Wasserkraft | Die Gretchenfrage: Mehr Restwasser oder mehr Energie?
Umweltverbände wollen mehr Restwasser in Walliser Bächen
Wallis | Der Kanton Wallis schliesst die Restwassersanierungen Ende 2019 ab. Der WWF stellt neue Forderungen. Energieunternehmen reagieren mit Unverständnis.
Energie aus Wasserkraft hat ökologische Vorteile. Sie ist erneuerbar und klimafreundlich. Aber sie hat auch negative Auswirkungen auf die Gewässer: Wasserfassungen und Staumauern stellen Hindernisse für Fische und andere Lebewesen dar. Daher schrieb das Parlament 1991 im Gewässerschutzgesetz fest, dass die Kantone für genügend Restwasser in den Bächen und Flüssen unterhalb der Kraftwerke sorgen müssen. Seither ist viel Wasser die Rhone hinuntergerauscht.
WWF: «Leider zu langsam»
Die Kantone hätten bis Ende 2012 dafür sorgen sollen, dass Flüsse und Bäche wieder genügend Restwasser führen, damit die biologische Vielfalt erhalten bleibt. In den vergangenen Jahren hat das Bundesamt für Umwelt (BAFU) den Kanton Wallis verschiedentlich kritisiert, weil die Restwassersanierungen nicht vorangetrieben wurden. Nun zeigt ein aktueller Bericht des BAFU Fortschritte auf. «Der Kanton Wallis hatte Ende 2016 57 Prozent der Wasserentnahmen saniert und liegt nun bei 94 Prozent», so das BAFU. Da die Frist 2012 abgelaufen sei, müsse der Kanton die noch ausstehenden zwölf Wasserentnahmen jedoch so schnell wie möglich sanieren. Laut der kantonalen Dienststelle für Energie und Wasserkraft ist vorgesehen, die Sanierungen bis Ende 2019 abzuschliessen. Andere Kantone, etwa Freiburg, Neuenburg und Luzern, haben erst zwischen 40 Prozent und 60 Prozent der Wasserentnahmen saniert. Schweizweit sind 87 Prozent der rund 1000 Fassungen von Wasserkraftwerken saniert.
«Leider ging alles viel zu langsam. Es gibt vor allem im Unterwallis noch zentrale offene Fälle und auch im Oberwallis fliesst noch zu wenig Wasser – zum Beispiel bei den Anlagen am Griessee, Merezenbach oder Blinne. Hier muss es endlich vorwärtsgehen», kommentiert der WWF die Restwassersituation im Wallis.
Neue Forderungen der Umweltverbände
Der Kanton wird die Restwassersanierungen in wenigen Monaten abschliessen können. Der WWF stellt bereits heute neue Forderungen. «Momentan geben viele Walliser Kraftwerke kein oder deutlich weniger Wasser ab als nötig. Bei vielen Anlagen müssen die Wassermengen daher erhöht und über die Jahreszeiten besser verteilt werden. Nur so können Fische und die letzten Hotspots der Artenvielfalt überleben», so der WWF. Bei Konzessionserneuerungen seien die kantonalen Behörden daher in der Pflicht, angemessenes Restwasser zu verfügen und damit die dramatische Situation in den Gewässern zu entschärfen. «Die Vorschriften für Restwassermengen zu lockern wäre hingegen fatal für das Leben in und an den Gewässern», ist der WWF überzeugt.
Energiestrategie 2050 gefährdet
Wenig Verständnis für diese Forderungen haben die Kraftwerksbetreiber, weil sie aufgrund höherer Restwassermengen weniger Energie produzieren können, der Bund jedoch mit der Energiestrategie 2050 die durchschnittliche Jahresproduktion von Elektrizität aus Wasserkraft markant steigern will. «Bei den anstehenden Konzessionserneuerungen werden zusätzliche Restwassermengen gefordert, welche zu weiteren Produktionsreduktionen bei der Wasserkraft führen werden. Dies stellt die Umsetzung der Energiestrategie 2050 des Bundes mit den festgelegten Zielvorgaben für den Erhalt und Ausbau der Wasserkraft in der Schweiz vor grosse Herausforderungen», stellt Raoul Albrecht fest; er ist Leiter Produktion bei der Walliser Elektrizitätsgesellschaft FMV. Auch der Schweizerische Wasserwirtschaftsverband (SWV) kritisiert die Forderungen der Umweltverbände. Würden die Restwassermengen erhöht, gefährde das die Energiestrategie 2050, schreibt Geschäftsleiter Roger Pfammatter. Solle das mit der Energiestrategie 2050 angestrebte Produktionsziel Wasserkraft nicht massiv verfehlt und damit auch die Strategie an sich infrage gestellt werden, brauche es bei künftigen Konzessionserneuerungen eine massvolle Auslegung und Umsetzung der Anforderungen. «Eine solche orientiert sich an den gesetzlichen Mindestrestwassermengen und verzichtet auf zusätzliche Erhöhungen», schreibt Pfammatter.
Der WWF hält dagegen und sagt, dass die Auswirkungen der Restwassermengen auf die Stromproduktion relativ gering seien und in der Energiestrategie 2050 bereits eingerechnet wurden (siehe Kontext-Box).
Armin Bregy
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