Walliser im Ausland | Alexandra Müller im Austausch in Brasilien
«Rio hat mich voll und ganz verzaubert»
Alexandra Müller aus Inden verbringt derzeit ein Austauschjahr in Brasilien. Auf 1815.ch schwärmt die 16-Jährige von der brasilianischen Lebensfreude und betont, dass Brasilianer und Walliser mehr gemeinsam haben, als man sich vielleicht denken mag.
Alexandra Müller, du absolvierst derzeit ein Austauschjahr in Rio de Janeiro. Um was für einen Austausch handelt es sich dabei?
«Die Möglichkeit für dieses Austauschjahr verdanke ich dem Rotary-Youth-Exchange-Programm. Dabei handelt es sich um einen einjährigen Auslandsaufenthalt. Ich wohne bei einer brasilianischen Gastfamilie und besuche eine normale Schule vor Ort. Das Ziel ist, die Kultur so nahe wie möglich zu erleben.»
Seit wann bist du dort und wie lange wirst du bleiben?
«Ich bin seit dem 6. August 2016 in Rio de Janeiro und werde anfangs Juli 2017 zurück in die Schweiz fliegen.»
Weshalb gerade Brasilien?
«Diese Entscheidung habe ich aus reinem Bauchgefühl heraus getroffen. Da ich eher wenig über Brasilien wusste, wurde meine Neugier umso mehr geweckt. Ausserdem war ich – und bin es immer noch – einfach fasziniert von dieser Lebensfreude und der Unbeschwertheit, welche man den Brasilianern völlig zu Recht zuspricht.»
Was hast du dir vom Leben in Brasilien erhofft?
«Ich habe mir eine Herausforderung für mich selber erhofft, etwas, an dem ich jeden Tag ein Stückchen mehr wachsen kann. Ich wollte neue Leute kennenlernen sowie eine völlig neue Kultur und eine neue Sprache lernen. Ausserdem war ich sehr gespannt darauf, Rio de Janeiro kennenzulernen und zu sehen, was die berühmte Stadt alles so zu bieten hat.»
Haben sich diese Erwartungen bis jetzt erfüllt?
«Ja, ich habe viel über die Brasilianer und ihre Kultur erfahren, und ich lerne immer noch jeden Tag Neues dazu. Die ‚cidade maravilhosa’ – die wundervolle Stadt – wie sie im Volksmund auch genannt wird, hat mich voll und ganz verzaubert, ausserdem bemühe ich mich, mein Portugiesisch stetig zu verbessern und neue Kontakte zu knüpfen.»
Wem bist du in Brasilien zuerst begegnet?
«Meinen Gasteltern und deren Tochter, welche mich am Flughafen ganz herzlich empfangen haben, und mich dann direkt zu einem Olympischen Spiel mitgenommen haben. Trotz der anfänglichen Sprachbarriere haben wir uns auf Anhieb gut verstanden und ich habe mich sehr willkommen gefühlt.»
Wie wohnst du?
«Ich lebe in meiner Gastfamilie als normales Familienmitglied. Ich habe mein eigenes Zimmer und beteilige mich an Haushaltsarbeiten sowie am Familienleben. Das hilft mir, einen näheren Einblick in die Kultur zu erhalten und einen Bund mit meiner Gastfamilie zu knüpfen.»
Brasiliens Amtssprache ist Portugiesisch. Konntest du diese Sprache schon vorher?
«Ich bin diese Reise ohne jegliche Portugiesischkenntnisse angetreten, was mir zuerst ein bisschen Sorgen bereitet hat. Jedoch habe ich gemerkt, dass es viel einfacher ist eine Sprache vor Ort zu lernen anstatt Bücher zu wälzen, deshalb bin ich froh, dass ich die Zeit vor meiner Abreise anders genutzt habe.»
Welches Wort in der Landessprache brauchst du am meisten?
«Ich glaube das Wort, das ich am meisten benutze, ist ‚oi’. Normalerweise braucht man es als Begrüssung unter Freunden und bei informellen Anlässen, aber auch wenn man ausdrücken möchte, dass man jemanden nicht verstanden hat.»
Wie ist das Wetter momentan?
«Der fast unerträglich heisse Sommer neigt sich langsam dem Ende zu, dennoch laufen die Kilmaanlagen auf Hochtouren. Regen gibt es im Moment auch kaum, nur selten kommt es abends zu einem Gewitter.»
Was ist ein typisches brasilianisches Gericht?
«Wenn es um Essen geht, sind sich die meisten Brasilianer einig: Praktisch überall werden ‚Aroz e feijão’, also Reis und Bohnen gegessen, meistens mit Wurst und Pommes Frites. Ausserdem ist ‚Churrasco’ ein brasilianischer Brauch: Hierbei werden Freunde eingeladen und man bereitet allerlei Fleisch auf dem Grill zu.»
Würdest du das Leben in Brasilien als gefährlich bezeichnen?
«Definitiv. Ich bekomme oft den Spruch zu hören: ‚Wir sind hier halt nicht in Europa.’ Wie in jeder Stadt gibt es aber auch in Rio Orte, an denen man sich ohne Weiteres aufhalten kann sowie Orte, um die selbst die Einheimischen einen grossen Bogen machen. Solange ich aber auf meine Gasteltern höre und gewisse Orte meide, keine Wertsachen offen zeige und ein Auge auf meine Umgebung werfe, kann ich mich ohne Weiteres in der Stadt fortbewegen.»
Was unterscheidet die Brasilianer von den Wallisern?
«Wenn ich mit den typischen Vorurteilen über den kalten, sturen und ordnungsliebenden Schweizer konfrontiert werde, muss ich oft daran denken, dass wir Walliser vielleicht mehr mit den Brasilianern gemeinsam haben als diese denken. Walliser sind alles andere als stur. Wir lieben geselliges Beisammensein und sind allgemein für unsere Lockerheit bekannt. Was uns jedoch unterscheidet, ist, dass wir im Gegensatz zu den 200 Millionen Brasilianern ein winzig kleines Völkchen sind, aber gerade das macht uns meiner Meinung nach so besonders.»
Welches Bild der Schweiz haben die Brasilianer?
«Wie bereits erwähnt, sehen die meisten die Schweiz als ein eher stures Land, und doch glauben viele an das Bild des paradiesähnlichen Landes, in dem wir nichts anderes tun als Jodeln, Käse essen und Schwarzgeld bunkern. Ich wurde sogar schon mehrmals gefragt, was ich denn hier mache, in der Schweiz sei es doch so viel besser. Darauf versuche ich den Leuten zu erklären, dass jedes Land seine Vor- und Nachteile hat, und dass Brasilien genau so viel zu bieten hat wie die Schweiz.»
Brasilien – Schönheitswahn, Lebensfreude, aber auch Armut – so die gängigen Klischées: Wie würdest du Brasilien beschreiben?
«Mittlerweile habe ich Brasilien in allen Facetten kennengelernt, die guten und die schlechten. Es stimmt, dass die Leute hier vor Lebensfreude sprühen und Samba sowie Karneval spielen eine wichtige Rolle, jedoch sind sich die Einwohner auch der Probleme wie soziale Ungleichheit, Armut und Gewalt bewusst. Die Brasilianer beschweren sich gerne über ihr Heimatland und trotzdem lieben sie es von ganzem Herzen.»
Hast du manchmal Heimweh?
«Klar, vor allem am Anfang war es manchmal schwierig für mich. Durch den Kulturschock, die neue Familie und das neue Umfeld wird man schnell mal überfordert. Mit der Zeit habe ich mich aber eingewöhnt und fühle mich jetzt sehr wohl in meinem Umfeld. Ausserdem sind die ganzen Umstellungen nur temporär und ein Jahr vergeht schneller als man denkt.»
Was vermisst du am meisten aus der Schweiz?
«Mal abgesehen von meiner Familie, meinen Freunden und meinen beiden Katzen vermisse ich die Sicherheit der Schweiz, Skifahren, das riesige Schokoladenregal der Migros und Rivella.»
Hast du einen Insider-Tipp für Brasilien-Reisende?
«Falls jemand einen Trip nach Rio de Janeiro macht, empfehle ich wärmstens das ‚Gringo Cafe’ in der Nähe von Ipanema. Dort gibt es die besten Pfannkuchen in ganz Rio.»
Unsere Rubrik «Walliser im Ausland» erscheint in loser Folge. Wir sind regelmässig auf der Suche nach Wallisern, die fernab der Heimat leben. Gehören Sie auch dazu oder kennen Sie jemanden? Dann freuen wir uns auf Ihre Nachricht an info@1815.ch.
map
Artikel
Kommentare
Noch kein Kommentar