Lawinenunglück | Die sonntägliche Lawine vom Hinteren Galmihorn gibt weiterhin zu reden
Staatsanwalt schickt Spezialisten zur Unglücksstelle an der Galmilücke
Zwei Spezialisten vom Institut für Schnee- und Lawinenforschung in Davos (SLF) vermassen gestern morgen das Lawinenfeld von Sonntagmittag und erstellten ein Schneeprofil.
Die Bestandesaufnahme erfolgte auf Geheiss der Oberwalliser Staatsanwaltschaft und wurde im Beisein eines einheimischen Bergführers sowie der Kantonspolizei vorgenommen. Die Air Zermatt flog die eigens aus Davos angereisten Fachleute von Fiesch aus auf den Ereignisplatz auf der Nordseite der Galmilücke. Wie der WB gestern berichtete, hatte sich dort, am Hinteren Galmihorn, am Sonntag um die Mittagszeit eine Lawine gelöst–und eine sechsköpfige Tourengruppe erfasst. Drei Mitglieder der Gruppe blieben unverletzt, zwei mussten mit Verletzungen ins Spital Visp gebracht werden, darunter der Bergführer.
Schuldfrage wird zu klären sein
Bei den Verletzten handelt es sich um einen weiblichen Gast sowie den Bergführer, einen in Bern wohnhaften Deutschen. Die Gruppe war im Namen der Alpinschule «Berg und Tal» aus Root LU unterwegs. Diese Schule bietet Bergerlebnisse in aller Welt an und verfügt über eine 25-jährige Erfahrung.
Inwieweit das Lawinenunglück auf ein Fehlverhalten des verantwortlichen Bergführers zurückzuführen ist, werden unter Umständen die Gerichte zu klären haben. Dass die untersuchende Oberwalliser Staatsanwaltschaft deshalb bei der Aufnahme der Fakten vor Ort eine möglichst solide Datenbasis schaffen will, ist nachvollziehbar. Am Sonntag war das wegen der schlechten Witterungsbedingungen unmöglich. Die Beteiligten werden in diesen Tagen noch einvernommen werden. Die Spezialisten vom SLF nutzen die Daten von Schadenplätzen zur Erweiterung ihrer Erfahrungswerte.
Anrisslänge von 150 m
Bei schönsten Wetterverhältnissen präsentierte sich den Fachleuten das Unglücksgebiet gestern morgen als relativ harmlos. Die Gruppe wurde von der Lawine mit einer Anrisslänge von gut 150 Meter nahezu in deren Auslauf erfasst. So gesehen war auch einiges Pech mit im Spiel. Nach Auskünften von Personen, die sich auf dem Unglücksplatz befunden haben, hätte die Gruppe womöglich bereits eine Spur 20 Meter weiter entfernt vom Berghang vor der Lawine bewahrt. Bloss herrschte zum Zeitpunkt des Unglücks vor Ort dichter Nebel. Eine detaillierte Orientierung dürfte also für den Bergführer schwierig gewesen sein.
Rettungschef Rudolf Julier wollte denn gegenüber dem «Walliser Boten» auch keine Vorwürfe an den Bergführer formulieren. Es sei nicht seine Sache, über einen Berufskollegen zu urteilen, sagte Julier noch während der laufenden Rettungsaktion. Die Rettung konnte erst am Montagmorgen abgeschlossen werden, weil das schlechte Wetter im Unglücksgebiet keine Flüge zuliess.
Auf dem Gletscher biwakiert
Bekanntlich hatte die 14-köpfige Rettungskolonne nach ihrem fünfstündigen Aufstieg über den Fieschergletscher die Absicht, die beiden Verletzten auf Schlitten bis zur Oberaarjochhütte zu ziehen, um dort die Nacht auf den Montag im Trockenen verbringen zu können. Das Vorhaben musste aber aufgegeben werden. Nachdem die Verletzten im gut 30 cm tiefen Neuschnee rund einen Kilometer weit geschleppt worden waren, entschieden sich die Retter auf dem Studergletscher für das Errichten eines Schneebiwaks, das gegen 22.30 Uhr bezugsbereit war. Die beiden Verletzten wurden dort die Nacht über von zwei erfahrenen Bergführern betreut und behelfsmässig versorgt.
Die unverletzten Berggänger sowie die übrigen Mitglieder der Rettungskolonne übernachteten in der Oberaarjochhütte, gut 45 Gehminuten oberhalb des Notbiwaks.
tr
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