsweise Gäste-karten kommen.

Warum tun sich denn die Bergbahnen und die Hoteliers so schwer in der Zusammenarbeit?

Die Tourismusanbieter in den einzelnen Destinationen sind immer noch viel zu klein strukturiert. Während sich die Bergbahnen in fast allen Destinationen zu einer Gesellschaft zusammengeschlossen haben, herrschen in der Hotellerie immer noch sehr kleine Strukturen vor. Dies schafft Ungleichgewichte in Destinationen, welche eine Zusammenarbeit erschwert. Hinzu kommt eine weit verbreitete Missgunst-Kultur. Gleichzeitig ergeben sich grosse Nachteile in der Angebotsgestaltung, im Verkauf und in der Vermarktung. Hier ist wichtig, dass wir uns dem Markt, sprich dem Gast anpassen, und nicht umgekehrt – und zwar schnell. Das Tempo auf dem Markt ist schneller als unsere Anpassungsfähigkeit. Wir brauchen neue «erfolgsgönnende» Businessmodelle innerhalb der Hotellerie, auch in Zusammenarbeit mit den Bergbahnen nach dem Motto: Zusammen sind wir stärker.

Peter Abgottspon

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Infos

Zur Person

Vorname Berno
Name Stoffel
Geburtsdatum 13. November 1969
Familie verheiratet, ein Sohn
Beruf Direktor Touristische Unternehmung Grächen
Funktion Vizepräsident Walliser Bergbahnen
Hobbies Ski fahren, Wandern, Natur geniessen

Nachgehakt

Die Walliser Bergbahnen brauchen den Vergleich mit dem Ausland nicht zu scheuen. Nein
Mein Lieblingsskigebiet ist Grächen Ja
Meine Skiferien verbringe ich ausschliesslich 
in der Schweiz.
Ja
Der Joker darf nur einmal gezogen werden.  

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Kommentare

  • Echo vom Berg - 50

    ...auf Deutsch übersetzt heißt das also, dass neben Zermatt und Verbier die Lage für die übrigen Walliser Bergbahnen von suboptimal bis hoffnungslos reicht...

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