Frontal | Designierter Nationalrat Thomas Egger
«Brauchen nicht unbedingt mehr Subventionen»
Ab dem Sommer vertritt Thomas Egger (49) das Wallis als Nationalrat. Er spricht über die touristische Zukunft des Wallis, Sonnenkollektoren in den Rebbergen und das bessere Verständnis zwischen beiden Kantonsteilen.
Herr Egger, Roberto Schmidt ist Staatsrat und Sie werden ab dem Sommer sein Nachfolger als Nationalrat. Das Bundeshaus ist Ihnen ja als Lobbyist bestens bekannt. Nun aber wechseln Sie die Seite…
(lacht). Jeder Parlamentarier ist gleichzeitig auch Interessenvertreter. Nur konnte ich bis jetzt (als Direktor der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete Anm. Red.) lediglich im Hintergrund arbeiten und für die Interessen der Bergregionen kämpfen. Als Nationalrat kann ich nun direkten Einfluss nehmen. Eine neue Qualität der Arbeit also, um die Interessen der Berggebiete und des Wallis in die Bundespolitik einfliessen zu lassen.
Reden wir über diese Interessen. Sie wurden medial auch schon als «Mister Berggebiete»
betitelt. Diese Regionen kommen immer mehr unter Druck. Beispielsweise im Bereich Service public. Was unternehmen Sie dagegen?
Bis jetzt war ich lediglich Botschafter für unsere Anliegen, neu kann ich diese selbst einbringen. Der Nationalrat ist von den Städten dominiert. Im Ständerat sieht es anders aus. So hat sich die kleine Kammer beim Thema Finanzausgleich immer für uns eingesetzt. Der Nationalrat hat hierbei eine eher urbane Haltung. Mein Ziel wird sein, Allianzen zu bilden, um gemeinsam für die Bergregionen zu arbeiten.
«Wir können nur mit Allianzen etwas verändern»
Hand aufs Herz. Das tönt gut. Aber viele Vorgänger von Ihnen wollten das auch schon. Wie soll gerade Ihnen das gelingen?
Da mache ich mir nichts vor. Thomas Egger alleine wird es nicht schaffen. Ich konnte in den letzten Jahren viele nützliche Kontakte knüpfen und konnte viele einflussreiche Personen für unsere Anliegen gewinnen. Das werde ich versuchen, konsequent weiterzuführen. Wir können nur mit Allianzen etwas verändern.
Ein solches Anliegen wird zweifellos das Thema Wasser sein. Es wird immer trockener,
die Gletscher schmelzen. Es gibt Stimmen, die den Vorschlag von Fotovoltaikanlagen
in nicht mehr bewirtschafteten Rebparzellen einbringen. Was halten Sie von dieser Idee?
Vor dem Hintergrund, dass es im Jahre 2100 fast keine Gletscher mehr gibt, tönt der Vorschlag gut. Nur bitte nicht in den Reben. Der Weinbau generiert im Wallis immer noch die grösste Wertschöpfung in der Landwirtschaft.
Wenn die Idee gut ist, wo soll es denn solche geben?
Auf den Häusern und wie beispielsweise im Goms an Lawinenverbauungen.
Nicht selten scheitern solche Ideen aber oft an den hohen bürokratischen Hürden. Stichwort Bewilligungsverfahren?
Das stimmt. Wir brauchen kürzere Verfahren. Ein Beispiel. Ein Bewilligungsverfahren für den Bau einer Starkstromleitung dauert zwischen acht und zwölf Jahren. Das ist viel zu lange. Da braucht es klare Fristen und Richtlinien, damit diese schneller bearbeitet werden. Darum setze ich mich auch für den Abbau von Bürokratie ein. Die Berggebiete brauchen nicht unbedingt mehr Subventionen, sondern eine Lockerung des zu engen «Korsetts», welches uns vieles erschwert oder gar verunmöglicht.
Beispiel?
92 Prozent des Gebiets der Gemeinde Blatten im Lötschental steht unter Schutz. Dort kann weder ein Kleinwasserkraftwerk noch sonst irgendetwas realisiert werden. Da ist eben das von mir angesprochene «Korsett» viel zu eng.
Wenn Sie in Bundesbern auf einen solchen Missstand aufmerksam machen; wird das ernst genommen?
Auf Stufe Parlament ja, auf Stufe Verwaltung nein. Hier stellt man sich immer hinter irgendein Gesetz. Hier muss das Parlament klar Druck ausüben auf die Verwaltung.
Ich stelle fest, als Vertreter der CSP stehen Sie der FDP sehr nahe. Abbau von Bürokratie hat sich eigentlich der Freisinn auf die Stirne geschrieben…
(lacht) Es stimmt, dass ich in vielen Bereichen eine liberale Haltung habe. Aber auf nationaler Ebene setzt sich die FDP zu wenig für die Berggebiete ein.
«Unser <Korsett> muss gelockert werden»
Bleiben wir noch beim Thema Wasser. Sie sagen, die Gletscher schmelzen. Der einzige Walliser «Bodenschatz» wird immer weniger. Was also ist zu tun?
Gehen die Gletscher zurück, nehmen die Nutzungskonflikte zu. Kunstschnee, Trinkwasserknappheit, Bewässerung für die Landwirtschaft, usw. Darum muss bereits heute ein Umdenken stattfinden. So könnten Stauseen zu multifunktionalen Speichern umfunktioniert werden. Dann kann das Wasser auch als Trink- und Bewässerungswasser genutzt werden.
Sie sprechen Kunstschnee an. Wie sieht unter diesen Umständen für Sie der künftige Walliser Tourismus aus?
Der Klimawandel kann auch eine Chance sein. Wenn es im Mittelmeerraum in Zukunft zu heiss wird, so ist das für uns eine Möglichkeit, die Gäste zu uns in die kühleren Gefilde zu holen. Oder der Klimawandel und gerade das Abschmelzen der Gletscher kann dem Gast mit interaktiven Angeboten nähergebracht werden. Es braucht auch hier ein Umdenken, damit wir für die Zukunft gerüstet sind und Alternativen anbieten können. Auch beim Thema Nebel im Unterland und der Sonne bei uns sehe ich eine Chance. «Kommt zu uns an die Sonne, liebe Unterländer» könnte ein möglicher Werbeslogan lauten.
Jetzt stelle ich fest, dass Sie nebst der FDP auch den Grünen sehr nahe stehen…
(lacht wieder) Ich nehme es gleich vorneweg. Sozial bin ich auch noch eingestellt und kämpfe deshalb u. a. für eine starke Grundversorgung. Übrigens gibt es zum Thema Tourismus und Wirtschaft auf Bundesebene aktuell einen weiteren wichtigen Punkt.
Welchen?
Die weiteren Reformschritte bei der Raumplanungspolitik.
Klingt technisch…
Da geht es unter anderem um die geplante Verschärfung der Lex Koller. Der Bundesrat will, dass der Kauf von gewerblichen Immobilien durch Personen im Ausland auch bewilligungspflichtig wird. Darunter fallen Hotels, Kurhäuser, Bergbahnen usw. Wir leiden bereits unter der Zweitwohnungsinitiative und nun kommt das hinzu. Das wäre der absolute Hammerschlag fürs Wallis. Wir kämpfen deshalb bereits jetzt im Rahmen der laufenden Vernehmlassung vehement dagegen. Auch hier gilt wieder: Allianzen müssen geschmiedet werden, um gemeinsam zum Ziel zu kommen.
«Zwei Oberwalliser Staatsräte sind wichtig»
Sie setzen sich für bessere Rahmenbedingungen ein. Dazu gehört auch die Erreichbarkeit. Reden wir dabei über den Grimseltunnel. (Hängt vom Entscheid der nationalen Netzgesellschaft Swissgrid zur allfälligen Erdverlegung der Hochspannungsleitungen durch die Grimsel. Anm Red.). Wie stehen Sie dazu?
Das Goms durchlebt eine wirtschaftlich harte Zeit. Eine weitere Verbesserung der Erreichbarkeit ist demnach absolut zu begrüssen und kann für das Goms eine grosse Chance sein. Es gibt sehr gute Beispiele von Bahnstrecken, bei welchen es gelungen ist, neue Potenziale im Tourismus zu schaffen. So der Lötschberger auf der alten Bergstrecke und die Vinschgaubahn in Südtirol.
Es gibt Stimmen, die einen Strassentunnel befürworten. Ein solcher berge ein weitaus höheres wirtschaftliches Potenzial, heisst es. Nur würden keine vergleichbaren Zahlen Kosten/Nutzen Bahn- oder Strassentunnel vorliegen…
In Kürze organisieren wir eine Tagung in Brig zum Thema Tourismus und öffentlicher Verkehr. Dabei sprechen wir auch über den Grimseltunnel. Ich nehme diesen Punkt gerne auf und lasse ihn anlässlich der Tagung einfliessen.
Sie sprechen die schwierige Situation des Goms an. Stichwort Abwanderung und Ungleichgewicht zwischen der Tal- und Bergregion. Kann das wieder ausgeglichen werden?
Dieser Trend ist leider schwer aufzuhalten. Die Bevölkerung zieht immer mehr in die Zentren im Talgrund. Die Bundespolitik fördert dies zusätzlich. Hier müssen wir seitens der Politik auf Bundesebene Gegensteuer geben und spezifische Massnahmen für die Berggemeinden fordern. Wir brauchen auch in den Berggemeinden Arbeitsplätze und eine gute Grundversorgung. Ein kleines Beispiel: Der Ärztetarif Tarmed ist heute so ausgestaltet, dass es für Hausärzte nicht attraktiv ist, sich in einer Bergregion niederzulassen. Das muss dringend korrigiert werden. Eine andere Tendenz könnte bildlich mit «Drehung der Achsen» umschrieben werden. Früher war das Wallis ost-west-orientiert. Die Geschäfte wurden in Sitten erledigt. Seit der Eröffnung des Lötschbergbasistunnels haben sich die Achsen gedreht. Das Oberwallis ist noch viel stärker als früher nach Norden, Richtung Bern, orientiert. Dies stellt längerfristig eine Herausforderung für den Zusammenhalt des Kantons dar. Die Unterwalliser Bevölkerungsmehrheit ist gut beraten, das Oberwallis ernst zu nehmen und nicht zu vernachlässigen. Deshalb ist es auch wichtig, dass das Oberwallis im Staatsrat weiterhin mit zwei Sitzen vertreten ist.
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