Gesundheitspolitik | Walliser Ärztegesellschaft bekämpft einheitlichen Kostenteiler zwischen Kantonen und Krankenkassen
Wird das Problem der Gesundheitskosten falsch angegangen?
Wallis | Um Kosten von jährlich einer Milliarde Franken zu sparen, befürworten in der Branche gewichtige Akteure die «einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Gesundheitsleistungen», kurz EFAS. Kritik kommt jedoch von der Walliser Ärztegesellschaft. EFAS habe keine Auswirkung auf die Kosten. Stattdessen gefährde die Vorlage im Endeffekt sogar die freie ärztliche Tätigkeit, warnt die VSÄG.
Wer zahlt, wenn ich mich
beim Hausarzt oder im Spital behandeln lasse? Diese Frage ist heute so geregelt, dass die Krankenkassen für ambulante Leistungen zu 100 Prozent aufkommen (abzüglich Franchise und Selbstbehalt der Patienten). Erfolgt die Behandlung jedoch stationär, teilen sich Krankenkassen (45 Prozent) und Kanton (55 Prozent) die Kosten auf.
Nun sei es allerdings so, dass gewisse Spitäler, Kliniken und Ärzte Behandlungen aufgrund des höheren Tarifs zum Teil stationär durchführten, obwohl diese auch ambulant möglich seien, sagt Monique Lehky Hagen, Präsidentin der VSÄG. Ein klassischer Fehlanreiz, der insbesondere im Bereich von privat und halbprivat versicherten Patienten zum Tragen komme.
Da sich die Kantone und die Grundversicherung seit der «neuen Spitalfinanzierung» von 2012 auch an diesen Kosten beteiligen müssen, habe dies zu einem Kostenschub geführt.
Kostenneutraler
Systemwechsel
Ausgemerzt werden soll der
Fehlanreiz mit der einheitlichen Finanzierung von ambulanten und stationären Gesundheitsleistungen EFAS. Das Gesetz, das soeben aus der Vernehmlassung kommt, sieht vor, dass die Kantone bei beiden Behandlungsarten 25,5 Prozent der Kosten übernehmen (ausgenommen die Langzeitpflege). Somit könnte es Kantonen und Krankenkassen aus betriebswirtschaftlicher Sicht in Zukunft egal sein, wie viele Behandlungen stationär und wie viele ambulant erfolgen. Bis zu einer Milliarde Franken könne damit pro Jahr gespart werden; für Krankenkassen und Kantone erfolge der Systemwechsel kostenneutral, erklären die Befürworter von EFAS. Und von diesen gibt es einige. Neben den beiden Krankenkassen-Dachverbänden santésuisse und curafutura zählen etwa auch der Ärzteverband FMH oder die Patientenorganisation SPO zu ihnen.
Allerdings sind der Vorlage auch Gegner erwachsen. So etwa die Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren GDK oder die Walliser Ärztegesellschaft VSÄG. Mit Verweis auf das Nullsummenspiel zwischen Versicherern und Kantonen bezweifeln sie, dass durch EFAS Kosten gespart und Prämien gesenkt werden könnten. EFAS ändere zwar das Finanzierungssystem, beseitige aber nicht den Fehlanreiz. Schliesslich seien es die medizinischen Leistungserbringer und nicht der Kanton oder die Krankenkassen, welche entscheiden, ob ein Patient ambulant oder stationär behandelt wird.
Mehr noch: Werde EFAS umgesetzt, führe dies im Endeffekt zu administrativen Mehrkosten und gar zur Bedrohung des Berufsstands von niedergelassenen Hausärzten und Spezialisten, nimmt VSÄG-Präsidentin Lehky Hagen das Ende ihrer «Beweiskette» vorweg.
EFAS bringe Hausärzte
in Bedrängnis
Mit EFAS würden die Kantone als neue Teilzahler des ambulanten Bereichs auch bei den nicht stationären Behandlungen viel mehr steuern und mitreden wollen, glaubt sie. Will heissen: Aus Lehky Hagens Sicht würden die Behörden ihre eigenen Spitäler gegenüber den Walliser Hausärzten noch mehr bevorzugen, als sie dies jetzt bereits täten. «Das duale System von öffentlichen Spitälern und privater Arzttätigkeit gerät damit in Gefahr. Es droht eine Verstaatlichung und Monopolisierung des gesamten Gesundheitswesens.» EFAS animiere die Kantone dazu, die Spitalambulatorien zu vergrössern – und die liberale Hausarzttätigkeit mittels gesetzlichen Bestimmungen und Einschränkungen zurückzudrängen. Bereits heute würden die Walliser Hausärzte mit einem Taxpunktwert von 82 Rappen gegenüber dem spitalambulanten Taxpunkt von 87 Rappen «massiv benachteiligt und betriebswirtschaftlich nicht korrekt entschädigt», sagt die Medizinerin. Würde das Spitalambulatorium durch EFAS nochmals zusätzlich bevorzugt, führt dies gemäss Lehky Hagen im Endeffekt zu einem Anstieg der Gesundheitskosten. Dies, weil der Mangel an Hausärzten dann noch kritischer werde und die Patienten zur Behandlung noch öfter ins Spital müssten. Zudem müssten die Gemeinden allfällige Nachfolger einer Hausarztpraxis wegen des zu tiefen Taxpunktwerts vermehrt mit Subventionen locken, damit diese überhaupt noch ins Wallis kämen.
Einheitliche Tarife statt
einheitlicher Kostenteiler
Der Ansatz der Ärztepräsidentin
ist deshalb ein anderer. Auch
die VSÄG sei für eine Verein-
heitlichung der Finanzierung. Allerdings nicht in Bezug auf
den Teiler zwischen Krankenkassen und Kanton, sondern mit Blick auf eine einheitliche Tarifierung. «Für den Erhalt eines funktionierenden dualen und kosteneffizienten Gesundheitssystems müssten endlich zumindest gleiche Bedingungen für ambulante und spitalambulante Behandlungen geschaffen werden.» Schliesslich sei es bewiesen, dass eine gut funktionierende Grundversorgung Spitalaufenthalte verhindern und damit Kosten senken könne.
Für sie heisst das, dass der Taxpunkt der Walliser Hausärz-te zumindest jenem im Spital
angepasst werden müsste – wie dies auch mehreren Bundes-
gerichtsurteilen zu entnehmen sei. Zwar könne dies zu einem
Anstieg der monatlichen Prämie von maximal 6.10 Franken führen, sagt sie. Allerdings käme
dies die öffentliche Hand und
damit die Bevölkerung immer noch günstiger zu stehen als
die Alternative: noch weniger Hausärzte und der Verlust der dezentralen Grundversorgung mit gleichzeitigem Ausbau der Spitalambulatorien.pac
«Es droht eine Verstaatlichung und Monopolisierung des gesamten Gesundheitswesens»
Monique Lehky Hagen
Präsidentin VSÄG
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