Ausstellung | «Fest und Kleid» vermittelt aufschlussreiche Ein- und Rückblicke
So fern und doch so nah
LÖTSCHENTAL | Als Pater Josef Huber 1966 ins Lötschental kam, um für acht Jahre die Pfarrei Wiler zu versehen, stiess er vermutlich auf seltsame Ansichten.
Hier der 39-jährige weltoffene und frohgemute Priester von den Oblaten des heiligen Franz von Sales, die damals in Kippel das Progymnasium «Maria Rat» betrieben wohl mit dem primären Ziel, Nachwuchs aus dem Oberwallis an die Innerschweizer Gymnasien von Altdorf, Stans und Schwyz zu holen, dort der unerschütterliche Asket Dr. h. c. Johann Siegen, mit seinen 80 Jahren in allen Belangen eine ehrwürdige Instanz… und eine Bevölkerung, die wenig bis nichts hinterfragte, was der Prior von Kippel verlauten liess.
Andere Welten
Die unterschiedlichen pastoralen Welten zeigten sich am auffälligsten im Religionsunterricht. Beim Prior wurden die biblischen Schlüsselszenen noch anhand von grossen Farbbildern erläutert und ausführlich kommentiert. Und es galt durchaus, Katechismus wie sämtliche Gebete auswendig zu lernen. Sie mussten sitzen wie das 1 x 1. Pfarrer Huber setzte auf modernere Methoden, was durchaus zu Diskussionen führte. Vom Hörensagen fehlte nur mehr ganz wenig, bis «die in Wiler»
vom «rechten» Glauben abfallen würden…
Wie der engagierte Hobby-Volkskundler Johann Siegen machte auch Josef Huber gerne Fotos. Im Lötschental gab es vor 50 Jahren, wie anderswo, vieles festzuhalten, was am Verschwinden im Begriffe war. An kirchlichen und weltlichen Festen, bei Brauchtum und Folklore genauso wie im Arbeitsalltag. Inspiriert wurden Siegen wie Huber zweifellos von Albert Nyfeler, dem Kunstmaler des Lötschentals, der wiederum regen Kontakt pflegte mit massgeblichen Ethnologen wie etwa Arnold Niederer. Alle drei haben ihre Hinterlassenschaft in Stiftungen geordnet. Josef Huber, dem Lötschental bis heute eng verbunden, gab seine Sammlung von 1600 Dias der Stiftung von Prior Siegen.
Vergangenheit kennen
Im Rahmen der seit dem 2. Juni 2018 (und noch bis am 23. März 2019) im Lötschentaler Museum laufenden Sonderschau «Fest und Kleid» wurde nun eine grössere Auswahl dieser Bilder in die Ausstellung integriert. Sie zeigt einen unglaublichen Wandel auf, der in der Folge der gesellschaftlichen Aufbruchstimmung Ende der 1960er-Jahre auch im Lötschental nicht halt machte. Viele alte Zöpfe wurden seither zum Verschwinden gebracht. Es war Zeit dafür. Genutzt hat dies vorab dem Selbstverständnis der Frauen. Die Einführung des Stimm- und Wahlrechts 1971 inklusive.
«Wer seine Gegenwart und Zukunft sinnvoll gestalten will, hat sich seiner Vergangenheit gewahr zu sein», sagte Pater Josef Huber mit seinen mittlerweile 91 Jahren in einer Selbstverständlichkeit, als eine grössere Auswahl seiner Bilder kürzlich dem geneigten Publikum im Lötschentaler Museum von den Ausstellungs-Gestaltern Thomas Antonietti und Rita Kalbermatten präsentiert wurde. Mit der Kamera war Huber zumeist an Anlässen und Festtagen unterwegs. Es gelangen ihm aber auch wunderbare Schnappschüsse vom Alltag. Sie besitzen den Wert von Zeitdokumenten, halten Momente fest, die den älteren Generationen noch sehr nahe erscheinen – und schon so weit weg sind.tr
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