Gewerbe | Coronavirus zwingt Gärtnereien zu Reorganisation
Blumen und Pflanzen nur auf Bestellung
Oberwallis | Gärtnereien dürfen ihre Ware nicht mehr im Betrieb verkaufen. Gestattet sind hingegen Abholstationen und Lieferservices. Die Angebote kommen bei den Kunden gut an. Die wirtschaftliche Unsicherheit bleibt jedoch gross.
Für den Tourismus sind es die Weihnachts- und Neujahrstage, für die Gärtnereien sind es die Monate von März bis Juni: die mit Abstand wichtigste Phase im gesamten Geschäftsjahr. Bis zu drei Viertel des Jahresumsatzes generieren die Kleinunternehmen in diesem Zeitraum. Die Corona-Krise trifft die Gärtnereien also zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt. Denn seit dem 16. März ist es den Betrieben untersagt, ihre Ware in den hauseigenen Lokalitäten zu verkaufen. Einen kompletten Verkaufsstopp bedeuten die Bundesvorschriften allerdings nicht.
Zahlreiche und strikte Vorschriften
Denn um weiterhin Pflanzen und Blumen an den Kunden zu bringen, können die Unternehmen eine Abholstation einrichten. Die Vorschriften, die es für dieses Angebot einzuhalten gilt, sind allerdings strikt. So muss die Gärtnerei einen speziell markierten Platz zur Verfügung stellen, wo der Kunde seine bestellte Ware zu einer vereinbarten Zeit abholen kann. Für die Mitarbeitenden ist ein direkter Kontakt mit den Kunden untersagt. Ohne Vorbestellung via Telefon oder E-Mail gibt es keinen Warenausgang. Und schliesslich sollte die Bezahlung elektronisch oder via Rechnung erfolgen. Für jene, die zusätzlich einen Lieferservice anbieten, gelten ähnliche Vorschriften.
Seit rund zwei Wochen arbeiten die Handvoll Oberwalliser Gärtnereien nun mit diesem «auferzwungenen» Verkaufsmodell. Eine erste Zwischenbilanz fällt erstaunlicherweise positiv aus.
Ansturm auf Frühlingssortiment
Eine Abholstation hat etwa die Gärtnerei St. Josef in Susten eingerichtet. Deren Leiter Johann Lehner sagt: «Wir spüren, dass die Leute die regionalen Betriebe unterstützen. Dieses Angebot kommt sehr gut an.» Der Frühlingsflor sei praktisch ausverkauft. Ähnlich klingt es bei der staatlichen Gärtnerei des Landwirtschaftszentrums Visp (LZV). Auch hier setzt man unter der Leitung von Franz Isler auf die Möglichkeit einer Abholstation. Er sagt: «Wir verzeichnen einen extremen Ansturm. Die Frühlingsblumen sind bereits ausverkauft. Das ist sonst erst Mitte April der Fall.» Denn viele Kunden wollten noch vor Ostern ihre Gräber bepflanzen, nennt Isler einen der Gründe dafür. Den administrativen Aufwand bezeichnet er hingegen als enorm.
Auch die Gärtnerei Ritter in Naters bietet eine Abholstation an. Betriebsleiterin Maria Ritter stösst ins selbe Horn: «Das Angebot wird rege genutzt. Damit sich die Wege der Kunden nicht kreuzen, vereinbaren wir die Termine im Viertel- oder Halbstundentakt.» Älteren Personen, die von diesem Angebot nicht Gebrauch machen könnten, biete man einen Lieferdienst an.
«Die Leute sind froh, in diesen Tagen und Wochen etwas Farbiges zu Hause zu haben», so Ritter. Und sie könne sich gut vorstellen, dass der hauseigene Garten in diesen Zeiten als «Ort der Selbstversorgung» immer mehr an Bedeutung gewinne.
Des eines Leid ist des anderen Freud
Dass die kleinen Gärtnereien derzeit viele Anrufe und
E-Mails erhalten, hängt vor allem damit zusammen, dass Grossdetailhändler auf den Verkauf von Blumen und Pflanzen vorläufig verzichten müssen. Ins Strudeln geraten folglich die modern eingerichteten Grossproduzenten, die mit Tausenden von Jungpflanzen und Gemüsesetzlingen aus ihren Gewächshäusern die Grossverteiler beliefern. Jardin Suisse, der Unternehmerverband Gärtner Schweiz, rechnet mit einem Verlust im zweistelligen Millionenbereich und befürchtet zahlreiche Schliessungen.
Sorgen legen sich, aber Ungewissheit bleibt
Eitel Sonnenschein herrscht bei den Dorfgärtnereien allerdings nicht. Denn auch wenn sie ihre Pflanzen mittels Abholstation oder Lieferservice an die Kundschaft bringen, fällt mit dem Verkaufsverbot in den eigenen vier Wänden ein gewichtiges Standbein derzeit weg. «Die wirtschaftlichen Folgen sind noch nicht abschätzbar», sagt Maria Ritter dazu. «Wir versuchen schlicht, das Beste aus der Situation herauszuholen.»
Die Ungewissheit bleibt gross. Die Produktion läuft. Aber was, wenn die Grossverteiler ihr Sortiment wieder anbieten können? Wird plötzlich zu viel Ware im Umlauf sein und so die Preise purzeln lassen? «Was in den nächsten Wochen geschieht, weiss keiner», so Isler. Er mahnt zur Ruhe. «Man sollte sich nicht verrückt machen lassen.»
Matthias Summermatter
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