Natur | Ausflug eines Riesenvogels von Frankreich in die Schweiz findet tragisches Ende
Majestätischer Mönchsgeier stirbt auf Strommasten im Vispertal
Am Montag ist auf einem Strommasten bei Staldenried ein seltener Mönchsgeier durch einen Stromschlag getötet worden. Nun ist klar, woher der gefährdete Vogel stammt.
Am Montagmorgen nach 11 Uhr kam es zu einem Störungsfall auf der 65-kV-Leitung Ackersand-Saas. In der Folge mussten die Bewohner der Gemeinden im Saastal vorübergehend ohne Strom auskommen. Bei einer anschliessenden Leitungskontrolle von Mitarbeitern der Elektrizitätsgesellschaft war der Grund für den Stromunterbruch rasch gefunden. Ein in der Schweiz nicht heimischer Mönchsgeier berührte mit seinen mächtigen Flügeln eine Stromleitung und fand dabei den Tod.
Flügelspannweite von 2,7 Metern
Wildbiologe Urs Zimmermann nahm den getöteten Vogel unter die Lupe: «Der Mönchsgeier wog 6,5 Kilogramm, seine Flügelspannweite betrug 2,7 Meter. Er kam durch einen Stromschlag ums Leben, als er auf dem mittleren Quermasten landen wollte und dabei mit dem linken Flügel mit dem Kabel in Berührung kam. Der Strom floss von der Leitung über den Flügel, durch den Körper und den Fuss zum Masten»
In den letzten drei Wochen seien im Raum Törbel gleich mehrere Geier gesichtet worden. «Zwei davon waren Gänsegeier und einer ein Mönchsgeier, wahrscheinlich jenes Tier, das nun verunfallt ist. Es könnte aber auch noch ein zweiter Mönchsgeier im Gebiet gewesen sein», sagt Zimmermann. Und bedauert, dass bereits im April unterhalb der Moosalp bei Törbel ein Uhu bei einem Strommasten durch einen Stromschlag das Leben liess.
1500 gefährliche Strommasten im Wallis
Denn Beweis, dass sich zwei Mönchsgeier im Vispertal aufgehalten haben, liefert der passionierte Naturfotograf Toni Lorenz aus Törbel. «Zwischen dem 3. und 6. Juni konnte ich zwei der prächtigen Vögel in der Nähe von Törbel mehrmals fotografieren. Die Fotos hab ich auf meiner Website tonisfotogalerie.ch online gestellt. Tragisch, dass der Geier nun so ums Leben gekommen ist.»
In Zusammenarbeit mit der Vogelwarte Sempach sind im Wallis gemäss den vom Bund festgelegten Kriterien etwa 1500 Strommasten ausgemacht worden, die potenzielle Todesfallen für Vögel darstellen. «Wir hoffen auf den Goodwill der Stromgesellschaften, dass sie die Leitungen sukzessive sicher machen. Stromausfälle wegen toter Vögel schaden letztendlich ja auch den Elektrizitätswerken.» Sie liessen sich mit wenig Aufwand und einfachen Massnahmen sanieren.
Nachgefragt / Der Vogel schlüpfte 2015 in «Les Baronnies»
«Getöteter Mönchsgeier stammt aus Frankreich»
Aufgrund einer Beringung des getöteten Mönchsgeier ist die Vogelwarte Sempach der Herkunft des Riesenvogels auf den Grund gegangen, wie Biologe und Ornithologe Michael Schaad im Interview mit 1815.ch darlegt.
Michael Schaad, das tot aufgefundene Tier war beringt. Was weiss man über seine Herkunft?
«Der an einem Strommasten getötete Mönchsgeier stammt aus der Landschaft ‚Les Baronnies’ im Departement Drôme, wo er 2015 geschlüpft war. Mönchsgeier aus den Wiederansiedlungsprojekten in Frankreich tauchen in den letzten Jahren zunehmend in der Schweiz auf. Auch dieses Jahr wurden wiederholt Mönchsgeier beobachtet, insbesondere im Wallis.»
Wo kommen Mönchsgeier heute in der freien Wildbahn vor?
«Der Mönchsgeier kommt von der Türkei bis nach China vor. Weiter westlich ist er nur lückenhaft verbreitet. In Europa brütet der Mönchsgeier heute hauptsächlich in Spanien. Nachdem der Mönchsgeier im 19. Jahrhundert in vielen Teilen Europas fast ausgerottet worden war, begann Frankreich in den Neunzigerjahren, die Art wieder anzusiedeln. Heute gibt es in unserem Nachbarland insgesamt drei Wiederansiedlungsprojekte mit rund 30 Brutpaaren.»
Ist es denkbar, dass sich nach der Wiederansiedlung von Bartgeiern zukünftig auch Mönchsgeier wieder in der Schweiz und damit im Wallis niederlassen?
«Im Gegensatz zum Bartgeier gibt es beim Mönchsgeier auch aus der Vergangenheit keine Brutnachweise aus der Schweiz. Dass sich ein Mönchsgeier aus Frankreich dereinst im Wallis zum Brüten niederlässt, ist aber nicht ausgeschlossen.»
Werden Mönchsgeier auch in der Schweiz ausgewildert?
«Zu Auswilderungen wird es in der Schweiz nicht kommen. Sicher ist, dass künftig mehr Mönchs- aber auch Gänsegeier die Schweiz besuchen werden. Von grösster Wichtigkeit ist deshalb die konsequente Beseitigung von Gefahrenquellen. Dazu gehören neben einem Verbot von Bleimunition auch die Berücksichtigung bei der Planung von Windenergieanlagen und die Sanierung gefährlicher Strommasten.»
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