Frontal | Skilehrer
«Das Matterhorn gefällt mir besser als die Chinesische Mauer»
Zermatt | Zermatt/Urumqi Li YuanLiang (30) ist einer von acht Chinesen, die in der Schweiz als Skilehrer arbeiten. Im RZ-Frontalinterview spricht er über seine Eindrücke von Zermatt, was er an der Schweiz mag und warum ihm das Essen bei uns nicht schmeckt.
Wie war Ihr Tag heute auf den Pisten von Zermatt?
Es war perfekt, das Wetter war sehr gut. Und ich habe einen chinesischen Gast unterrichtet.
Sie sind seit vergangenem Dezember in Zermatt als Skilehrer tätig. Wie gefällt Ihnen diese Arbeit?
Die Arbeit auf den Pisten gefällt mir sehr gut. Ich liebe den Kontakt mit Menschen und es gefällt mir zudem ausgezeichnet, hier in dieser schönen Bergwelt zu arbeiten.
Sind Sie jeden Tag als Skilehrer auf der Piste?
Über die Weihnachtsfeiertage stand ich regelmässig im Einsatz. Zwischendurch hatte ich etwas Pause, aber jetzt in den Sportferien bin ich wieder gut gebucht.
Wie verbringen Sie Ihre Freizeit in Zermatt, wenn Sie gerade nicht als Skilehrer unterrichten?
Ich bin auch in meiner Freizeit viel und oft auf den Pisten anzutreffen, da ich leidenschaftlich gerne Skifahre. Dann geniesse ich das herrliche Winterwetter und das schöne Panorama.
Sie unterrichten nicht nur als Skilehrer, sondern sind auch in der Ausbildung. Sind die Zermatter Skilehrer strenge Lehrer?
Nein, im Gegenteil. Sie sind sehr freundlich und aufgestellt. Ich lerne viel von ihnen. Vor allem Pulverschnee- und Buckelpistenfahren, aber auch verschiedene Kurzschwung-Variationen. Es ist nicht immer ganz einfach, die richtigen Techniken zu lernen.
Sie kommen aus Urumqi, einer Millionen-Stadt in China...
Urumqi ist die grösste Stadt in der nordwestchinesischen Provinz Xinjiang und zählt rund drei Millionen Einwohner. Das ist nicht vergleichbar mit den Städten in der Schweiz.
Wie sind Sie überhaupt dazu gekommen, Skifahren zu lernen?
Mein Onkel hat mich in den Ferien in die Berge mitgenommen. Wir hatten zwar nur altes Material zur Verfügung, aber es hat trotzdem Spass gemacht. Ein Pferd hat uns immer den Hang hinaufgezogen, den wir anschliessend wieder hinuntergefahren sind. Die Pisten waren aber nicht präpariert und wir mussten unsere ersten Schwünge im Tiefschnee ziehen. Das war alles andere als einfach.
Bevor Sie als Skilehrer in die Schweiz gekommen sind, wurden Sie bei einem Casting in Peking ausgewählt. Erzählen Sie...
Mein ehemaliger Arbeitgeber, ein Italiener, der in China arbeitet, hat sehr gute Beziehungen zu Schweiz Tourismus in China. Eines Tages wurde er angerufen, um mögliche Skilehrer für den Trip in die Schweiz zu rekrutieren. Da hat er mich gefragt, ob das etwas für mich wäre. Daraufhin habe ich zugesagt.
Wie ist das Casting abgelaufen?
Wir waren zwanzig Kandidaten, die sich zum Casting angemeldet haben. Arsène Page, der bei Swiss Snowsports arbeitet, ist daraufhin nach China gereist, um einen Augenschein von unserem fahrerischen Können zu nehmen. Schliesslich wurden die besten acht Fahrer in die Schweiz eingeladen. Und ich gehörte dazu.
Was kannten Sie von der Schweiz, bevor Sie hierher gekommen sind?
Ich wusste einzig, dass die Schweiz im Zentrum der Alpen eingebettet ist. Auch die Schweizer Schokolade, der Käse und die Taschenmesser sind in China bekannt. Die üblichen Klischees halt.
Die Schweiz zählt acht Millionen Einwohner, China dagegen hat über 1,35 Milliarden Einwohner. Gibt es noch andere wichtige Unterschiede?
Die Schweiz hat einen sehr hohen Lebensstandard, unabhängig davon, ob man auf dem Land oder in der Stadt lebt. In China dagegen ist der Unterschied sehr gross. Während in den grossen Städten wie Beijing, Shanghai oder Shenyang ein hoher Lebensstandard herrscht, leben die Menschen auf dem Land in Armut. In Urumqi, wo ich herkomme, herrscht ein mittelmässiger Standard.
Sie sind schon vor einem Jahr zum erstenmal in die Schweiz gekommen. Wie haben Sie die Ankunft bei uns erlebt?
Die Umgebung ist hier sehr sauber und schön. Und die Leute sind sehr freundlich. Aber das Essen ist nicht so gut (lacht). Wir lieben in China vor allem Reis und Nudeln, aber hier gibt es vor allem Kartoffeln in allen Variationen. Kartoffeln gehören in China zum Gemüse. Und ich mag kein Gemüse. Aber gegenüber meinen chinesischen Landsleuten bin ich das Essen im Westen gewohnt. Wenn ich etwas an der Schweiz aussetzen müsste, dann ist es klar das Essen. Aber die Leute sind nett und das Skifahren gefällt mir sehr gut.
Und was gefällt Ihnen am besten in Zermatt? Das Panorama, die Frauen oder das Nachtleben?
Die Berge sind wunderschön, das Nachtleben ist toll und die Frauen speziell. Das heisst, es ist nicht einfach eine Frau näher kennen zu lernen, weil die kulturellen und sprachlichen Unterschiede doch recht gross sind. Das würde Probleme geben. Wenn man in einer Beziehung nicht in der Muttersprache kommunizieren kann, führt das unweigerlich zu Schwierigkeiten.
Aber rein vom äusserlichen gefallen Ihnen die Frauen hier in der Schweiz?
Ja, es gibt viele nette Frauen und Mädchen. Einige sind sehr schön, andere weniger. Egal ob blond, braun, rot oder schwarz – es gibt überall hübsche Mädchen. Aber ich habe eine Freundin, die jetzt bei mir in Zermatt wohnt. Darum muss ich nicht nach anderen Mädchen Ausschau halten (lacht).
Hand aufs Herz: Was beeindruckt Sie am meisten in Zermatt?
Ganz klar die Berge. Allen voran das Matterhorn. Von meinem Zuhause aus habe ich einen wunderbaren Blick darauf.
Würde es Sie reizen, das Matterhorn einmal zu besteigen?
Nicht unbedingt. Einerseits ist es mir zu riskant und andererseits ist es zu teuer. (Skischulleiter Ralph Schmidhalter wirft ein, die Besteigung koste knapp 1000 Franken. Li YuanLiang ist erstaunt.) 1000 Franken? Nicht mehr? Bei uns in China kostet die Besteigung der Berge, die über 3000 Meter sind, viel mehr, weil der Staat eine Bewilligung dafür geben muss.
Gibt es etwas in Zermatt, das Ihnen weniger gefällt?
Zermatt ist teuer. Darum gehe ich nicht soviel in den Ausgang.
Wie reagieren die Gäste auf einen chinesischen Skilehrer in der Schweiz?
Die Reaktionen fallen meistens sehr positiv aus. Einige Leute sprechen mich darauf an, wieso ich hier arbeite und wie ich hierher gekommen bin. Dann erkläre ich ihnen, dass ich auf Einladung von Schweiz Tourismus in Zermatt arbeite.
Haben Sie auch schon Kontakte zu Einheimischen abseits der Piste geknüpft?
Ich kenne einige Landsleute, die im «China Garden» arbeiten. Aber auch anderweitig habe ich einige Leute kennengelernt, mit denen ich mich gut verstehe. Die Leute sind sehr freundlich und sprechen auch gut Englisch. Von daher ist es einfach, Kontakte zu knüpfen und mich zu verständigen. In China sagt man einem Fremden nicht einfach «Hallo». Aber hier ist das gang und gäbe. (Ralph Schmidhalter meldet sich zu Wort und sagt, dass Li YuanLiang sehr offen gegenüber der westlichen Kultur ist und darum schnell Kontakte knüpft.)
Sprechen Sie schon ein wenig Deutsch?
(spricht langsam) Ich spreche ein bisschen Deutsch.
Sie sind jetzt zwei Monate in der Schweiz. Plagt Sie manchmal das Heimweh?
Wir feiern das chinesische Neujahr und daheim werden jetzt Vorbereitungen darauf getroffen. Das vermisse ich ein wenig. Aber meine Freundin ist vor drei Wochen in die Schweiz gereist und lebt jetzt bei mir in Zermatt. Das erleichtert natürlich einiges. Letztes Jahr war ich alleine in Zermatt. Da war es schwieriger.
Sie bleiben noch bis Ende März in Zermatt. Wie gehts danach weiter?
Ich habe noch keinen Plan. Ich muss mich noch mit meiner Freundin beraten, was wir machen. Aber mit dem Geld, das ich hier in Zermatt verdiene, kann ich in China ein paar Monate problemlos leben.
Kommen Sie im nächsten Winter wieder zurück in die Schweiz?
Ich kann es noch nicht sagen. Die chinesische Regierung muss ihr Einverständnis geben und Schweiz Tourismus muss die Einladung erneuern.
Was für Gedanken und Impressionen nehmen Sie mit nach Hause?
Ich nehme nur gute Erinnerungen mit nach Hause.
Geschenke?
Letztes Jahr habe ich ein original Schweizer Taschenmesser mitgenommen. Dieses Jahr werde ich ein Stück Schweizer Käse mitnehmen – und Snus (lacht).
Walter Bellwald
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