Mantrailing | Mensch und Hund auf Vermisstensuche
Mit Personenspürhund «Amor» unterwegs in Visp
Nach mehrjähriger, intensiver Ausbildung bildet die ausgewiesene Hundeführerin Claudia Boltshauser, Mitglied der REDOG-Regionalgruppe Ostschweiz zusammen mit ihrem Vierbeiner «Amor», einem Jura Laufhund ein einsatzfähiges Mantrailing-Suchteam. Gemeinsam suchen sie nach vermissten Personen anhand deren Geruchs. Am Samstag absolvierte das Gespann in Visp einen Eignungstest.
Hund «Amor» ist geprüfter Personenspürhund. Der vierbeinige Helfer von Hundeführerin Claudia Boltshauser kommt dann zum Einsatz, wenn Personen vermisst werden. Der Geruch der verschwundenen Person liefert dem Tier den entscheidenden Hinweis zu deren Aufenthaltsort. Im Rahmen eines Eignungstests müssen Hund und Mensch ihre Fähigkeiten alljährlich aufs Neue unter Beweis stellen – begleitet von zwei Begutachtern. Für Boltshauser und «Amor» führte die Fährte am Samstag mitten durch die Gassen von Visp. Das Team hatte 60 Minuten Zeit, die Zielperson, welche sich in rund einem Kilometer Entfernung aufhielt, ausfindig zu machen. Auch die Hundehalterin hatte keinerlei Kenntnis über den Verlauf der Route.
Prüfungsteilnehmer nehmen Witterung auf
Nachdem «Amor» beim alten Migros in Visp die nähere Umgebung erschnüffelt hat, erfolgt die Geruchabgabe der vermeintlich Vermissten. Tief steckt der Jura Laufhund seine Schnauze in einen Beutel, um den Geruch intensiv aufzunehmen. Sekunden später legt der Hund sein Körpergewicht nach vorne gelehnt ins Brustgeschirr, läuft mit gesenktem Kopf los und zieht Claudia Boltshauser an der Leine hinter sich her.
Vorbei an Passanten in der oberen Visper Bahnhofsstrasse, an lärmenden Autos oder bellenden Artgenossen vorüberziehend, Häuserwänden, Zäunen und Rabatten entlang. Durch Vorgärten und über den La Poste-Platz streifend, Hauseingänge inspizierend, längs der stark befahrenen Kantonsstrasse, um dann und wann die feuchte Nase in die Luft zu halten: der an der langen Leine geführte Mantrailer «Amor» lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Konsequent und mit höchster Präzision verfolgt er die von ihm aufgenommene Spur und durchkämmt dabei einzelne Quartiere des Lonzastädtchens. «Der Hund fällt nach der Geruchsabgabe quasi in eine Art Suchmodus», erklärt René Previdoli, Präsident der Regionalgruppe Wallis des Schweizerischen Vereins für Such- und Rettungshunde REDOG, welche die Eignungstests im Wallis organisiert haben.
Fährte mit Schlaufen und kurzen Pausen
Der Suchhund unterscheidet verschiedene menschliche Geruchspartikel voneinander und orientiert sich, trotz vieler Verleitungen in seiner Umgebung, ausschliesslich an den Geruchsmerkmalen des Gesuchten. Es ist windig an diesem Samstagmorgen in den Strassen von Visp. Die Geruchsspur kann sich dadurch verschoben haben. Nicht immer wählt das Mantrailing-Suchteam jene Route, welche auf der Karte des Begutachters eingezeichnet ist. «Amor» verfolgt die Spur dort, wo sie sich für seine Nase befindet.
Die Arbeit ist anstrengend – für Mensch und Spürnase. Kurze Pausen werden dazu genutzt, innezuhalten und «Amor» in einem Gefäss Wasser anzubieten. Boltshauser spricht dem Vierbeiner beruhigend zu. Die grösste Herausforderung besteht für sie während eines Trails darin, die Körpersprache ihres Hundes zu «lesen» und diese, ohne auf das Tier Einfluss zu nehmen, richtig zu deuten. Unterstützt werden die beiden REDOG-Suchspezialisten dabei von einem speziell ausgebildeten SAR-Helfer, der im Kartenlesen und im Umgang mit Kompass und GPS-Empfänger geschult ist.
«Amor» hat den richtigen Riecher
Nach den Verschnaufpausen wird eifrig weitergesucht, den Kopf gesenkt, neugierig und gelegentlich in einem Tempo, das die Begutachter und die weiteren Begleiter der Equipe nicht selten zum Laufschritt zwingt. REDOG-Mitglied Previdoli dazu: «Je nach Witterungsverhältnissen und anderen einflussnehmenden Faktoren kann ein Mantrailer während Stunden auf seine Aufgabe fokussiert sein. Dabei kann er beachtliche Distanzen zurücklegen. Hunde sind Menschen beim Riechen weit überlegen. Noch zwei Wochen nach dem Verschwinden einer Person können Mantrailing-Hunde eingesetzt werden.»
Derweil haben sich Claudia Boltshauser und ihr vierbeiniger Helfer zum Spital in Visp in die Pflanzettastrasse hochgearbeitet. Nach einem Schlenker über die Grünanlage eines Wohnblocks, schlägt «Amor» den Weg über den Spital-Parkplatz hinter dem Gebäude in Richtung Planetenweg in der Nähe des Bildungshaus St. Jodern ein. Trotz grosser Menschengruppen, die sich aufgrund des am Samstag ausgetragenen Wii Grill Fäscht in der Nähe aufhalten, wird die gesuchte Person nach rund einer Stunde ebendort ausgemacht – mit hörbarem Bellen. Gleich darauf erhält «Amor» eine «Gourmet»-Belohung für seine wertvolle Arbeit und wird von der Hundehalterin verbal bestätigt. Auch sie ist zufrieden mit ihrem Schützling. Test mit Bravour bestanden!
REDOG
Gemäss des Schweizerischen Vereins für Such- und Rettungshunde REDOG sind weder Alter, Rasse noch Geschlecht des Hundes ausschlaggebend, ob dieser zum Personensuchhund ausgebildet werden kann. Man rät interessierten Personen jedoch dazu, möglichst früh mit Training und Schulung zu beginnen. Die intensive Ausbildung zu einem einsatzfähigen Mantrailing-Team dauert mindestens drei Jahre. Die Suche nach einer vermissten Person ist für die Angehörigen kostenlos. Auch Privatpersonen können die Freiwilligenorganisation REDOG alarmieren.
pan
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