Weihnachtszauber | Wildtiere im Winter
«Ruhe ist die beste Nahrung»

Unsere heimischen Wildtiere wissen mit dem Winter umzugehen und trotzen diesem mit verschiedenen Taktiken. Reh und Hirsch legen sich etwa ein dichteres Winterfell zu. Gegen Störungen sind sie jedoch nicht gewappnet.
Foto: Roland Clerc/Richard Bellwald

Stein- und Gamswild hält sich im Winter in mittleren Lagen an steilen, sonnenexponierten Hängen auf. Besonders in strengen Wintern suchen sie Gebiete unterhalb der Waldgrenze auf.
Foto: Roland Clerc/Richard Bellwald

Der Fuchs ist unser häufigstes einheimisches wildlebendes Raubtier. Strenge Winter mit einer hohen Fallwildzahl bieten dem Allesfresser eine ergiebige Nahrungsquelle.
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Den scheuen Wildtieren zu liebe: Wintersportler sollten sich immer auf befestigten Wegen aufhalten.
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Werden Tiere durch Freizeitsportler oder freilaufende Hunde ständig aufgeschreckt, kann der Winter für sie den Tod bedeuten.
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Das Alpenschneehuhn ist hervorragend an die harschen Lebensbedingungen im Hochgebirge angepasst.
Foto: Roland Clerc/Richard Bellwald

Möglichst ruhig durch den Winter: Grimmige Temperaturen und viel Neuschnee zwingen die heimischen Wildtiere dazu, kürzer zu treten.
Foto: Roland Clerc/Richard Bellwald

Möglichst ruhig durch den Winter: Grimmige Temperaturen und viel Neuschnee zwingen die heimischen Wildtiere dazu, kürzer zu treten.
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Vor dem Winter wechselt das Alpenschneehuhn in ein weisses, dichteres Winterkleid. Auch die Zehen sind dann stärker befiedert, so dass die Vögel besser über den Schnee laufen können.
Foto: Roland Clerc/Richard Bellwald

Wildhüter Richard Bellwald setzt sich nicht nur im Winter für die Belange der Wildtiere ein.
Foto: Roland Clerc/Richard Bellwald

Stein- und Gamswild hält sich im Winter in mittleren Lagen an steilen, sonnenexponierten Hängen auf. Besonders in strengen Wintern suchen sie Gebiete unterhalb der Waldgrenze auf.
Foto: Roland Clerc/Richard Bellwald
Eisige Temperaturen, ein knappes und wenig energiereiches Nahrungsangebot sowie eine mühevolle Fortbewegung, wenn sich die Schneedecke halbmeterhoch auftürmt, machen die Wintermonate für viele Wildtiere in der Region überaus anstrengend.
Wildtiere sind den winterlichen Wetterkapriolen und dem spärlich gedeckten Tisch zu dieser Zeit aber nicht schutzlos ausgeliefert. Viele Tiere bedienen sich ausgeklügelter Strategien, um die kalte Jahreszeit möglichst schadlos zu überstehen. Wildhüter Richard Bellwald erklärt: «Gams- und Steinwild sowie Hirsch und Reh legen sich beispielsweise ein dichteres Winterfell zu, das sie zusätzlich isoliert. Ferner ziehen sich Hirsch und Reh von ihren Sommereinständen, die im Wallis auf bis zu 2000 m ü. M. liegen können, in tiefere Lagen in ihr Winterhabitat zurück, das mitunter auch in der Talebene liegen kann. Hier ist ihre Überlebenschance auch aufgrund des Nahrungsangebots grösser.»
Leben auf Sparflamme
Gams- und Steinwild siedelt sich indes auf der sonnenintensiveren Südseite des Rhonetals an. «Dort wärmen sich Gämse und Steinbock tagsüber auf, um sich auf die darauffolgende Nacht vorzubereiten. Daneben schränken sie ihre Bewegung auf ein Minimum ein.» Bei allen heimischen Wildtieren gilt nämlich: Energie zu sparen und möglichst wenig Winterspeck, den sie sich im Sommer und im Herbst angefuttert haben zu verbrauchen.
Um die überlebenswichtige Ruhe sicherzustellen, könnten Rothirsche ihre Körpertemperatur in den Extremitäten herabsetzen, erklärt Bellwald. «Doch diese Taktik birgt eine grosse Gefahr. Die Beweglichkeit der Tiere ist derart eingeschränkt, dass das Wild selbst bei Störungen vermeintlich ruhig stehen bleibt. Diese Situation stresst die Tiere aber enorm, was im schlimmsten Fall zu einem Herzstillstand führen kann.»
«Biwakierende» Vögel
Auch Alpenschnee- und Birkhühner sind im Winter ganz auf ihren wertvollen Energiehaushalt bedacht und auf Ruhe angewiesen. Dazu machen sich die Tiere den gefallenen Schnee zu Nutze und graben tiefe Löcher in die lockere Schneedecke. «Die Vögel verbringen die meiste Zeit in den wärmenden Schneehöhlen», erklärt der Wildhüter aus dem Lötschental. «Auch bei widriger Witterung, starkem Wind oder bei Temperaturen weit unter der Nullgradgrenze wirken die Schneehöhlen isolierend.» Werden die Vögel aber wiederholt gestört und aufgescheucht, sodass sie ihre «Biwakhöhlen» verlassen müssen und der grimmigen Kälte ungeschützt ausgesetzt sind, hat dies eine massive Schwächung der Tiere zur Folge und schliesslich gravierende Auswirkungen auf deren Bestände.
Abseits jeglicher Zivilisation
Und hier liegt der Hund bergraben: Immer mehr Menschen in der Schweiz treiben regelmässig Sport. Durch Outdoor-Sportarten wie Skifahren, Schneeschuhlaufen, Snowboarden, Freeriden, Tourenskifahren oder Snowkiten, denen abseits der Pisten, in idyllischer Landschaft unbedarft gefrönt wird, nimmt der Druck auf die Lebensräume der heimischen Tiere weiter zu. «Der Trend verschiebt sich ganz klar weg von den markierten Pisten hin zu unpräparierten Zonen. Dieser Boom bedeutet für das Wild extreme und permanente Störungen, mit denen die Tiere zuvor noch nicht konfrontiert wurden und nur schlecht Zurecht kommen», gibt Bellwald zu Bedenken.
Lebensräume gehen verloren
Eine zunehmende touristische Erschliessung von bis anhin unberührten Landstrichen kann für junge, ältere und schwache Wildtiere eine tödliche Tortur darstellen – denn jede Flucht bedeutet überlebenswichtiger Energieverlust. Richard Bellwald weiss: «Mit einem strengen Winter geht immer auch eine hohe Fallwildzahl einher.» Er bedauert: «Aus einigen Gebieten wurde das Wild regelrecht vertrieben, da andere Interessen höher gewichtet werden, als jene der Tiere.» Die Wildhut sei auch dazu da, diese Interessenskollisionen anzusprechen sowie Wintersportler zu sensibilisieren. Wissen und Respekt gegenüber der Natur bilde schliesslich die Basis für einen umweltverträglichen Wintersport.
Wildruhezonen im Wallis
Auch um Wildtiere in deren letzten Refugien während der ohnehin schon beschwerlichen Winterzeit vor menschlichen Störungen zu schützen, wurden im Wallis 13 rechtsverbindliche Wildruhezonen eingerichtet, in denen jegliche Aktivitäten aufgrund kantonaler und eidgenössischer Vorschriften stark eingeschränkt oder gänzlich verboten sind – teils unter Bussenandrohung. «Hinzu kommen im Kanton Wallis eidgenössische Banngebiete für die dieselben rechtlichen Auflagen gelten», ergänzt Bellwald.
Die Interessen aller miteinbeziehen
Der Wildhüter setzt aber auch auf Freiwilligkeit, Aufklärung und präventive Massnahmen. «Ein gesundes Nebeneinander von Mensch und Tier kann nicht ausschliesslich mit Verboten erwirkt werden. Deshalb bestehen im Wallis zusätzlich ‚empfohlene’ Wildruhezonen, die auf freiwilliger Basis ausgeschieden wurden.» Und Bellwald führt ein weiteres gutes Beispiel für die Berücksichtigung aller Belange an: «Im Lötschental ist vor einigen Jahren eine breit abgestützte Arbeitsgruppe gebildet worden, in der alljährlich die Interessen der touristischen Unternehmungen aber auch jene der Wildhut diskutiert werden.» In ihr sind der Talrat, der Forst, die Wildhut, Bergführer, die Skischule, das Skigebiet Lauchernalp, Jäger und Lötschental Tourismus vertreten. «Damit erhalten alle involvierten Stellen eine Stimme – auch die Tiere, die das schwächste Glied in der Kette darstellen», zeigt sich Bellwald zufrieden.
Winterfütterung
Wer den heimischen Wildtieren bei ihrem winterlichen Kampf gegen die Kälte mithilfe von Zufütterung helfen möchte, denen rät Bellwald: «Ruhe ist viel wichtiger als zusätzliches Futter. Für das Füttern in Notzeiten sind die Wildhüter zuständig.»
Weitere interessante Artikel der WB-Beilage «Weihnachtszauber» gibt es als PDF in der Rubrik Themenbeilagen zu lesen. Darin enthalten sind unter anderem Beiträge über die Weihnachtszeit im Hospiz, das Universum - vom Simplon aus gesehen sowie die Glückskette und ihren Oberwalliser Direktor Tony Burgener.
pan
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