Alpinismus | Bergführer und Gäste sitzen über Ostern zuhause, die Hütten sind leer
Die Skitouren-Saison ist abgeschrieben
Das bevorstehende Osterwochenende wäre für Skitouren wie gemacht. Die Schneeverhältnisse sind oberhalb der Waldgrenze grandios. Die SAC-Hüttenwirte hätten mit vollen Belegungen rechnen können. Doch die Bergführer sitzen zuhause und sorgen sich um ihren Erwerb.
«Die Monate März und April sind für uns Bergführer von den Verdienstmöglichkeiten her Spitzenmonate», sagt Pierre Mathey. Der Sekretär des Schweizerischen Bergführerverbandes (SBV) geht davon aus, dass ein Bergführer, der täglich unterwegs ist, in diesen Monaten je nach Programm zwischen 10 000 und 15 000 Franken verdienen kann. Das Coronavirus lässt dieses Einkommen 2020 weitgehend wegbrechen.
Berufsverbot und geschlossene Hütten
Seit dem 16. März sind die Bergführer mit einem Arbeitsverbot belegt. Es dauert im Minimum noch bis zum 19. April. Damit ist die bis weit in den Mai hinein reichende Skitouren-Saison abzuschreiben. Die SAC-Hütten sind rundum geschlossen und werden in diesem Frühjahr auch nicht mehr öffnen. Zu aufwändig wäre das Hochfahren der Betriebe für eine allfällig noch verbleibende kurze Zeit nach eventuell baldiger Lockerung der Verbotsmassnahmen. Und dann wäre erst noch nicht sicher, ob überhaupt jemand käme. «Die geforderten sozialen und hygienischen Abstände in den SAC-Hütten sind nicht einzuhalten», sagt Mathey realistisch.
Keine Alternativen
Ein Ausweichen ins benachbarte Ausland ist für die Bergführer und ihre Gäste erst recht nicht möglich. Dort herrscht ein noch strengeres Verbot als in der Schweiz. Bei uns sind zumindest noch Tourengänge im privaten Bereich nicht strikte untersagt. Diese schliessen aber Führertätigkeiten im klassischen Sinne aus – und sind beschränkt auf maximal fünf Personen, die gemeinsam – und mit dem nötigen Abstand – unterwegs sein dürfen. Wer in diesen Tagen trotz Arbeitsverbot aktiv führt, wird bei einem allfälligen Unfall gegenüber seiner Haftpflichtversicherung jegliche Ansprüche verlieren.
Kein Honoraranspruch bei abgesagten Touren
Statt bei besten Verhältnissen unterwegs zu sein, kümmern sich die Bergführer derzeit also um ihre administrativen Belange. Vom SBV werden sie dabei proaktiv unterstützt. Regelmässig erhalten die Verbandsmitglieder von der Zentrale Mails, die über die neuesten Entwicklungen informieren. Das betrifft immerhin 1800 Mitglieder. Gut 28 Prozent davon wohnen laut Statistik des SBV im Wallis.
So weiss jeder Bergführer, dass Gäste mit einer Reiseversicherung eine Stornorechnung für die abgesagte Tour einreichen können. Der Gast muss aber damit einverstanden sein – und ist letztlich auf die Kulanz seiner Versicherung angewiesen. Empfohlen wird in jedem Fall, mit den Gästen das Gespräch zu suchen. Bei Aufträgen ohne allgemeine Versicherungsbedingungen (ABV) besteht für abgesagte Touren kein Anspruch auf ein Honorar. Bereits geleistete Anzahlungen müssen an die Gäste rückerstattet werden.
Erwerbsersatz beantragt
Der Bergführer-Verband hat sich nach der Verordnung des Bundesrates umgehend darum bemüht, Erwerbsersatz für Selbständigerwerbende zu beantragen. Dieser beläuft sich gemäss den aktuell geltenden Beschlüssen auf ein Taggeld von maximal 196 Franken. Das ergäbe bei voller Auslastung einen Monatslohn von 5880 Franken, was massgeblich unter der Verdienstmöglichkeit in der jetzt stillgelegten Hochsaison liegt. Mathey fügt ein Beispiel an. Massgeblich ist für die Berechnung des Taggeldes das bei der AHV deklarierte Einkommen. Ein Bergführer, der 60 000 Franken Jahreseinkommen abgerechnet hat, kommt so auf ein Einkommen von maximal 3900 Franken.
In den Gebirgskantonen Wallis und Graubünden sind deshalb Gesuche eingereicht worden um eine zusätzliche Entschädigung anhand der kantonal beschlossenen Massnahmenpakete. Mathey: «Denn es ist klar, dass die Entschädigungen des Bundes die in den Monaten März und April entstehenden Einnahme-Verluste bei weitem nicht decken.»
Solidarisch akzeptieren
Dennoch will der Verband jetzt nicht jammern. «Wir sind im Geiste einer Seilschaft mit der Gesellschaft solidarisch und akzeptieren mit Verständnis die Entscheide des Bundesrates», sagt Mathey. Das rasche Handeln der Politik wird grundsätzlich begrüsst. «Ob wir damit zufrieden sein können, ist eine schwierige Frage», so Mathey. Das hängt am Schluss gewiss auch von noch möglichen Nachbesserungen ab. Vorerst gelte es aber, die schwierige Situation solidarisch mitzutragen und zu meistern. «Es sind alle betroffen und die Massnahmen sind zu respektieren.» Als Profis seien die Bergführer derzeit höchstens für sich selbst unterwegs. Es brächte im Normalfall auch wenig, mit Gästen aufzubrechen. Die Aufstiege aus den Tälern sind, ohne die Bergbahnen, für die meisten Gäste zu weit – und oben würde man erst noch vor geschlossenen Hütten stehen. An mit den Autos leicht zugänglichen Einstiegs-Punkten wie dem Simplon oder dem Grossen St. Bernard sieht man freilich weiterhin zahlreiche Tourenfahrer. Richtung Super-Saint-Bernard wurde der Andrang mittlerweile so gross, dass der Parkplatz geschlossen werden musste.
«Uns bleibt folglich nichts anderes, als auf eine gute Sommersaison zu hoffen», sagt der SBV-Sekretär. Und tut was dafür. Statt untätig herumzusitzen, überlegt man sich zusammen mit möglichen Partnern wie Schweiz Tourismus und dem SAC bereits, gezielt eine Bergherbst-Saison mit speziellen Angeboten zu lancieren.
Thomas Rieder
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