Politik und Bildung | Nach der Matura wissen die Schüler viel, sehr viel sogar und über alles Mögliche. Auch über Politik?
«Schüler sollen wissen, wie Demokratie funktioniert»
Das Thema Politik wird an den Schweizer Gymnasien verschieden behandelt. Nun wird darüber diskutiert, ob an Kollegien dies sogar als eigenes Fach angeboten werden soll.
Die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren EDK diskutiert aktuell darüber, wie die Weiterentwicklung des Gymnasiums als Institution aussehen soll. Eine Frage dabei: Soll «Politische Bildung» als eigenes Fach an Gymnasien angeboten werden?
Am Kollegium in Brig wird «Politische Bildung» derzeit im Fach Geschichte behandelt, anhand konkreter Fallbeispiele. «Wir schauen mit den Schülern auch immer aktuelle Themen an und diskutieren darüber», sagt Rektor Gerhard Schmidt. Manche Lehrer unterrichteten «Politische Bildung» indes mehr, manche weniger, räumt Schmidt ein. Die Gründe liegen zum einen in der Affinität der Lehrer gegenüber dem Thema. Zum anderen sei der Begriff «Politische Bildung» im Lehrplan 21 schwammig definiert. Es gebe daher keine genauen Vorgaben, was, wie und in welchem Rahmen dieser Bereich unterrichtet werden müsse. Und dieser Gestaltungsspielraum berge auch seine Tücken.
«Je weniger etwas reglementiert ist, desto grösser ist der Raum auch für unschöne Entwicklungen», sagt Schmidt im Hinblick auf mögliche Instrumentalisierungsversuche seitens der Lehrerschaft. Am Kollegium achte man deshalb darauf, dass dies nicht geschieht. «Unsere Schüler können sehr gut abschätzen, ob ein Lehrer sie beeinflusst oder nicht. Und die Professionalität der Lehrer am Kollegium ist hoch.» Zudem versuche er als Rektor, ein möglichst breites Spektrum an Lehrpersonen anzustellen, sodass Jugendliche viele verschiedene Meinungen mit auf den Weg bekämen. Konkordanz und Konsens auch in den Schulzimmern.
Schon im Jahr 2014 forderte Nationalrat Jean-Luc Addor, damals noch als Grossrat der SVP Unterwallis, die Einführung eines obligatorischen Staatskundeunterrichts an öffentlichen Schulen des Kantons. Die Motion wurde damals abgelehnt. In den letzten Jahren wurde schliesslich immer wieder kritisiert, dass Absolventen nach Erhalt der Matura vielfach komplizierteste Gleichungen lösen, Verben in einer Fremdsprache in abstrusen Zeitformen konjugieren könnten oder Kenntnis über die Lebensdauer einer Amöbe hätten. Sie aber nicht den Unterschied zwischen Ständerat und Nationalrat wüssten, geschweige denn was der Grosse Rat wochenlang in Sitten diskutiert.
Wenn es nach SVPO-Fraktionschef Michael Graber geht, muss sich das ändern: «Meiner Meinung nach sollte ‹Politik› zusammen mit ‹Staatskunde› ein eigenes Fach sein.» Es sei wichtig, dass Jugendliche objektiv und aufklärend über das ganze politische Spektrum gelehrt würden. Anders sieht das CVPO-Fraktionschef Aron Pfammatter: «Ich würde dies nicht als eigenes obligatorisches Fach erklären.» Vielmehr könnten politische Fragen in den einzelnen Fächern integriert oder anhand von Veranstaltungen den Schülern nähergebracht werden. Der Kanton Aargau hat bis jetzt als einziger Kanton in der Deutschschweiz Politik als eigenes Fach eingeführt.
Spätestens seit letztem Jahr ist das Interesse an Politik vonseiten der Jugend wieder gewachsen. Die zahlreichen Klimastreiks auf Schweizer Boden haben sogar die Oberwalliser Jugend elektrisiert. Und Gerhard Schmidt ist sich sicher: «Das Interesse an Politik ist, mit oder ohne obligatorischem Fach, da. Wir müssen einfach den Schwerpunkt in Zukunft noch mehr auf politische Bildung setzen. Die Jugendlichen sollen nach Erhalt der Matura wissen, wie die Schweiz politisch aufgebaut ist, wie politische Mechanismen und Demokratie funktionieren.» Am Kollegium gehen derzeit rund 1100 Schüler zur Schule. Rund ein Prozent davon, so schätzt Schmidt, sei politisch engagiert. Das Kollegium Spiritus Sanctus mache sicher bereits viel in diesem Bereich. Aber verbessern könne man sich immer.
Artikel
Kommentare
Noch kein Kommentar