Exit | Walliserin spricht vor dem Klinischen Ethik-Rat für das Spital Wallis vor
«Walliser Spitäler sollen sich der Sterbehilfe öffnen»
Ursula Abgottspon setzt sich dafür ein, dass Sterbehilfeorganisationen Zugang zu den Walliser Spitälern erhalten. Sie weiss, wovon sie spricht: Vor einem Jahr hat ihr an Krebs erkrankter Lebenspartner, Politiker This Jenny, die Hilfe von Exit in Anspruch genommen.
Am 15. November 2014 hat der ehemalige Glarner SVP-Ständerat This Jenny sein Leben mit Hilfe von Exit beendet. Der 62-Jährige war unheilbar an Krebs erkrankt. An seiner Seite war seine Lebenspartnerin Ursula Abgottspon aus Zermatt.
Sterbehilfe ist nach wie vor ein Tabuthema. «Die Sterbehilfe habe ich in der Gesellschaft als Schreckgespenst wahrgenommen: Etliche Personen waren nach der Ankündigung meines Partners schockiert, ich spürte Unverständnis und Missbilligung, andere sprachen von Feigheit. Aber wer entscheidet denn schon, wie viel körperliches oder seelisches Leid ein Mensch ertragen muss, bevor er sterben darf?» Auf der anderen Seite habe sie Bewunderung und Respekt erfahren, sagt Abgottspon, in der Deutschschweiz, aber auch im Wallis.
Auch sie selbst, gibt die Zermatterin zu, sei anfangs schockiert gewesen. «Letztlich haben aber die Gespräche mit This und die Auseinandersetzung mit dem Thema während seiner Krankheit mich Hundertprozent hinter seinem Entscheid stehen lassen. Jetzt bin ich sogar dankbar, dass er diesen Weg für sich und uns gewählt hat. Nach allem, was ich erlebt habe, kann ich sagen, dass Sterbehilfe ihre Berechtigung hat.»
Offizielle Richtlinie fehlt
Ende August hat die Walliserin vor dem Klinischen Ethik-Rat für das Spital Wallis vorgesprochen. Ihr Anliegen: Walliser Spitäler sollen sich der Sterbehilfe öffnen. In den hiesigen Spitälern fehlt derzeit nämlich eine offizielle Richtlinie, wie mit dem Thema umgegangen werden soll. Menschen, die den Wunsch haben, ihre Leidenszeit durch Sterbehilfe zu verkürzen, sind gezwungen, zum Sterben nach Hause zu gehen.
Schweizweit tolerieren laut «Exit Deutsche Schweiz» nur die Kantone Waadt und Neuchâtel Sterbehilfe unter gewissen Bedingungen in ihren öffentlichen Spitälern. Gleiches gilt für die Universitätsklinik Genf.
«Man darf dieses Thema auch im Wallis nicht mehr länger ignorieren oder tabuisieren», sagt Ursula Abgottspon. «Sterbehilfe und Palliativmedizin sollten sich nicht konkurrenzieren, sondern ergänzen. Jeder soll seinen eigenen Weg wählen können. Ich glaube, ich habe es geschafft, den Ethik-Rat dafür zu sensibilisieren, was es heisst, im Endstadion Krebs etwa – wenn der Körper schon sehr schwach ist – zum Sterben nach Hause fahren zu müssen. Das ist nicht zumutbar und auch kaum noch möglich.»
«Ein sanftes Übergleiten»
This Jenny durfte im Kantonsspital Glarus sterben. «Ich weiss nicht, ob dies mit seinem Namen oder der Offenheit des Oberarztes zusammenhing. Er war lange Zeit der Meinung, dass er nach Hause müsse, was ihm sehr zuwider war. Nachdem der Arzt bereit war, seinen Wunsch, im Spital zu sterben, zu erfüllen, war das eine Riesenerleichterung für das ganze Umfeld und vor allem auch für This selbst. Aber klar ist es seltsam zu wissen, dass zu einer vorbestimmten Zeit der Tod zur Tür hereinkommt.» Und doch: «Es ist ein sanfter Tod, ein Übergleiten, ein Einschlafen. So ein Tod wünscht sich doch letztendlich jeder, wenn das Todesurteil gefällt ist und die medizinischen Möglichkeiten ausgeschöpft sind.»
Gerade im Wallis, führt Abgottspon weiter aus, sei die Distanz zwischen Spital und Wohnort oft gross, der Weg beschwerlich. «Wenn ich an meinen Wohnort Zermatt denke: Das wäre von Brig aus ein sehr umständlicher Weg für einen sterbenden Menschen.» Abgottspon nennt auch pragmatische Argumente: «Der Spital ist eine Dienstbarkeitsinstitution und steht somit im Dienst der Patienten und es gilt, deren Wünsche ernst zu nehmen. Ich finde es bedenklich, wenn man einem Sterbenskranken den letzten Wunsch erschwert oder diesen gar verunmöglicht.»
Natürlich aber dürfe man Ärzte und Pflegende nicht gegen ihre ethischen Grundsätze und Überzeugungen zur Sterbehilfe zwingen, räumt die Walliserin ein. Bei einem unfallbedingten Aufenthalt im Visper Spital sei sie mehrmals von Pflegenden auf dieses Thema angesprochen worden. «Ich habe erfahren, dass viele bereit wären, bei Sterbehilfe im Spital zu assistieren oder es zumindest tolerieren. Man könnte also Freiwillige aus dem Spitalpersonal dafür rekrutieren.»
«Ein reiches Leben»
«This Jenny – Ein reiches Leben» heisst eine Biographie, die in Kürze erscheinen wird und an der Ursula Abgottspon mitgewirkt hat. Eine Art Bewältigung? «Die Bewältigung von Todesfällen beginnt mit jedem Gedanken an den Verstorbenen. Das Ereignis, das uns widerfährt können wir nicht ändern – die Folge daraus liegt jedoch, zu einem grossen Teil, in unseren Händen. Die Natur hat den Menschen zudem mit einer gewissen Resilienz ausgestattet. Es hilft, wenn wir dies erkennen und zulassen. Ich möchte nun nicht behaupten, dass mir die Biographie speziell dabei geholfen hätte. Die Idee dazu schwirrte mir schon seit drei, vier Jahren im Kopf herum. Nach der Diagnose bekam This mehrere Angebote, eines davon hat ihn schliesslich überzeugt.»
This Jenny bekam nicht mehr die Gelegenheit dazu, dem Autor persönlich über sein Leben zu berichten, gab sein Vermächtnis aber an seine Partnerin weiter, die dem Schreiber, gemeinsam mit Menschen, die ihn gekannt hatten, Red und Antwort stand. «Es war emotional für mich, mit dem Ergebnis bin ich aber sehr zufrieden.»
Artikel
Kommentare
Walliser - ↑4↓4
Gute Werbung für das Buch...aber etwas bedenklich.
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Unmenschlich - ↑5↓17
Jeder der die "Sterbehilfe" annimmt ist ein Selbstmörder. Jeder der die Sterbehilfe befürwortet ist ein potentieller Mörder. Es tönt hart. Die Wahrheit ist für viele hart, nur für den nicht, der kein Glaube hat. Abtreibung des beginnenden Lebens und die bewusste Beendigung des Lebens kann kein vernünftig denkender Mensch befürworten !
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Juon linda - ↑2↓2
Mein mann ist unheilbar an einem hirntumor erkrankt, es ist nur noch ein dahin vegetieren, Morphium, Valium und warten bis er einschlafen kann und sterbehilfe soll verwerflich sein?!
danielle leu - ↑5↓2
So schreibt nur jemand der nie mit einer Situation wie Frau Abgottspon konfrontiert wurde. Für mich käme Exit auch nicht in Frage. Das ist jedem seine persönliche Bestimmung. Meine Mutter war 30 Jahre Mitglied bei Exit und als sie 2014 todkrank durch diese Instituation einen würdevollen Tod hatte, war ich einfach nur dankbar dafür, dass sie wie sie es sich gewünscht hat, zuhause Sterben durfte und es steht keinem zu sich so abschätzend darüber zu äussern.
Aufdenblatten - ↑6↓0
Unmöglich oder unmenschlich?
Unvorstellbar froh bin ich, in einem Leben zu dürfen wo ich selber entscheiden darf, wann es für mich gut ist. Froh bin ich, dass Sie ihren Glauben haben. Leben Sie ihren Glauben, der wie es mir scheint, frei von jeglicher Toleranz ist. Sie werden zusammen mit Ihrem Glauben untergehen.
Adler - ↑10↓2
Als todkranker Mensch könnte ich kotzen wegen solchen Ansichten!
Menschlich - ↑10↓3
Unmenschlich ist es höchstens - jemanden der eine andere Meinung vertritt, als vielleicht der Durchschnitt - als Mörder zu betiteln.
Von Abtreibung steht in dem Artikel rein gar nichts. Und hat überhaupt eines mit dem Anderen rein gar nichts zu tun.
Walliser - ↑9↓9
Es ist schon eindrücklich, dass das Leben des Menschen dort bekämpft wird, wo es am schwächsten ist: Am Anfang und am Ende. Der Mensch hat viele Freiheiten. Doch im Namen der Freiheit, ist es nicht ratsam das Leben anzutasten. Es gibt gute Argumente, aber über den Argumenten stehen, Werte die unantastbar sind.
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Clint Eastwood - ↑8↓10
Vielleicht sollten sich die Befürworter der Sterbehilfe mal kurz in folgende Themen
einlesen:
-Euthanasie-Programm während der Nazizeit, Aktion T4, Kinder-Euthanasie usw.
Hoffen wir mal das dies nie wieder Alltag wird...
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Auch Walliser - ↑13↓4
Liebe Leser eine gewünschte, angepasste ,durch überlegte Sterbehilfe hat nun mal nichts mit der Nazizeit, Aktion T4, Kinder-Euthanasie zu tun.
Wieso soll ein Mensch der lebensmüde oder todkrank ist, mit Medikamenten die in einer Fabrik gemacht und durch die Pharmaindustrie verkauft werden länger leiden, bis er oder sie sowieso stirbt. Was ist mit der Lebensqualität geworden? Hier geht es nicht um Menschen die ihr Leben können wie sie wollen, nein es geht hier um Menschen, die geplagt und gepeinigt sind, die sich innigst wünschen das sie erlöst werden von den irdigen Leben. Es kommt mal nicht auf die Jahre die man lebt an, sondern wann ist das Leben lebenswert. Also hat die mögliche Sterbehilfe durchaus ein Platz in der heutigen Medizin verdient.