Walliser im Ausland | Walburga Baur-Stadler berichtet aus Südkalifornien
«Wenn es in Südkalifornien regnet...»
Seit 17 Jahren lebt Walburga Baur-Stadler in Südkalifornien. Sie ist im Wallis aufgewachsen und seitdem hat es sie in alle Himmelsrichtungen verschlagen. Auf 1815.ch berichtet Baur-Stadler heute über die Trockenheit an ihrem Wohnort und darüber, wie der seltene Regen den Alltag schlagartig auf den Kopf stellen kann.
Walburga Baur-Stadler (wbaur@roadrunner.com) hat sich nach zahlreichen Auslandserfahrungen vor 17 Jahren in Südkalifornien niedergelassen, ausserhalb von Los Angeles, am Fuss der San Gabriel Berge. Ihre Zeit widmet sie ihrem Garten, dem Malen und Singen.
Auf 1815.ch berichtet sie in loser Reihenfolge über ihr Leben im Land der unbegrenzten Möglichkeiten:
«In meinem Gärtnertagebuch steht: ,Erster Regen seit 6 Monaten, und das grad nachdem wir das Schwimmbad aufgefüllt hatten!' Wenn es regnet in Südkalifornien steht oft die Welt still. Auf jeden Fall auf der Autobahn. Nach sechs Monaten hat sich auf dem Asphalt so allerhand an Öl und Staub gesammelt und wirkt nun wie Schmierseife. Es hat zehnmal mehr Unfälle als an einem normalen Tag.
Es ist natürlich auch nicht so, dass es nur so niedlich rieseln würde. Wenn schon, dann kommt es gleich kübelweise! Diesmal auch bei uns Zuhause. Spät am Abend höre ich es vom Esszimmer her tropfen. Ziemlich in der Ecke hat es schon grosse Wasserflecken an der Decke. Nachdem wir Plastik auf dem Boden ausgebreitet und zwei Kübel unterstellt haben, stossen wir auch noch ein Loch in die Decke und jetzt rinnt es fortwährend.
Am anderen Tag rufe ich den Dachdecker an. Die junge Dame am Telefon ist sehr nett, sagt aber, sie seien so voll beschäftigt, dass vor einem Monat niemand auch nur für einen Kostenvoranschlag vorbeischauen könne. Offensichtlich sind wir nicht die einzigen, die seit gestern gemerkt haben, dass sie ein Leck im Dach haben. Dass dafür die Bäume und Sträucher im Garten plötzlich viel grüner, ja sogar glänzend sind, ist mir nur ein kleiner Trost.
Was tun die Menschen wenn es regnet? Die meisten haben keinen Schirm und eilen mit Zeitung, Aktenmappe oder was auch immer über dem Kopf vom Parkplatz zum Ziel oder zurück zum Auto. Die Mallehrerin sagt, sie habe keine Gelegenheit gehabt, für uns Kopien für das nächste Sujet machen zu lassen, denn jedes Mal wenn sie zum Fotokopierladen wollte, hätte es grad wieder angefangen zu regnen. Und der Chor, in dem ich singe, sagt die Probe ab. Wir haben Mitglieder, die bei schönem Wetter mehr als eine Stunde fahren müssen. Bei Regen würde sich die Zeit wohl grad verdoppeln, und das ist dann doch zu viel des Guten.
Bevor die Dachdecker kommen können, braust erneut ein Sturm über Südkalifornien. Im Tagebuch steht: 'Stärkste Regenfälle seit 80 Jahren. Auf den Bergen schneit es.' Wir müssen während 48 Stunden ununterbrochen Wasser aus dem Schwimmbad ablaufen lassen, weil es sonst überlaufen würde. An den Hängen, die letztes Jahr fast um die gleiche Zeit gebrannt hatten, weil alles so dürr war, besteht jetzt Erdrutschgefahr. Mehrere Bergstrassen sind geschlossen. Der Dirigent und die Präsidentin unseres Chores sind eingeschneit. Die Chor-Probe wird erneut abgesagt. Die Strassenarbeiter müssen rund um die Uhr krampfen, um die vielen vom Regen ausgewaschenen Schlaglöcher zu flicken. Ich bedauere die Kolibris, die tropfnass zu unserer Nektar-Oase fliegen. Es hat viel weniger Vögel als im Sommer. Der Regen hat sie wohl doch noch weiter nach Süden getrieben.
Dann kommen endlich die Dachdecker, die Maler und die Leute, die die Dachrinnen flicken. Jetzt können wir getrost den nächsten Regenfällen entgegensehen. Wir brauchen sie ja dringend, denn seit vier Jahren hat es nicht mehr genug geregnet.
Aber wenn es dann aufhört, dann ist die Welt wieder in Ordnung! Der Himmel ist tiefblau, aller Smog ist verschwunden. Der Schnee leuchtet auf den Bergen und die Hänge haben fast über Nacht einen Hauch von Grün erhalten. Der Magnolienbaum, voller Knospen, hat nur auf einige warme Sonnentage gewartet, um sich in voller Pracht zu entfalten. Die Osterglocken zieren die Blumenbeete und der Aprikosenbaum strotzt vor Blüten. – Jetzt ist es Frühling in Südkalifornien!
Obigen Artikel habe ich 2005, also genau vor zehn Jahren geschrieben. Und jetzt warten wir auch wieder auf Regen. Seit vier Jahren haben wir Trockenheit. Wir dürfen die Sprinkler im Garten nur noch zweimal in der Woche laufen lassen, so dass man überall braunes Gras sieht, ausser beim Nachbarn weiter oben, der vor einiger Zeit künstlichen Rasen installieren liess. Ich habe auch schon darum herum studiert, ob ich anstatt Rasen vor dem Haus Kakteen und einheimische wasserarme Pflanzen setzen sollte. Nun haben die Wetterleute aber angefangen, von einem 'El Niño'-Jahr zu sprechen. Das heisst, wir sollten einen sehr regenreichen Winter bekommen. Ich werde also noch etwas warten, bevor ich grössere Änderungen in meinem Garten vornehme.»
Als Vierjährige zog Walburga Baur-Stadler mit ihrer Familie ins Wallis, wo sie aufgewachsen ist und die Real- und Handelsschule im Institut St. Ursula in Brig besuchte. Nachdem sie zwei Jahre lang Sekretärin bei den Walliser Kraftwerken in Visp war, zog es sie nach Oxford, um Englisch zu lernen.
Danach trat Walburga Baur-Stadler eine Stelle beim Politischen Departement in Bern (heute: Departement für auswärtige Angelegenheiten) an und wurde in Belgien, Marokko, Thailand und Madagaskar als Sekretärin eingesetzt. Nach ihrem Wechsel in die konsularische Laufbahn kam es erneut zu Versetzungen: Mailand, Kongo, Peru, Costa Rica und Kalifornien, wo sie ihren Mann, einen Zürcher, kennenlernte und heiratete. Gemeinsam waren die beiden noch in Spanien und Argentinien, wo sich Baur-Stadler Ende 1998 im Grad einer Generalkonsulin frühzeitig pensionieren liess.
map
Artikel
Kommentare
Noch kein Kommentar