Tierwelt | Natischer Hundehalter hatte Glück im Unglück
Hund verliert wegen giftiger Raupe beinahe seine Zunge
Eine Begegnung mit Prozessionsspinnern kann für Hunde lebensbedrohliche Folgen haben. Das musste auch der Labradorhund von Frank Eggel in Naters schmerzlich erfahren. Kein Einzelfall, weiss Tierärztin Romaine Werlen.
Der Natischer Apotheker Frank Eggel ist heilfroh, dass es seinem einjährigen Labradorhund nach einer Operation am 1. April im Tierspital in Bern wieder besser geht. Dort mussten dem Hund vier Zentimeter seiner Zunge amputiert werden, weil er eine Woche zuvor im Garten von Eggels Haus in Naters mit den giftigen Raupen in Kontakt kam. «Der Hund legte sich nach einem Auslauf im Garten plötzlich in der Wohnung nieder und begann extrem zu sabbern. Ein Labrador frisst fast alles, was er vor die Schnauze bekommt. Also gingen wir davon aus, dass er vielleicht ein Stück Plastik verschluckt hat. Die Symptome hätten gepasst.» Eggel wartete deshalb erst ab, bevor er den Hund einem Tierarzt vorführen wollte.
«Grosser Spass am Naturspektakel»
Am nächsten Morgen entdeckte Eggel im Garten eine zwei Meter lange Kolonne aneinandergereihter Raupen. «An diesem Naturspektakel hatten wir grossen Spass. Aus dem Biologieunterricht wusste ich noch, dass es sich wohl um Prozessionsraupen handelte. Deshalb googelte ich den Begriff, um mehr über die Raupen zu erfahren.» Dabei stellte der Apotheker rasch fest, dass die Raupen für Hunde gefährlich sind. Eggel führte den Hund daraufhin der Tierärztin Romaine Werlen in Glis vor. «Dort bestätigte sich der Verdacht, dass die Prozessionsspinner der Grund für das Unwohlsein des Hundes waren.»
Die giftigen Raupen hatten sich im Herbst des vergangenen Jahres in den Baumspitzen einer Pinie im Garten des Hauses von Eggel in fünf weissen Kugeln, die wie Zuckerwatte aussahen, eingenistet. «Wir wussten allerdings nicht um die Gefährlichkeit unserer neuen Gartenbewohner.» Noch gleichentags liess Eggel die Nester vom zuständigen Revierförster entfernen und will zukünftig frühzeitig reagieren, sollten sich die giftigen Raupen erneut im Baum einrichten.
Vermehrt tierische Patienten in Behandlung
Dass es zwischen den angriffigen Raupen und Haustieren, die in einem von Prozessionsspinnern befallenen Gebiet Freigang haben, regelmässig zu unliebsamen Begegnungen kommt, bestätigt auch Tierärztin Romaine Werlen aus Glis. Vor allem im Frühling behandelt sie in ihrer Kleintierpraxis immer wieder Hunde, die mit den nesselnden Haaren der Raupe in Berührung kamen. Da Hunde häufig mit ihrer Schnauze am Boden schnuppern, sind sie besonders gefährdet, einige der giftigen Brennhaare abzubekommen. «Die Raupen stellen derzeit eine echte Bedrohung für Haustiere dar», so Werlen auf Anfrage.
«Verhält sich ein Hund nach einem Spaziergang auffällig, muss er sich übergeben und speichelt er stark, können das Anzeichen für eine allergische Reaktion sein, die nach dem Kontakt mit den Prozessionsspinnern entstehen», benennt die Tierärztin einige typische Symptome, die unmittelbar nach einer Berührung auftreten können.
Bei Verdacht sei bei Hundebesitzern Handlungsbedarf angezeigt. Ein genaues Inspizieren der Maulhöhle sowie der Zunge des Tieres sei unerlässlich, rät Werlen den Tierhaltern. «Zeigen sich auf der Zunge bereits gerötete Stellen oder kleine weisse Bläschen, müssen die Maulhöhle sowie die Zunge gründlich mit Wasser gereinigt werden. Wenn der Hund es zulässt, benutzt man dazu am besten einen Waschlappen.» Ferner weist die Tierärztin darauf hin, dass ebenfalls die Hundepfoten gesäubert werden sollten. Oft stecken die Sporen auch in den Hundepfoten und gelangen schliesslich über die Zunge in die Maulhöhle.»
Am Besten zum Tierarzt
Um zu verhindern, dass das in den Brennhaaren der Raupe enthaltene Gift weiter in die Hautschichten der Tierzunge eindringt und dort ein Absterben des Gewebes auslöst, sei unbedingt der Gang zum Tierarzt angezeigt. «In einer Praxis besteht für eine fachgerechte Behandlung auch die Möglichkeit, das betroffene Tier medikamentös zu beruhigen, den Kreislauf mit Flüssigkeit zu stabilisieren und ein Antiallergikum zu verabreichen.» Damit soll unter anderem verhindert werden, dass grosse Teile der Zunge absterben und der Hund im schlimmsten Fall nicht mehr selbstständig fressen und trinken kann.
Die gefährliche Begegnung mit den Nesselhaaren der Raupe verlaufe bei Hunden in den seltensten Fällen tödlich. Einzig, wenn ein Tier mit einem anaphylaktischen Schock reagiere, könne es lebensbedrohlich werden.
Gefährlich auch für den Menschen
Bleibt anzumerken, dass die giftigen Raupen auch für den Menschen eine Gefahr darstellen. Es ist ein Fall im Oberwallis bekannt, bei dem ein Mann ein Auge verloren hat, nachdem dessen Hund nach dem Kontakt mit der Raupe in Richtung Gesicht des Mannes ernossen ha. Zu einem weiteren Zwischenfall kam es, als sich eine Person beim Versuch, die Nester der Prozessionsspinner von einer Pinie im Hausgarten zu holen, eine schwere Hautreaktion zuzog. In schlimmen Fällen kann es gar zu einem allergischen Schock mit Blutdruckabfall kommen.
Revierförster Theler: «Gefahr bei Spielplätzen und Spazierwegen»
Föhren-Prozessionsspinner werden laut Christian Theler, Revierförster bei Forst Massa im Oberwallis nicht systematisch bekämpft. Wachse deren Bestand, so wachse auch jener der natürlichen Fressfeinde, wie etwa des Kuckucks. «Dadurch reguliert sich der Bestand normalerweise von selbst.» Die Nester der Raupen würden ausschliesslich dort, wo Gefahr bestehe, etwa in der Nähe von Spiel- und Fussballplätzen oder bei stark frequentierten Spazierwegen, von den Bäumen geholt. Diese zu entfernen, sei ausschliesslich Spezialisten vorbehalten, betont der Förster. Der Kontakt mit den giftigen Brennharen der Tiere könne nämlich auch dem Menschen gefährlich werden.
«Bevorzugt besetzen Prozessionsspinner-Raupen sowohl Wald- als auch Schwarzföhren. Letztere Baumart wurde in den vergangenen Jahren häufig auch in Privatgärten gepflanzt», weiss Theler, demgemäss der Befall im vergangenen Herbst vor allem in den Bäumen der Region Mörel/Breiten stark war.
«Jeweils im Frühling verlassen Prozessionsspinner ihre Nester und kriechen in langen Kolonnen die Bäume herunter», erklärt er das Verhalten der Insekten. «Anschliessend verpuppen sie sich im Boden und fliegen im Juli als Nachtfalter aus.»
zen / pan
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Kommentare
fritz - ↑14↓2
"Dadurch reguliert sich der Bestand normalerweise von selbst"
Wenn man z.B. die alte Strasse nach Goppenstein fährt, oder auch oberhalb Hohtenn, wimmelt es von diesen weissen Nestern. Jedes Jahr werden es mehr.
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