Bundesratswahlen | Bei der FDP ist das Rennen schon längst gelaufen
Warten auf Karin Keller-Sutterstar
Bern | Die FDP sucht einen Nachfolger für Bundesrat Schneider-Ammann. Und für alle ist schon seit Wochen klar, dass dafür nur eine Parlamentarierin infrage kommt.
Hubert Mooser
Es war ein Resultat, das man in dieser Deutlichkeit nicht erwarten durfte. Nachdem die SVP am letzten Dienstagnachmittag den FDP-Kandidaten für die Nachfolge von Bundesrat Johann Schneider-Ammann auf den Zahn gefühlt hatte, gab Fraktionschef Thomas Aeschi am Abend das Verdikt bekannt. «Die SVP wird Ständerätin Karin Keller-Sutter unterstützen.» Sie habe bei der Abstimmung 38 Stimmen erhalten, der Nidwaldner Kandidat und Ständerat Hans Wicki bloss 16. Damit ist der kühne Traum des 54-jährigen Politikers aus der Zentralschweiz vorzeitig geplatzt, einen Überraschungscoup landen zu können.
Freilich kann Wicki noch hoffen und beten. Wenn er aber gegen die haushohe Favoritin Keller-Sutter bestehen will, muss Wicki im rechten Lager abräumen. Und danach sieht es nach der Anhörung bei der SVP nicht aus. Keller-Sutter trat überzeugender auf. Oder wie es Fraktionschef Aeschi durchblicken liess: In den für die SVP wichtigen Kernbereichen wie zum Beispiel dem Asyldossier war sie für die SVP der sicherere Wert als Wicki. Den Ausschlag gab hier wohl, dass Keller-Sutter als Justizdirektorin des Kantons St. Gallen der Ruf einer Asyl-Hardlinerin nachhing.
Karin Keller-Sutterstar (54), an ihr ist diesmal kein Vorbeikommen. Aber es ist trotzdem nicht so, dass alle in Bern beim Keller-Sutter-Gottesdienst mitmachen. Es gibt in allen Lagern Parlamentarier, die so denken wie der frühere BDP-Präsident Hans Grunder/ BE. «Ich wähle Wicki», sagt Grunder fast trotzig, auch weil die St. Gallerin in den letzten Monaten aufgelaufen sei, als sei sie schon Bundesrätin. Andere irritiert die Aura der Unnahbarkeit, mit der sie sich seit jeher umgibt. Sie sei keine, die nach einer Sitzung noch auf ein Bier mitkäme, lästern Kollegen. «Das stimmt gar nicht», wehrt sie sich. «Es kommt aber darauf an, mit wem ich etwas trinken gehe.» Zudem habe sie Bier nicht gerne. Sie treffe sich nach der Arbeit mit Ständeräten häufig auf ein Glas Wein. Und übrigens sei sie in einem Restaurant aufgewachsen und habe Stunden am Stammtisch verbracht.
Sie lernt die Dossiers
fast auswendig
Stadtparlament, Kantonsparlament, Regierungsrätin, zweimal Regierungsratspräsidentin, fast mühelos kletterte die Wirtstochter aus Wil die Erfolgsleiter hoch. Und als Bundesrat Hans-Rudolf Merz 2010 in Pension ging, stand auch die Türe zum Bundesrat weit offen. Doch die Bundesversammlung wählte Schneider-Ammann. Nun begann für Karin Keller Sutter Teil zwei ihrer Karriere. Sie schaffte im darauffolgenden Jahr mühelos die Wahl in den Ständerat und betonte danach bei allen Anfragen zu einer weiteren Bundesratskandidatur, man kandidiere nur einmal für den Bundesrat – um sich dann sofort in die erste Reihe zu drängen, als sich eine zweite Chance bot. Sie erfülle bei der Ersatzwahl für Schneider-Ammann das wichtigste Kriterium zu 100 Prozent: Sie sei eine Frau, schrieb die «Weltwoche». Man tut ihr aber unrecht, wenn man sie bloss auf das Geschlecht reduziert. Keller-Sutter ist eine der einflussreichsten Politiker und dossierfest wie fast niemand in Bern. Sie lerne die Dokumente fast auswendig – und nicht bloss die eigenen, sagen Ratskollegen über sie.
Bei der Beerdigung von Bersets Altersreform 2020 und bei der Umsetzung beziehungsweise Nichtumsetzung der Masseneinwanderungsinitiative der SVP spielte sie eine Schlüsselrolle. Beim Kompromiss zum umstrittenen AHV-Steuerdeal, von dem SP-Parteipräsident Christian Levrat in den Medien schwärmte, als sei es ein Sechser im Zahlenlotto, wirkte die St. Gallerin als Kompromissschmiedin – und empfahl sich gleichzeitig bei den Linken als Bundesratskandidatin. Umso erstaunlicher ist der Support, den die St. Gallerin trotzdem bei vielen SVP-Parlamentariern geniesst.
Ihre Auftritte im laufenden Jahr im Windschatten der Landesregierung und als Schattenministerin waren dagegen in Bern ein Dauerärgernis. Bei der Sitzung extra muros der Landesregierung in der Ostschweiz, wo sich die Ständeratspräsidentin in einer Reihe mit den Bundesräten den Fotografen stellte, erweckte sie den Eindruck, als probe sie bereits den grossen Auftritt als künftige Landesmutter. Die Regierung machte gute Miene zum bösen Spiel. Unvergessen ist auch jene Episode, wo sie während des World Economic Forums in Davos US-Präsident Donald Trump im Stiegenhaus abpasste, um ihm dann die Hand zu schütteln.
Wicki verpasste den Start
Über Hans Wicki sind keine solche Geschichten im Umlauf, weil man bis vor Kurzem nicht einmal wusste, dass es einen FDP-Ständerat namens Hans Wicki gibt. Dabei schrieb er bei seiner Wahl in Nidwalden Geschichte. Er rang der CVP den Sitz ab, den diese seit Jahrzehnten besetzt hatte. «Ich habe dann leider den Start als Ständerat verpasst», sagt Wicki. «Ich war zu dem Zeitpunkt noch Landammann und aufgrund vieler Termine ausserhalb des Bundeshauses stark eingespannt. Als Bundesratskandidat platzte er etwas unerwartet in die Keller-Sutter-Andacht. Ihn hatte niemand auf dem Radar. Er habe sich die Kandidatur lange und gut überlegt, sagt Wicki. Denn: Der Druck bei der FDP ist gross, nach über 30 Jahren nach Elisabeth Kopp wieder eine Frau in den Bundesrat zu wählen. Und Wicki wollte nicht als Ladykiller dastehen. Dass ihn die feministischen Frauen- und Männerflügel in den diversen Parteien und Medien später nicht öffentlich filetiert und geröstet haben, liegt daran, dass er Karin Keller-Sutter nicht wirklich gefährden kann.
Verstecken muss er sich aber nicht: Einer, der ihn gut kennt, der Nidwaldner SVP-Nationalrat Peter Keller, sagt über Wicki . «Bundesrat ist zum Teil ein Führungsjob. Und von allen Kandidaten, die sich um die Nachfolge von Johann Schneider-Ammann und Doris Leuthard bemühen, weist Wicki mit Abstand die grösste Führungserfahrung auf.» Er war in der Gemeindeexekutive, dann im Regierungsrat in Nidwalden und zuvor beim deutschen Elektrotechnik-Konzern Pfisterer für die Schweiz und Südafrika zuständig. «Ein bisschen wirtschaftliches Know-how», so Keller weiter, «würde dem Bundesrat nicht schaden.» Wicki hat auch als Ständerat schon viel politischen Mut bewiesen, als er sich gegen die geplante Revision des Gleichstellungsgesetzes auflehnte. «Eine unnötige Vorlage», findet er. «Sie verkompliziert bloss das Leben der Unternehmen und bringe noch mehr Bürokratie und Aufwand.»
Der Nidwaldner glaubt weiter an seine Chance und wenn es dann halt doch nicht klappt, eines hat er auf jeden Fall erreicht: Nun wissen alle, dass es einen FDP-Ständerat mit dem Namen Hans Wicki gibt.
Hubert Mooser arbeitet als Redaktor Bundeshaus bei der «Weltwoche». Er schreibt hier in loser Folge.
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