Abfallentsorgung | Wegwerfkultur wirft Fragen auf
Grün- und Küchenabfälle sind Oberwalliser Sorgenkinder
Vom überzähligen Smartphone bis zum abgelaufenen Joghurt: Was nicht mehr passt, wird entsorgt. Auch im Oberwallis kommen dadurch beträchtliche Abfallmengen zusammen. So etwa beim Elektroschrott, wovon alleine «insieme oberwallis» jährlich über 100 Tonnen sammelt.
Das Phänomen der Wegwerfkultur spiegelt sich nicht zuletzt im Elektronikbereich wider, etwa bei den Mobiltelefonen. «Zum kurzen Lebenszyklus der Geräte kommt das Verhalten der Konsumenten, welche Elektro- und Elektrikgeräte möglichst jedes Jahr erneuern», erklärt Amadé Zenzünen von der Abfallberatung Oberwallis auf Anfrage. Neben dem Handel, der Geräte kostenlos zurücknehmen muss, sammelt und zerlegt etwa auch «insieme oberwallis» elektronische Geräte aller Art. «insieme führt jährlich eine Wandersammlung in allen Oberwalliser Gemeinden durch, wobei jeweils um die 100 Tonnen Elektroschrott zusammenkommen. Man fragt sich, wo das alles herkommt!»
Lebensmittel im Kehrichtsack
Gleichzeitig landen auch noch geniessbare Lebensmittel im Abfalleimer. Laut dem Bundesamt für Umwelt machen Lebensmittel rund einen Sechstel der Abfälle im Kehrichtsack aus. Hinzu kommen nicht verkaufte Lebensmittel aus Ladenregalen, die zumeist ebenfalls in die Kehrichtverbrennung oder bestenfalls in eine Biogasanlage gelangen. «Aber auch die Verpackungen sind ein Problem. Ein Recycling von Plastik- oder Verbundverpackungen etwa rechnet sich bisher nicht», so Zenzünen. Sehr gut funktioniere hingegen das Glas-, Alu- und Papierrecycling. «Hier kämpft man allerdings seit einiger Zeit mit den sehr niedrigen Abnahmepreisen.»
Gerade die Rücklaufquote von Papier und Karton ist mit rund 97 Prozent sehr hoch. Trotz zunehmender Digitalisierung sei man heute noch weit vom papierlosen Büro entfernt, erklärt der Fachmann. Wie bei den Separatsammlungen insgesamt nehmen auch die Papiermengen im Oberwallis eher noch zu, bestätigt auch Stefan Andenmatten, zuständig für die Separatsammlungen. Das gesammelte Material wird gemäss Andenmatten in verschiedenen Papierfabriken verwertet, teils in der Schweiz teils auch in Italien. Nur rund 5 Prozent des Papiers sei dabei nicht mehr recycelbar.
Bevölkerung besorgt
Wie eine Mitte Januar veröffentlichte Umfrage des Schweizerischen Konsumentenforums verdeutlicht, zählt die Wegwerfkultur aktuell zu den grössten Sorgen der Schweizer Bevölkerung. Insgesamt 80 Prozent der Befragten gaben an, dass sie das Wegwerfen als Problem empfinden. Kein Wunder, laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung weist die Eidgenossenschaft hinter den USA und Dänemark mit jährlich um die 700 Kilogramm die drittgrösste Pro-Kopf-Abfallmenge von insgesamt 34 untersuchten OECD-Ländern auf.
Gemäss Zenzünen sind diese Zahlen allerdings mit Vorsicht zu geniessen, da darin auch der recycelte Anteil enthalten ist. Nur rund die Hälfte der Gesamtmenge wird der Verbrennung zugeführt, die andere Hälfte hingegen recycelt. «Man kann den verwerteten Anteil nicht einfach mit Wegwerfen gleichsetzen, weil daraus wieder neue Produkte entstehen. Was aber generell sicher zutrifft ist, dass die Leute sehr viele noch brauchbare Lebensmittel entsorgen und noch funktionstüchtige Geräte auswechseln, sei dies nun via Recycling oder nicht.»
Oberwalliser Sorgenkinder
Wie Zenzünen sagt, liegen die Abfallzahlen im Oberwallis mit rund 280 Kilogramm verbranntem Abfall pro Person in den Sackgebühr-Gemeinden unter dem nationalen Durchschnitt. «Das Einzugsgebiet ist immer noch stark ländlich geprägt, weshalb weniger Abfall anfällt. Es wird mehr oder besser verwertet als in städtischen Regionen.» Im Verlauf der letzten Jahrzehnte habe sich die Abfallmenge, auch dank der Einführung der Sackgebühr in praktisch allen Gemeinden, zudem immer mehr vom Verbrennungsabfall zu den Separatsammlungen verschoben. Den zusätzlichen Anteil der verwerteten Abfälle im Oberwallis schätzt er auf mindestens 250 Kilogramm pro Person.
Zu den grössten «Abfallsünden» im Oberwallis zählen laut dem Abfallspezialisten gegenwärtig die Grün- und Küchenabfälle. «Dieses Problem ist nach wie vor nur unbefriedigend gelöst, vor allem in den Tourismusgemeinden. Beträchtliche Mengen landen immer noch im Kehricht.» Er betont in diesem Zusammenhang auch das hohe Recyclingpotential in Abfallsäcken: Laut dem Bundesamt für Umwelt könnten 20 bis 30 Prozent des verbrannten Kehrichts recycelt werden. «Besonders gegen das Wegwerfen von Lebensmitteln gibt es bisher leider keine Initiativen. Die wären dringend erforderlich.»
Viel verändert
Insgesamt bewertet Zenzünen die Entwicklung der Oberwalliser Abfallbewirtschaftung aber nichtsdestotrotz positiv. «Das Wegwerfen von Abfällen ist im Vergleich mit dem Zustand vor 20 bis 30 Jahren sehr stark zurückgegangen. Behörden und Bevölkerung sind viel umweltbewusster und engagierter geworden und üben auch eine soziale Kontrolle aus. Meines Erachtens ist das Abfallwesen im Oberwallis insgesamt gut unterwegs. So gut, dass inzwischen sogar das Unterwallis nachzieht», gibt er zu bedenken.
Videoüberwachung nur zurückhaltend einsetzen?
Das illegale Deponieren von Abfällen sorgt in den Oberwalliser Gemeinden immer wieder für Diskussionen. Jüngst stand etwa in Visp und Ausserberg die Einrichtung einer Videoüberwachung bei Entsorgungsstellen im Raum. Die Abfallberatung selbst empfiehlt den Gemeinden auf Information, Sensibilisierung und Kontrolle – vor allem an neuralgischen Punkten – zu setzen. «Es gibt Oberwalliser Gemeinden, die diesbezüglich vorbildlich sind, während in anderen noch Steigerungspotential vorhanden ist. Vor allem in Zeiten der neuen Kommunikationstechnologien könnte man mit wenig Aufwand mehr tun», sagt Amadé Zenzünen.
Persönlich spricht er sich für einen eher zurückhaltenden Einsatz von Videoüberwachung gegen Abfallsünder aus. «Zum einen aufgrund meiner grossen Freiheitsliebe, zum anderen aus praktischen Überlegungen. Man muss das Gesicht des Abfallsünders, das die Kamera festhält, bereits kennen, um ihn überhaupt ausfindig zu machen. Jemand Unbekanntes hält ja nicht seinen Ausweis in die Kamera.» Wichtig seien gerade auch die Lage und die kundenfreundliche Gestaltung der Sammelstellen. Die Abfallberatung stellt hierfür Infomaterial zur Verfügung und beratet auch vor Ort.
pmo
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