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«Das Stechfest in Aproz ist für die Züchter wie ein Cupfinal»
Eveline Bayard (50) ist die neue Präsidentin der Ringkuhfreunde Oberwallis. Im RZ-Frontal spricht sie über die Rivalität zwischen Welschen und Oberwallisern im und am Ring und die Vorfreude auf das Nationale Stechfest in Aproz.
Frau Bayard, in knapp einem Monat steht das Nationale Stechfest in Aproz an. Hat sich ein Tier von Ihnen für das grosse Finale qualifiziert?
Nein, leider hat sich kein Tier für das Nationale Stechfest qualifiziert. Aber ich bin auch nicht enttäuscht. Unsere Kühe haben sehr gut gestochen, aber für das Nationale hat es dieses Jahr einfach nicht gereicht.
Werden Sie das Nationale Stechfest in Aproz trotzdem besuchen?
Selbstverständlich. Ich bin sehr interessiert an den Ringkuhkämpfen und das Nationale ist natürlich der Saisonhöhepunkt. In den letzten 30 Jahren habe ich nicht viele Stechfeste in Aproz verpasst.
Mit anderen Worten: Was für den Fussballfan der Cupfinal ist für Sie das Nationale Stechfest in Aproz?
Das kann man so sagen. Ich schaue zwar auch sehr gerne Fussballspiele, aber die Stechfeste faszinieren mich noch mehr.
Das Stechfest in Aproz sorgt ja mittlerweile schweizweit für grosses Interesse. Begrüssen Sie diesen Hype um die Eringerszene?
Ich habe es besser gefunden, als das Stechfinale nur auf kantonaler Ebene durchgeführt wurde. Es ist zwar interessant, dass jetzt auch Eringerkühe in der West- und Deutschschweiz gehalten werden. Ich bin aber der Meinung, dass die Eringerkühe ins Wallis gehören.
Ist da zwischen den Zeilen eine gewisse Missgunst herauszuhören?
Nein, wir haben auch viele Deutschschweizer Mitglieder in unserem Verband. Das wertet das Ganze auf. Aber die Tiere gehören ins Wallis.
Aber würde das die Walliser Ringkuhseele kränken, wenn ein «Üsserschwiizer» die Königin stellen würde?
Ich gönne jedem Züchter diesen Erfolg. Wenn man die Arbeit in Betracht zieht, die eine Eringerzucht mit sich bringt, hat das jeder Züchter verdient.
Nicht nur Tiere aus der Schweiz, auch aus dem nahegelegenen Ausland sind Kühe und Rinder in Aproz zugelassen. Begrüssen Sie diese Regel?
Nein. Ich finde es schlecht, dass die Tiere, die an diesem Stechfest zugelassen sind, vorher zwei Wochen in Quarantäne gehalten werden. Das ist der Wettkampf nicht wert.
«Ausländische Tiere haben am Nationalen nichts verloren»
Aus Eringerkreisen sind auch Stimmen zu vernehmen, wonach trotz Quarantäne die Gefahr besteht, dass die ausländischen Tiere Krankheiten einschleppen können. Teilen Sie diese Befürchtung?
Das ist durchaus möglich. Aber durch die Quarantäne sollte diese Gefahr eigentlich gebannt werden. Trotzdem bin ich der Meinung, dass ausländische Tiere an diesem Wettkampf nichts verloren haben, auch wenn sie in einer eigenen Kategorie starten.
In den letzten Jahren hat die Vermarktung des Festes innerhalb der Eringerszene zu grossen Meinungsverschiedenheiten geführt. Wie stehen Sie dazu?
Darüber mag man geteilter Meinung sein. Tatsache ist, dass dieses Spektakel für das touristische Wallis sehr wichtig ist und eine grosse Bedeutung hat. Das Stechfest-Finale hat sich in den letzten Jahren enorm entwickelt und auch das Zuschauerinteresse ist gestiegen. Das ist auch für die Eringerszene wichtig.
Aber sind VIP-Lounges für Gönner und Sponsoren der passende Rahmen für einen Ringkuhkampf?
Ich finde es richtig, dass Gönner und Sponsoren eingeladen und verpflegt werden. Ob es dafür an einem Stechfest einen solchen Rahmen braucht, sei dahingestellt. Ich bin der Meinung, dass im ganzen Kontext der Züchter zu kurz kommt. Das heisst, in erster Linie sollte der Züchter mit seinem Tier im Mittelpunkt stehen und dafür auch entsprechend entschädigt werden.
In den vergangenen drei Jahren kam die Königin der Königinnen aus dem Oberwallis. Haben die Oberwalliser Züchter demnach die besseren Tiere als ihre welchen Kollegen?
Sagen wir es so, die Zucht der vergangenen Jahre macht sich jetzt im Ring bemerkbar. Es kommt sicher nicht von ungefähr, dass auch Oberwalliser Tiere in Aproz mithalten können. Das ist das Resultat von harter Arbeit, die Oberwalliser Züchter in den letzten Jahren geleistet haben.
Ist das für Sie auch eine gewisse Genugtuung? Ein Oberwalliser Sieg in Aproz wird ja von den Welschen nicht gerne gesehen…
Natürlich gibt es im und ausserhalb des Rings eine gewisse Rivalität. Das ist auch eine Mentalitätsfrage. Letztlich ist es aber egal, ob ein gutes Tier aus dem oberen oder unteren Kantonsteil kommt. Wenn es im Ring seine Leistung bringt, soll das Tier auch den Kampf gewinnen.
Das tönt alles schön und gut. Trotzdem muss man festhalten, dass Fairness auch in der Eringerszene nicht wirklich gelebt wird. Buhrufe und Pfeifkonzerte sind auch am Nationalen gang und gäbe…
Ich finde es schade, dass die Rivalität der beiden Sprachregionen im Ring zum Tragen kommt. Wie gesagt, der Arbeitsaufwand für die Zucht ist enorm. Und vor diesem Hintergrund ist es nicht fair, einen Züchter mit Buhrufen oder Pfiffen blosszustellen.
«Der Züchter mit seinem Tier sollte am Stechfest im Mittelpunkt stehen»
Aber Hand aufs Herz: Als Präsidentin der Ringkuhfreunde Oberwallis schlägt Ihr Herz doch ein bisschen mehr für die Oberwalliser Züchter und ihre Tiere?
Ja klar. Ich komme aus dem Oberwallis und entsprechend fiebere ich mehr mit den Züchtern aus der Region mit. Aber ich habe auch viele Jahre im Unterwallis gewohnt und habe heute noch gute Kontakte. Nichtsdestotrotz freue ich mich, wenn ein Oberwalliser Züchter mit seinem Tier gewinnt.
Wagen Sie eine Prognose: Kommt die «Reine des Reines» auch dieses Jahr aus dem Oberwallis?
Das ist schwer zu sagen. Ich hoffe natürlich, dass die Königin auch dieses Jahr aus dem Oberwallis kommt. Aber neben der guten Tagesform braucht es auch ein Quäntchen Glück, um das Nationale in Aproz zu gewinnen.
Nicht nur im Ring, auch im Eringerzuchtverband kommt es ab und an zu Spannungen zwischen Welsch- und Deutschwallisern. Wie erleben Sie diese Differenzen?
Auch wenn wir zahlenmässig gegenüber unseren welschen Kollegen untervertreten sind, versuchen wir, konstruktiv miteinander zu arbeiten. Das heisst, wir gehen die Probleme gemeinsam an und versuchen, eine Lösung zu finden, die allen gerecht wird. Auch wenn das nicht immer ganz einfach ist.
«Ich hoffe, dass die Königin auch dieses Jahr aus dem Oberwallis kommt»
Sie wurden im Februar zur ersten Präsidentin der Ringkuhfreunde Oberwallis gewählt. Um im Jargon der Eringerfreunde zu bleiben: War die Wahl ein Punktsieg oder ein gewonnener «Stuch»?
Wie in jedem anderen Verein ist es nicht immer ganz einfach, das Präsidium zu besetzen. Und nach dem Tod von René Zurbriggen war das Präsidentenamt vakant. Darum habe ich mich für die Wahl zur Verfügung gestellt und wurde vom Verein gewählt.
Würde bringt Bürde: Was dürfen die Ringkuhfreunde Oberwallis von Ihnen erwarten?
Ich hoffe, die Arbeit zur Zufriedenheit des Vereins auszuführen. Ein wichtiges Anliegen ist mir, dass der Schweizerische Eringerviehzuchtverband künftig in beiden Sprachen kommuniziert. Das heisst, dass Entscheidungen oder Weisungen sowohl in Französisch als auch in Deutsch mitgeteilt werden. Dadurch hoffen wir, viele Unklarheiten oder Differenzen auszuräumen.
Sind Sie eine Frau der leisen Töne oder können Sie mitunter auch mal auf den Tisch schlagen?
Ich bin von meinem Naturell her eher ein bisschen zurückhaltend. Aber wenns drauf ankommt, kann ich mich auch durchsetzen. Aber meine Meinung im und ausserhalb des Vereins wird akzeptiert und ich fühle mich in den Eringerkreisen gut aufgehoben.
Die Ringkuhfreunde Oberwallis zählen rund 500 Mitglieder und haben allein in diesem Jahr zwölf Neueintritte zu verzeichnen. Wie erklären Sie sich diesen Zulauf?
Nicht nur die Eringerszene an sich, vor allem auch unser Verein hat einen sehr guten kollegialen Zusammenhalt. Das erleben wir auch immer wieder auf unserem Jahresausflug. Auch an den Stechfesten steht das kollegiale Zusammensein im Vordergrund. Das macht es letztendlich auch aus.
Vor allem junge Züchter lassen sich mehr und mehr von den schwarzen Kühen begeistern…
…weil es mehr ist als einfach nur Landwirtschaft. Die Arbeit mit den Tieren macht Spass und an den Stechfesten kommt noch eine gewisse Wettkampfstimmung hinzu. Das ist der besondere Reiz. Der Eringervirus wird vielfach von Vater zu Sohn übertragen. Dazu kommt die Kollegialität in der Szene und der Austausch unter seinesgleichen.
Seit 30 Jahren halten Sie zusammen mit Ihrem Mann Eringer und sind jetzt Präsidentin der Ringkuhfreunde. Wie lange bleiben Sie der Eringerszene erhalten?
Ich hoffe noch viele Jahre. Mir sind die Tiere ans Herz gewachsen und die Arbeit macht mir grossen Spass. Wie lange ich Präsidentin der Ringkuhfreunde bleibe, wird sich zeigen.
Walter Bellwald
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