Musikfest | Der einzige Kanton, wo der Musikanten-Mercato reglementiert ist
Passkontrollen vor dem grossen Auftritt
Innerhalb der Musikszene sorgen sie für reichlich Gesprächsstoff: Die sogenannten «Kanadier». Damit sind Musiker gemeint, mit denen sich die Gesellschaften – ähnlich wie im Hockey – im Vorfeld eines wichtigen Wettbewerbs verstärken. Der unbändige Ehrgeiz hat aber auch eine Kehrseite.
Für Aussenstehende schwer nachvollziehbar, innerhalb der Musikszene ein Dauerthema: Die zahlreichen «Transfers», die von den Walliser Musikgesellschaften vor den wichtigen Wettbewerben getätigt werden. Das Phänomen der «Kanadier», dass man sich mit auswertigen Cracks punktuell verstärkt, ist eine Anlehnung an den Hockey-Sport. Und kann auch bei einem Musikstück den kleinen, aber so wichtigen Unterschied ausmachen.
Wenn etwa beim vom Verband vorgegebenen Aufgabenstück tückische Solisten-Einlagen gefragt sind, oder das Bläser-Set in den grossen Sälen noch etwas «Druck» braucht, ist man als ambitionierte Gesellschaft gut beraten, sich die Dienste der passenden Musikanten zu sichern. «Sie können der ganzen Gruppe in diesem entscheidenden Moment Sicherheit geben», erklärt Musikexperte Amadé Schnyder die Hintergründe. Der Leiter der Allgemeinen Musikschule Oberwallis AMO relativiert aber auch: «Eins, zwei Topmusikanten bringen nichts, wenn ein Verein nicht gut genug eingeübt oder nicht auf einem entsprechenden Niveau ist. Das ist ähnlich wie im Fussball oder in einem anderen Mannschaftssport.» Gute «Kanadier» können gute Vereine weiterbringen, nicht aber mittelmässige um vieles besser machen.
Umstritten – aber regelkonform
Schnyder, der am Kantonalen Musikfest für die Durchführung der Wettbewerbe verantwortlich ist, führt das «Kanadier»-Phänomen auf das musikalische Niveau zurück, das in den letzten Jahren nochmals gestiegen sei. Vor allem die Vereine aus dem Unterwallis und besonders die dortige Brassband-Sparte seien bekannt dafür, sich gegenseitig zu immer wieder neuen Spitzenleistungen zu puschen. Dazu verschiebt sich auch der Fokus innerhalb der Vereine. «Die Musik rückt vermehrt in den Mittelpunkt. Heute will man in seiner Freizeit etwas machen, das Qualität hat.»
Der Musikanten-Mercato ist innerhalb der Szene zwar umstritten, aber völlig zulässig und vom Verband genau geregelt. So kann ein Musikant Mitglied in mehreren Vereinen sein und dieses Wochenende auch mit mehreren Uniformen nach Naters reisen. Er oder sie müssen das im Musikerpass aber belegen können. Kurz bevor es auf die Bühne geht, werden alle Akteure durch eine Passkontrolle gelotst, um sich auszuweisen. Wer das nicht kann, darf nicht spielen. Wird der «Söldner» trotzdem aufgestellt, wird der Verein disqualifiziert. So erging es etwa der stolzen Stadtmusik «Saltina» aus Brig beim Kantonalen vor zehn Jahren. Vor fünf Jahren wurde die «Viktoria» aus Turtmann ebenfalls disqualifiziert. «Es gelten die gleichen Regeln für alle», sagt Schnyder, «aber im Allgemeinen sind die Vereine heute sicherlich sensibler für dieses Thema».
Mittelmässige Musikanten bleiben auf der Strecke
Das Kräftemessen mit seiner teils verkrampften Verbissenheit hat aber auch eine Kehrseite. So fühlen sich Vereinsmitglieder, die technisch nicht mithalten können, abgehängt im steten Rennen um die perfekte Performance. Früher, so Schnyder, habe die Geselligkeit das Vereinsleben geprägt, der Stolz, für das eigene Dorf, die geliebten Farben aufzuspielen. Diese integrative Komponente nehme ab, stellt er fest. Das Gefüge in den Gesellschaften verändere sich, eine Entwicklung, die man im Auge behalten müsse.
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