Zermatt Unplugged | JulDem aus Siders will über die Landesgrenzen hinaus auftreten können
«Wir sind einfach gut, wirklich»
JulDem, als Siderser bist du hier am Unplugged quasi Lokalmatador. Was bedeuten dir die Konzerte hier in Zermatt?
«Jedes Konzert bedeutet mir gleich viel. Was hier besonders ist, ist das Ambiente. Die Berge, das wunderschöne Wetter heute. Und wir hatten die Gelegenheit, die Taste Village Bühne zu eröffnen. Das war cool!»
Deine Musik hat Einflüsse aus Soul, Rap und Reggae, betitelt wirst du oft als Singer-Songwriter. Wie definierst du deine Musik?
«Puuh, was soll ich dazu sagen? Die Basis ist am ehesten Pop und Soul. Dazu kommen je nach Lied Nuancen von Reggae, ein bisschen Rap oder Rock. Bis jetzt. Ich suche mich noch, überlege, in welche Richtung ich gehen möchte. Auch, um den nächsten Schritt zu wagen. Auf den nächsten Songs habe ich mich schon ein bisschen mehr gefunden.»
Du sprichst Deutsch und Französisch, singst aber auf Englisch. Wieso?
«Auf Deutsch und Französisch habe ich einen starken Akzent. (lacht) Auf der Bühne klingt das schrecklich. Das habe ich auch schon probiert. Mir fehlt in beiden Sprachen ein wirklich gutes Vokabular, um schöne Texte schreiben zu können. Schliesslich hat das auch mit Respekt vor der jeweiligen Sprache zu tun. Auf Englisch singe ich, weil man mir immer gesagt hat, dass man kein Spezialist sein muss, um gute und verständliche Texte zu schreiben. Ausserdem ist die Chance, mit englischen Texten international auftreten zu können, deutlich grösser. Und aus der Schweiz herauszukommen ist mein Ziel.»
Deine Musik ist friedlich. Was macht dich wütend?
«Ich habe Mühe mit dem System, in dem wir leben. Aber wütend zu sein, ist langfristig auch keine Lösung.»
Du sprichst die Systemkritik an, die oft Thema deiner Lieder ist. Wie sähe deine perfekte Welt aus?
«Ich denke nicht, dass es eine perfekte Welt gibt. Aber 2019 müssen wir langsam aber sicher Alternativen finden zu einigen Sachen, die schlecht laufen. In zehn Jahren hat unsere Generation das Sagen, das sollten wir nutzen. Einiges läuft ganz okay, anderes macht die Menschheit kaputt.»
Wo siehst du konkret Handlungsbedarf?
«Im Schulsystem vor allem, das man anders angehen müsste. Ich spreche viel mit Jugendlichen, die keinen Grund sehen, die Schule zu besuchen. Wir sollten mehr auf Selbstentfaltung und Spiritualität setzen, menschliche Werte wieder in den Vordergrund stellen. Ich fände es cool, den Kindern ab der dritten Klasse keine Noten mehr zu geben und sie stattdessen individueller zu fördern.»
Gibt es auch andere Sachen, die du kritisierst?
«Es gibt im Endeffekt so viele toxische Sachen für die Menschen und ich habe nicht das Gefühl, dass wir wirklich leben. Die Konzeption des Lebens, wie man sie uns gibt, ist von mir aus gesehen kein Leben. Deswegen möchte ich auch Künstler werden, um mein Leben selbst definieren zu können und es zu leben wie ich möchte. Das sollte eigentlich jeder Mensch machen können.»
Du möchtest aus den gesellschaftlichen Regeln ausbrechen?
«Total. Wer hat denn die Regeln gesetzt? Wer ist das? Wer weiss, was wichtig und richtig für sich ist und dabei niemandem schadet, sollte vom Leben profitieren können und die Welt entdecken. Sonst sehe ich kein Ziel im Leben. Wenn ich zur Arbeit gehe, sehe ich, dass alle gestresst herumlaufen. Das kann es doch auch nicht sein.»
Die Musik ist für dich also nicht nur Job, sondern primär Lebensinhalt und Selbsterfüllung?
«Ja, sicher. So kann ich Menschen erreichen und vielleicht auch zu Veränderungen beitragen.»
Du warst im Finale von SRF3 Best Talent, unter anderem mit der Rapperin KT Gorique aus Sitten. Wie schätzt du die Walliser Musikszene ein?
«Wir sind einfach gut, wirklich. Aber Kultur wird grundsätzlich zu wenig gefördert. Erst, wenn man es aus Eigenantrieb geschafft hat. Das ist schade, weil viele talentierte Musiker schon vorher aufhören. Das wäre ein anderer Punkt, den ich künftig anpacken möchte. Jugendlichen eine Chance bieten. Denn diese haben zwar Motivation, aber kein Geld, um professionelle Aufnahmen zu bezahlen. Ich würde gerne ein Studio aufbauen, um ihnen die Gelegenheit zu bieten. Auch Wettbewerbe organisieren. Das ist vor allem ein Problem der Westschweiz, in der Deutschschweiz gibt es viel mehr Möglichkeiten, sich zu präsentieren.»
Den Wettbewerb SRF3 Best Talent hat schliesslich Marius Bear gewonnen. Konntest du trotzdem etwas mitnehmen?
«Ich habe alles gewonnen, wirklich. Vor vier Monaten stand ich am absoluten Nullpunkt, hatte gerade erst meine erste EP veröffentlicht. Ich bin als Walliser mit der ersten Veröffentlichung unter die besten drei beim SRF3 Best Talent gekommen, das hätte auch erst in zwei, drei Jahren passieren können. Ich habe überhaupt nicht damit gerechnet, den Wettbewerb zu gewinnen, dafür bin ich noch nicht lange genug dabei und habe noch keine genug grosse Anhängerschaft, die mich zu solchen Erfolgen tragen könnte. KT Gorique reisst mit ihrer Energie einfach alles ab. Und Marius Bear habe ich gesehen, der ist schon länger dabei und macht richtig gute Musik. Ich gönne ihm diesen Erfolg.»
Du hast noch Auftritte am Mittwoch und Donnerstag. Was kann das Publikum von dir erwarten?
«Etwa das Gleiche wie heute. (lacht) Ich habe mich noch nicht einmal informiert, auf welchen Bühnen ich noch spiele. Aber ich freue mich auf jeden Fall sehr auf die kommenden Tage!»
awo
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