Region | Mentaltrainer ist überzeugt
«98 Prozent können wir mit mentaler Stärke herausholen»
Er arbeitet als Mentaltrainer mit vielen Spitzensportlern zusammen und treibt sie zu Höchstleistungen. Andreas Salzmann erklärt, wie mentale Stärke funktioniert.
Andreas Salzmann, wie stark sind Sie mental?
Ich denke schon, dass ich mental stark bin. Schliesslich beschäftige ich mich permanent mit diesem Thema, berate Menschen in den Bereichen Sport, Business und Schule. Bereits im frühen Jugendalter wird ja jeder von uns auf mentale Stärke getestet.
Inwiefern?
Egal ob man Sportler oder Schüler ist, ob man voll im Business steckt. Unter Leistungsdruck sind wir alle. Ich habe in allen drei Bereichen meine Erfahrungen gemacht. Nach einer Verletzung im Eishockey musste ich meinen Traum, Profispieler zu werden, früh an den Nagel hängen. Eine professionelle Karriere im Eishockey war ausser Reichweite geraten. Dieser Schnitt brachte für mich auch eine grosse mentale Belastung, da meine eigene kleine Welt plötzlich eine ganz andere geworden war. Später im Studium zum diplomierten Elektroingenieur (FH) oder dann im Business musste ich noch viel klarer lernen, mit Leistungsdruck umzugehen. Die persönliche Leistung genau dann abzurufen, wenn sie erforderlich ist, prägt mich noch heute.
Sie sind CEO eines Unternehmens in der Energiebranche und arbeiten auch als Mentaltrainer. Was ist Mentaltraining eigentlich?
Im Mentaltraining geht es darum, das vorhandene Potenzial der mentalen Stärke besser zu nutzen. Denn mentale Stärke ist eine Fähigkeit, die trainiert werden kann. Man lernt u.a. Gedanken bewusst zu steuern, auch in Krisensituationen Emotionen zu kontrollieren, unter erschwerten Bedingungen oder Druck durchzuhalten und trotzdem souverän zu handeln. Weiter ist es enorm wichtig, sich richtig zu ernähren und die essenziellen Vitalstoffe zu sich zu nehmen. Die Kombination von mentaler Stärke und richtiger Ernährung hilft, zum Zeitpunkt X parat zu sein. Egal ob in Sport, Business oder Schule.
Kann Mentaltraining mit jedem angewendet werden?
Grundsätzlich ja, jedoch muss der eigene Wille, etwas verändern zu wollen, zwingend vorhanden sein. Wie bei jedem anderen Training auch muss man es wollen. Sich nur die Theorie anzuhören und dann zu meinen, man werde mental stärker, funktioniert nicht. Ich kann ja auch nicht in den Kraftraum gehen, keine Hantel stemmen und meinen, ich werde stärker. Emotionen reagieren wie Muskeln, je mehr ich trainiere, umso zuverlässiger und stärker werden sie.
In Zusammenhang mit Mentaltraining spricht man oft nur über Sport. Sie haben jedoch auch Business und Schule erwähnt. Wie funktioniert dort mentale Stärke?
Mentaltraining kann in allen Bereichen helfen. Als Mentaltrainer betreue ich derzeit auch Studenten, die zum Beispiel unter Konzentrationsschwäche oder Prüfungsangst leiden. Berufsleute profitieren vom Stressmanagement oder der Burn-out-Vorbeugung. Dies wird in Unternehmungen immer ernster genommen. Denn ob jemand vor 200 Leuten ein Referat halten oder jemand eine mündliche Matura-Prüfung absolvieren muss, der Druck ist genauso gross wie bei einem Sportler in einem Finale. Bessere mentale Stärke kann also in unterschiedlichen Bereichen und Situationen enorm helfen.
Ist Mentaltraining im Trend?
Für mich ist der Trend noch viel zu wenig stark. Das hat oft mit der falschen Auffassung von Mentaltraining zu tun. Ich nenne ein Beispiel: Nach einem Referat in der Visper Sportschule rief mich die Mutter eines Sportlers an und sagte, ihrem Sohn habe der Workshop gefallen, doch er habe gesagt, für ihn sei das nichts, denn er sei sowohl in der Schule wie auch im Sport gut. Aber nicht nur Kinder sind oft der Meinung, nur wer Probleme habe, gehe zu einem Mentaltrainer. Auch für viele Erwachsene ist der Gang zum Mentaltrainer ein Zeichen von Schwäche. Das stimmt so überhaupt nicht. Ich fragte mal eine Olympiasiegerin sehr provokativ, arbeitest du mental? Sie schaute mich verdutzt an und sagte mir, das sei das Wichtigste. Trotzdem sind wir noch nicht so weit wie in anderen Ländern.
Wie sehr kann denn mentale Stärke die eigene Leistung beeinflussen?
Bei einer Umfrage wurden Olympiasieger und Weltmeister in der Leichtathletik gefragt, wie gross der prozentuale Anteil ihrer mentalen Stärke beim Gewinn der Goldmedaille gewesen sei. Sie antworteten mit bis zu 98 Prozent. Grundsätzlich gilt, je höher die Ausgeglichenheit des Leistungsniveaus, umso höher ist der mentale Einfluss.
98 Prozent im mentalen Aspekt herauszuholen ist aber gar hoch.
Ja, das ist es, aber stellen Sie sich den 100-Meter-Final in der Leichtathletik vor. In einem Finale ist jeder Läufer auf der Startlinie extrem stark. Kaum einer qualifiziert sich zufällig für einen Final-
lauf auf diesem Niveau. Ist das Leistungsniveau so ausgeglichen, geht es praktisch nur noch um die mentalen Komponenten. Wie ist mein idealer Leistungszustand, wie ist die Anspannung und zugleich die Lockerheit, damit ich im richtigen Zeitpunkt und dennoch explosiv aus den Startpflöcken komme? Es spielt sich dann sehr viel mental ab.
Welche Sportler betreuen Sie zurzeit als Mentaltrainer?
Ich betreue mehrere Eishockeyspieler aus der höchsten und zweithöchsten Eishockeyliga der Schweiz sowie viele Spieler aus dem Nachwuchsbereich. Hinzu kommen vereinzelt Fussballspieler, Eiskunstläuferinnen, Kampfsportler oder Skifahrer bis hin zum Casting-Sport. Aktuell betreue ich eine Schwimmerin, welche ich auf die nächsten Olympischen Spiele vorbereiten darf.
Was haben Sie für Erfahrungen gemacht mit Mentaltrainings?
Eine für mich wertvolle Erfahrung machte ich vor einem Jahr im Eishockey. Es hat sich gezeigt, dass, wenn der Trainer und die gesamte Mannschaft das gleiche Wissen über mentale Tricks haben, einiges möglich ist. Nach neun Spielen stand das Team, welches ich mental begleiten durfte, überraschend an der Tabellenspitze. Doch dann machte die Mannschaft einen Fehler.
Welchen?
Der Traumstart des Underdogs begeisterte auf einmal selbst die nationalen Medienhäuser, sodass zahlreiche Reporter über den Klub berichteten. Es waren ja erst neun Spiele gespielt, die Saison dauerte noch lange. Durch den ganzen Medienrummel verlor das Team dann mehr und mehr den Fokus auf das Wesentliche, nämlich auf die Leistung auf dem Eis. Das kompakte Gefüge wurde gestört. Plötzlich war der Fokus mancher Spieler nur noch auf den Sieg oder den persönlichen Erfolg gerichtet. Der Sieg ist jedoch nur die Folge einer bestmöglichen Leistung jedes Einzelnen.
Was führte zum mentalen Erfolg in den ersten neun Spielen?
Der Trainer und die Spieler haben es geschafft, mit Freude und Spass im «Hier und Jetzt» Eishockey zu spielen. Denn Denken, Fühlen und Handeln sind nur in der Gegenwart möglich. Es gibt Tricks, die einem helfen, sich innerhalb von Sekunden zu fokussieren. Dies wurde unter anderem in einen oder dem anderen Time-out bewiesen. Spiele wurden nach Time-outs noch gedreht und gewonnen.
Was ist das Hauptproblem in der Denkweise der Spitzensportler?
Den Fokus während des gesamten Spiels aufrechterhalten zu können. Wenn ein Eishockeyspieler gedanklich in der Zukunft ist und denkt, was passiert bei meinem nächsten Einsatz, hoffentlich kriegen wir den Ausgleich nicht mehr oder hoffentlich mache ich keinen Fehler, dann ist er mental enorm gefährdet. Dasselbe gilt für die Vergangenheit: Studiere ich einem Fehler nach, den ich begangen habe, dann kann ich nicht Eishockey spielen. Der Fokus muss im «Hier und Jetzt» sein. Ein häufiges Zitat in der Presse nach den unterschiedlichsten Spielen ist, dass das Spiel im Kopf verloren wurde oder man mental nicht bereit gewesen sei.
Was empfehlen Sie dabei?
Es gibt Techniken und Tricks, die man gezielt trainieren kann. Dazu gibt es ein gutes Beispiel.
Erzählen Sie.
Beim HC Davos betreute ich einen Spieler, der von HCD-Trainer Del Curto zu den Junioren verbannt wurde. Er war sehr enttäuscht. Und dann passierte ihm bei einem Spiel mit den Junioren ein grober Fehler, weshalb ihn der Trainer zusammenstauchte. Das Spiel war für ihn gelaufen. In diesem Spiel ging gar nichts mehr. Die Fehlpässe häuften sich, sein Spiel wurde schlechter und er fand aus dieser Negativspirale nicht mehr heraus. Anschliessend besprach ich mit ihm diese Situation und erinnerte ihn an das Gelernte. Wissen und Umsetzen ist eben nicht immer leicht.
Was passierte dann?
Er musste vorübergehend bei den Junioren bleiben und einige Tage später wiederholte sich das Szenario. Wieder ein Fehlpass bei den Junioren und wieder der Trainer, der ihn anschrie. Diesmal blieb er jedoch ruhig und spielte ein tolles Spiel zu Ende. Nach dem Match fragte der Trainer, was nun heute genau passiert sei. Der Spieler sagte ihm bloss, er arbeite an sich.
Andreas Salzmann, als Geschäftsführer eines Unternehmens im Kanton Zug arbeiten Sie 100 Prozent. Wann bleibt eigentlich Zeit für mentales Training?
Ich arbeite mit meinen Kunden zwischendurch. Nach der Arbeit oder an den Wochenenden. Es ist für mich keine Belastung. Es bereitet mir viel Spass, mit motivierten und ambitionierten jungen Leuten zusammenzuarbeiten.
Wie wird man eigentlich Mentaltrainer?
Ich machte nebenberuflich eine Ausbildung zum Hypnosetherapeuten und wollte mich vor allem auf Sporthypnose ausrichten. Dabei lernte ich Rinaldo Manferdini kennen, der für mich einer der besten Mentaltrainer der Schweiz ist. Er hat mir geraten, neben der Sporthypnose noch den Lehrgang Mentaltrainer und Sporternährungsberater zu besuchen. Mentaltraining, Sporthypnose und Ernährung sind nun meine wirkungsvollen Werkzeuge.
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