Walliser im Ausland
Peter Bürcher: «Der Isländer sagt: Es wird schon gehen...!»
Peter Bürcher aus Fieschertal ist seit mehr als sechs Jahren Bischof von Reykjavik und wacht auf der Insel aus Eis und Feuer über seine gut 10 000 Schäfchen. Auf 1815.ch spricht der 69-Jährige darüber, dass er zu Beginn nicht immer wusste, was er sagte und über fehlende Bäume im Hohen Norden.
1815.ch: Reykjavik ist die nördlichste und kleinste Hauptstadt Europas. Was hat Sie dahin verschlagen?
Peter Bürcher: «Ja, vom Norden Islands aus liegt der nördliche Polarkreis nur 89 Kilometer entfernt. In der Metropolregion Reykjavik leben zirka 200 000 Einwohner. Es gibt aber in Europa noch kleinere Haupstädte wie zum Beispiel Luxemburg. In ganz Island leben etwas mehr als 10 000 Katholiken, auf 320 000 Einwohner.
Dies hat Papst Benedikt XVI. veranlasst - und nicht ich selber - mich als Bischof von Reykjavik zu ernennen. Mein Vorgänger war ein Holländer und sein Vorgänger war ein Amerikaner. Und jetzt ist es also ein Oberwalliser!»
Seit wann leben Sie in Reykjavik?
«Der Papst hat mich im Oktober 2007 ernannt, so dass ich jetzt im siebten Jahr hier bin.»
Wie lange werden Sie bleiben?
«Wiederum entscheidet das nicht der Bischof selber. Die letzte Entscheidung trifft der Papst. Dies kommt davon, dass der Papst 'als Hirte aller Gläubigen gesandt ist, für das Gemeinwohl der ganzen Kirche und für das Wohl der einzelnen Kirchen zu sorgen'. So läuft es in der Katholischen Kirche!»
Welche Erwartungen hatten Sie an das Leben in Island?
«Zuerst keine! Denn ich war darauf gar nicht vorbereitet. Es war nämlich für mich eine totale Überraschung, als mich Papst Benedikt XVI. vor sieben Jahren als Bischof von Reykjavik ernannt hatte. Diese Insel aus Eis und Feuer war mir total unbekannt.
Danach kamen natürlich meine Erwartungen, besonders diesem Volke als guter Hirte dienen zu können. Das hatte ich schon einigermassen lernen können als ich im Oberwallis während den Ferien als Knabe die Ziegen und auch Schafe hütete...! Na, das ist aber trotzdem nicht das Gleiche!»
Haben sich diese Erwartungen erfüllt?
«Ja, mit unseren 16 Priestern und 31 Ordensschwestern sowie vielen engagierten Laien, beten und arbeiten wir miteinander in Zufriedenheit und Mut für die Evangelisierung unseres Volkes.»
Wem sind Sie in Reykjavik zuerst begegnet?
«Einem Isländer und zwar schon im Flugzeug nach Reykjavik. Ich sass da und hatte die isländische Morgenzeitung in der Hand. Er setzte sich neben mich und sprach mich auf Isländisch an. Als ich ihm antwortete dass ich (noch) nicht Isländisch spreche, sagte er mir: 'Aber du liest ja die isländische Zeitung!' Ich antwortete ihm auf Englisch: 'Ja, aber ich schaue nur die Fotos an...!' Das war meine erste isländische Begegnung!»
Isländisch gilt als äusserst schwierig: Sprechen Sie die Landessprache?
«Ganz besonders wegen der Grammatik ist Isländisch sehr schwierig. Ich habe sofort angefangen Isländisch zu lernen. Obwohl es meine sechste Sprache war, hatte ich mir vorgenommen, Isländisch nur mit ohne zuviel Fehler wenigstens lesen zu können.
Jetzt zelebriere ich die Messe und predige regelmässig auf Isländisch. Vorher muss ich aber alles auf Isländisch perfekt übersetzen lassen. Ich muss auch gestehen, dass ich ganz am Anfang nicht wusste was ich sagte ... Aber die Leute verstanden mich, sagten sie mir!»
Welches Wort brauchen Sie am meisten?
«'Takk fyrir!' Besten Dank! Und auch 'Bless!' Auf Wiedersehen!»
Wie wohnen Sie?
«Ich wohne im Bischofshaus, im Zentrum der Stadt, neben der Kathedrale und unserem Priesterhaus.»
Wie ist das Wetter momentan?
«Ausnahmsweise jetzt im Winter sehr gut. Aber wie immer in Island kann das plötzlich ändern, wie auch in Europa auf den hohen Gebirgen, obwohl wir hier auf Meereshöhe sind, aber eben im Hohen Norden.»
Die Isländer gelten als einerseits ungezwungenes Volk - höfliche Anreden etwa gibt es nicht, man spricht sich mit Vornamen an - anderseits als nicht sehr offen gegenüber Fremden. Wie würden Sie die Isländer beschreiben?
«Ich habe die Frage an drei Isländer gestellt. Alle drei haben mir die gleiche Antwort gegeben: 'Jeder Isländer meint, er sei König!'»
Island und das Wallis haben fast gleich viele Einwohner, was möglicherweise auch schon die einzige Gemeinsamkeit ist. In was unterscheiden sich die Isländer von den Wallisern?
«Schwierige Frage! Oder besser gesagt, schwierige Antwort! Wir haben wenigstens ein gemeinsames Wort: 'Flott!' Ist das nicht schön? Jetzt ein Unterschied: Wenn etwas nicht geht, sucht der Walliser sofort eine Lösung; der Isländer sagt: 'Es wird schon gehen!' Und er wartet...»
Welches Bild der Schweiz haben die Isländer?
«Zuerst das Geld!»
Fehlt Ihnen die Schweiz manchmal?
«Einmal hat eine Journalistin mich auch gefragt, was mir im Vergleich zur Schweiz am meisten auf Island fehlt und ich habe geantwortet: neben der Familie und den Freunden, die Bäume: es sind hier sehr wenige und die Züge: die gibt es auf Island nicht.»
Besuchen Sie Ihre Heimat regelmässig?
«Selten, leider aber habe ich zu wenig Gelegenheit und Zeit dazu.»
Was ist ein typisches isländisches Gericht?
«Hier isst man sehr viel Fisch. Was auch, wie es die Deutschen sagen würden, in Island sehr 'lecker' ist, das ist das Lammfleisch, begleitet von sehr guten Kartoffeln.»
Was muss man unbedingt gesehen haben, wenn man Island und Reykjavik besucht?
«Es gibt sehr viele Sehenswürdigkeiten in Island, wie zum Beispiel die Geysire und die Gletscher! Wenn ich aber 'für meine Pfarrei predigen darf', kommen Sie doch in unsere Kathedrale! Sie liegt im Zentrum der Stadt Reykjavik und ist schön! Danach, wie es die Isländer tun, lade ich Sie zu einem Kaffee ein! Und da Sie jetzt schon zwei isländische Parolen kennen, sage ich Ihnen: 'Takk fyrir!' 'Bless!'»
Für unsere Rubrik «Walliser im Ausland» sind wir regelmässig auf der Suche nach Wallisern, die fernab der Heimat leben. Gehören Sie auch dazu oder kennen Sie jemanden? Dann freuen wir uns auf Ihre Nachricht an info@1815.ch.
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Kommentare
Bürcher - ↑0↓0
Vergelt's Gott!
Takk fyrir!
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