Bergrettung | Bergunglück auf dem Jungfraufirn forderte Rettungsspezialisten alles ab
«Rettungseinsatz in der Gletscherspalte war aussergewöhnlich»
Am vergangenen Freitag fand ein 60-jähriger Berner beim Sturz in eine Gletscherspalte unterhalb des Jungfraujochs auf der Walliser Seite den Tod. Die Suche und Bergung des Opfers war äusserst aufwendig.
Das Unglück ereilte eine Gruppe von vier Alpinisten am Freitagvormittag gegen 10.45 Uhr auf 3300 Metern auf einer Skitour vom Jungfraujoch Richtung Lötschenlücke auf einem makellosen und topfebenen Schneefeld. Beim Überqueren des Jungfraufirns brach unter einem der Tourengänger eine Schneebrücke über einer gewaltigen Gletscherspalte auf einer Länge von etwa 100 Metern über einer Breite von fünf bis sechs Metern ein.
Der Mann fiel etwa 20 Meter in die Tiefe und wurde von den nachstürzenden Schneemassen begraben. «Bereits 30 Minuten nach der Alarmierung durch die unversehrten Gruppenmitglieder waren zwei Helis der Air Zermatt am Ort des Unglücks», sagt Dominic Andres von der Air Zermatt. Er leitete an diesem Tag den Einsatz der Rettungshelis.
Mit an Bord waren zwei Rettungsspezialisten der Kantonalen Walliser Rettungsorganisation (KWRO) mit Equipment für Gletscherspaltenrettungen. «Fallen Berggänger in Gletscherspalten, ist die Rettung ein Wettrennen gegen die Zeit. Nur so besteht die Chance, Verunglückte lebend zu bergen», erklärt KWRO-Rettungsspezialist Rinaldo Kreuzer, der als Erster an der Unglücksstelle war. Er koordinierte in der Folge die Rettungsarbeiten vor Ort.
Einsatz von 38 Rettungsspezialisten
«Ein erster Augenschein der Unglücksstelle, eine Befragung der Augenzeugen sowie eine Sichtung in der Gletscherspalte selbst zeigten rasch, dass zur Bergung des Opfers raschmöglichst weitere Bergretter vonnöten waren», sagt Kreuzer. Deshalb wurden zusätzlich zwei Oberwalliser Rettungsspezialisten sowie acht Rettungsleute aus Lauterbrunnen und vier Lawinenhundeführer aus dem Oberwallis angefordert.
Mittels Seilwinden wurden die Rettungsspezialisten und Lawinenhunde in die Spalte abgeseilt. «Die Suche vor Ort war heikel, weil die Schneemassen der eingebrochenen Schneebrücke im Spalt selbst wieder eine Schneebrücke bildeten, deren Stabilität nicht einfach einzuschätzen ist», so Kreuzer. Während des gesamten Einsatzes mussten Rettungsspezialisten, Hundeführer und Hunde am Sicherungsseil bleiben, um nicht selbst in Gefahr zu geraten.
LVS-Gerät sendete keine Signale
Verunglückte in Gletscherspalten sind meistens zwischen Eiswänden eingeklemmt oder fallen auf eine Schneebrücke in der Gletscherspalte und können so von den Rettern rasch geortet werden. Nicht so beim Unfall auf dem Jungfraufirn. «Das Opfer war unter den Schneemassen der eingestürzten Schneebrücke begraben. Also gingen wir im Spalt so vor wie bei der Suche nach Lawinenopfern. Das grosse Problem, das sich uns stellte, war, dass das Lawinenverschüttetensuchgerät des Verunglückten, welches er auf sich trug, kein Signal sendete. Funktioniert ein LVS-Gerät, dauert eine Ortung in der Regel kaum mehr als zehn Minuten.»
Lawinenhunde in ungewohnter Umgebung
Erschwerend kam hinzu, dass die Retter wohl den Einfahrwinkel des Tourengängers auf die Schneebrücke anhand der Skispuren kannten. «Wir wussten aber nicht, wie lange der Mann talwärts fuhr, bevor die Schneebrücke einbrach. So wurde das Suchfeld natürlich grösser.» An mehreren Orten, wo die Lawinenhunde angaben, wurde bis zu acht Meter tief gegraben. «Zum Teil mussten wir Motorsägen einsetzen, um Eisblöcke auf dem Weg nach unten zu beseitigen.» Die Suche blieb erfolglos.
«Für die Lawinenhunde war es in der Umgebung einer Gletscherspalte mit Eiswänden und ungewohnten Gerüchen äusserst schwierig, das Opfer aufzuspüren», sagt Kreuzer. Am Freitag musste die Bergungsaktion gegen 17.00 Uhr eingestellt und Rettungsleute und Hunde ins Tal geflogen werden.
Abbruch der Bergungsaktion in Betracht gezogen
Am Samstag wurde die Suche um sieben Uhr morgens fortgesetzt. Erneut waren 24 Leute in und an der Gletscherspalte an der Suche beteiligt. Gefunden wurde der Mann gegen vier Uhr nachmittags rund drei Meter tief in den Schneemassen. Geortet wurde er mit RECCO, das aus zwei Teilen besteht. Beim Rettungseinsatz sendet der Detektor ein direktionales Suchsignal aus, das von den RECCO-Reflektoren am Skifahrer, Snowboarder oder Bergsportler reflektiert wird. «Dabei können aber auch Handys oder LVS-Geräte die Signale reflektieren», so Kreuzer.
Nach Verschütteten zu suchen, heisst auch immer wieder: Was tut man als Nächstes und wer kommt für die Kosten auf? «In Anbetracht des grossen Einsatzes von Rettungsleuten und demzufolge auch hohen Kosten wurde am Samstag ein Abbruch der Suche in Betracht gezogen», erklärt Kreuzer. Nach Rücksprache mit der KWRO, der Staatsanwaltschaft und den Angehörigen sei man zum Schluss gekommen, die Suche unter Umständen zu verlängern.
Nicht nur für die Rettungsspezialisten war dieser Einsatz mit viel Aufwand verbunden. «Helis der Air Zermatt standen vom Freitagmorgen bis am späten Samstagabend bis hin zur Überführung des Leichnams immer wieder im Einsatz. Das ist auch für die Air Zermatt aussergewöhnlich», sagt Dominic Andres.
zen
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