Bildung | Prof. Dr. Markus Dormann von der Fernfachhochschule Schweiz (FFHS) über die Chancen von Online-Unterricht
Unterricht in der Corona-Krise
Brig | Wie viele andere (Hoch-)schulen und Universitäten steht auch die FFHS mit Hauptsitz in Brig vor der Herausforderung, physischen Unterricht durch Online-Unterricht zu ersetzen. Markus Dormann, Leiter des Departements E-Didaktik, erklärt, wie der Unterricht trotz Corona-Krise weitergehen kann.
Schon vor der Krise lernten die FFHS-Studenten zu 80 Prozent von zu Hause aus. «Wir haben sicher den Vorteil, dass unsere über 400 Dozenten und 2400 Studenten eine Affinität für diese Thematik haben. Bei uns findet alles online statt, also auch die 20 Prozent, in welchen wir vor der Krise Präsenzunterricht hatten. Das bringt schon Herausforderungen mit sich, auch für uns als Fernfachhochschule», so Dormann.
Kein Leistungsabfall zu erwarten
Für einen idealen Online-Klassenraum brauchts im Jahr 2020 einen zeitgemässen Computer mit Mikro und Kamera und – vor allem – eine stabile und schnelle Internetverbindung. Über eine spezielle Software hat der Lehrer als Administrator die Übersicht über die ganze Klasse und mittels Funktionen wie beispielsweise digital die Hand aufzustrecken oder Mikrofonrechte zu vergeben, ähnelt dies dem physischen Unterricht. Zur Frage, ob Schüler in dieser Online-Umgebung gleich gut lernen wie in einem physischen Klassenzimmer, sagt Dormann: «Es ist nicht zu erwarten, dass die Leistungen unserer Studenten jetzt zurückgehen werden. Doch im Grossen und Ganzen ist es auch für uns eine vorübergehende Lösung. Nach der Krise werden wir wie zuvor wieder einen Teil auch physisch unterrichten. Hier nutzen wir unser Blended Learning, wobei wir darauf setzen, in einem Teil des Studiums Face to Face direkt vor Ort an den Standorten der FFHS (Zürich, Bern, Basel, Brig und St. Gallen) zu lehren.» Dazu komme auch noch der soziale Aspekt. Schliesslich möchten sich die Studierenden direkt untereinander austauschen. Nichtsdestotrotz habe man sowohl von den Studenten als auch von den Dozenten gute Rückmeldungen. Diese seien vor allem froh, dass alles weitergehen könne.
Online-Unterricht ist ein Stück weit Gewohnheitssache. Die Technologie dafür ist längst vorhanden. Und doch wird diese Art zu unterrichten noch immer eher selten genutzt. Man sieht das auch in der Privatwirtschaft. Erst jetzt, wo es nicht anders geht, machen plötzlich viele Home-Office oder Telefon-Konferenzen. Könnte die Corona-Krise dazu beitragen, dass es in den Schulen künftig vermehrt in die digitale Richtung geht? Dormann: «Viele kommen mit diesen Technologien jetzt intensiver in Berührung. Das heisst nicht, dass wir nach der Krise nur noch online unterrichten werden. Doch bietet der digitale Unterricht gewisse Vorteile. So könnte sich das künftig in manchen Bereichen durchaus durchsetzen; etwa wenn ein Lehrer sich über Mittag für eine Sprechstunde online zur Verfügung stellen will oder wenn ein Schüler zum Beispiel wegen eines gebrochenen Beins sonst nicht am Unterricht teilnehmen könnte. Ein anderes Beispiel ist, wenn Unternehmen in Ihrer Weiterbildung Zeit- und Wegkosten sparen wollen oder Teilnehmer international zusammen lernen» Zudem würden etwas Audio- oder Videoaufnahmen tolle Möglichkeiten bieten; beispielsweise für die Auswertung simulierter Verkaufsgespräche in Gruppenarbeiten.
Richtige Lernumgebung
Derweil hat der Unterricht von zu Hause aus – analog zum Home-Office – auch seine Tücken. So bekunden manche Mühe, sich in der heimischen Atmosphäre voll konzentrieren zu können. «Klar, es ist natürlich wichtig, sich eine störungsfreie Umgebung zu schaffen und zu vermeiden, dass man beim Lernen wiederholt unterbrochen wird. Wenn man ständig von Dritten gestört wird, gehts natürlich nicht. Und man muss schon manchmal auch den inneren Schweinehund überwinden, um von zu Hause aus effektiv zu lernen beziehungsweise zu arbeiten. Aber dies trifft ja auch für Lernen und Arbeiten ausser Haus zu. Hierbei ist auch online wichtig, wie man seinen Tag gestaltet. Das beginnt beispielsweise schon mit der Kleidung. Man geht ja auch nicht in der Jogging-Hose zur Arbeit.» Unter dem Strich gebe es keine empirischen Daten, die belegen würden, dass Lernen oder Arbeiten von zu Hause aus motivational schlechter gehen würde. Wobei dort wie schon erwähnt das soziale Miteinander anders stattfindet, was man auf Dauer dann schon vermissen könnte.
Datenschutz nicht ausser Acht lassen
Schon seit über zehn Jahren unterrichtet Dormann jetzt online. In dieser Zeitspanne stiess er neben grosser Begeisterung auch immer wieder auf Widerstände gegen diese Art des Lernens; als ein Argument führten Personen beispielsweise oftmals den Datenschutz ins Feld, digitales Lernen nur vorsichtig oder nicht einzusetzen. Schliesslich sind Dutzende Mikros und Kameras generell ein gefundenes Fressen für kommerzielle Datensammler. Dormann betont, dass die FFHS für kommerzielle Zwecke im Onlineunterricht keinerlei Daten sammelt: «Indessen muss die Medienkompetenz für solche Technologien bei den Studierenden auch immer mitgefördert werden, worum wir uns bemühen. So sollten die Schüler etwa darauf achten, was im Hintergrund ihres Videobilds zu sehen ist, respektive was sie den anderen im virtuellen Klassenraum zeigen wollen oder nicht.»
Dass sich Dritte in solche virtuellen Klassenräume reinhacken, ist zwar niemals hundertprozentig auszuschliessen. Laut Dormann ist dies an der FFHS aber noch nicht aufgetreten: «In einem klassischen Unterrichtsraum haben wir zum Glück in der Regel keine hochsensiblen Daten. Zudem können wir potenzielle Zugriffe von Aussen in der Regel ausschliessen.»
Die Argumente, die gegen den Online-Unterricht ins Feld geführt werden, sind dieser Tage allerdings kaum zu hören. Der Tenor ist klar: Der Unterricht muss trotz Coronavirus weitergehen. So erhält Dormann fast täglich Mails von Bildungsinstitutionen, die um Unterstützung fragen: «Wir haben viel Erfahrung, wie man digitale Didaktik-Konzepte effektiv umsetzen kann und welche Infrastrukturen es dazu braucht. Dieses Wissen geben wir gerne weiter.» Gerade in dieser schwierigen Zeit sei es wichtig, sich gegenseitig zu unterstützen.
Martin Kalbermatten
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