#UnternehmenWallis | Technik im Schulunterricht

«Mit der Dichte an Baumhütten steigt die Innovationskraft in der Region»

René Providoli aus Leuk ist Primarlehrer und Werklehrer an der Kunstgewerbeschule in Zürich sowie Erziehungswissenschafter. Der Vater von drei Kindern arbeitet ferner im Teilpensum als Dozent an der Pädagogischen Hochschule Wallis und ist Geschäftsführer von «explore-it!».
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René Providoli aus Leuk ist Primarlehrer und Werklehrer an der Kunstgewerbeschule in Zürich sowie Erziehungswissenschafter. Der Vater von drei Kindern arbeitet ferner im Teilpensum als Dozent an der Pädagogischen Hochschule Wallis und ist Geschäftsführer von «explore-it!».
Foto: Swissmem

Quelle: 1815.ch 14.11.15 0
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Der Verein und die Stiftung «explore-it» fördert die Freude und das Verständnis an Technik und Naturwissenschaften im Schulunterricht. Geschäftsführer René Providoli erklärt im Interview, wie technische Nachwuchsförderung geht.

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  • #UnternehmenWallis

Herr Providoli, was ist «explore-it»?

«Entstanden ist ‹explore-it› aus einem Forschungs- und Entwicklungsprojekt der beiden Pädagogischen Hochschulen des Kantons Wallis und der Fachhochschule Nordwestschweiz. Wir vertreiben in der Schweiz und in Liechtenstein Lernmaterial direkt für die Hand von Schülern ab der 4. Klasse, mit denen diese technische Objekte bauen oder Experimente machen können. Am Ende der Unterrichtseinheiten können die Kids ihr Elektroauto oder ihr eigenes Strom produzierendes Lavabokraftwerk mit nach Hause nehmen.

Bis heute hat ‹explore-it› mithilfe von Gönnern mehr als 100'000 Kinder und Jugendliche erreicht, die jeweils bis zu 20 Stunden mit dem Lernangebot gearbeitet haben. Jährlich bieten wir auch Weiterbildungskurse für bis zu 500 Lehrpersonen und sogenannte regionale Erfindertage an. Auf eine Initiative von Jean-Pierre Bringhen hin unterstützen wir im Wallis seit zwei Jahren mit der Aktion ‹VS:explore-it› Schulen durch Weiterbildungskurse sowie Lernmaterial und organisieren jährlich einen Erfindertag. Das Projekt wird durch den Handwerkerverband (Bureau des métiers), den Verein Jugend und Wirtschaft, den Kanton Wallis und die Pädagogische Hochschule Wallis unterstützt.»

Mit welchen Massnahmen fördert «explore-it» die Begeisterung der Kinder und Jugendlichen für die Technik?

«Wir konzentrieren uns vor allem auf den Unterricht in der Volksschule, weil wir hier den besten Multiplikator sehen. Das Thema ist in den Lehrplänen vorgeschrieben, unser Ansatz bedingt keine aufwendige Infrastruktur, und die Lehrkräfte, die sich mit Lernprozessen auskennen, sind zugegen.Der entscheidende Faktor sind dabei neben den Gönnern die Lehrerinnen und Lehrer – sie muss man unbedingt unterstützen! Als aktive und ehemalige Lehrerbildner liefern wir den Lehrpersonen geeignete Lehrmittel und schulen sie in Kursen für den Einsatz im Unterricht. Das Experimentiermaterial wird für die Lernenden konzipiert. Begeisterung wecken wir damit, dass den Lernenden ermöglicht wird, selber Hand anzulegen, um etwa aus Isolationsmaterial ein Flugzeug zu bauen und es schliesslich zum Fliegen zu bringen.

«Der entscheidende Faktor sind die Lehrerinnen und Lehrer»

Das Selberbauen, das Ausprobieren, das Experimentieren und das Reparieren machen Freude, etwa wenn das Flugzeug nach dem Anbringen von Klappen einen Looping fliegt. Im Vordergrund steht dabei das Selbermachen, das Emotionen weckt und vom Stolz genährt wird, etwas Nützliches gemacht zu haben. Für Kinder haben selbst hergestellte Objekte oft einen Wert, den gekaufte Artikel nicht erreichen. Wichtig ist auch die Arbeit in der Gruppe. Diese macht nicht nur mehr Spass, sondern stimuliert den Lernprozess und regt den Forschergeist an. So ist das ja auch im richtigen Leben. Gute Vorbilder und Konkurrenz beleben den Geist.»

Wo lernt ein Kind Technik?

«Hier müssen wir zuerst darüber reden, was Technik eigentlich ist. Technik ist nämlich nicht nur ‹Handy und Computer›. Ein Schuh, ein Trinkbecher oder ein Möbelstück sind ebenfalls äusserst wichtige technische Objekte. Auch Nahrung, Mobilität, Entsorgung oder Kommunikationsmöglichkeiten sinddie Ergebnisse des Einsatzes von Technik. Eine Definition von Technik, die mir persönlich sehr gut gefällt, lautet: ‹Technik ist das, was es uns erlaubt, faul zu sein.› Daraus ist zu folgern, dass es gut tut, sich erst einmal mit einfachen Problemen in der Technik aktiv handelnd auseinanderzusetzen und die Rolle des Konsumenten abzulegen.

Eine erste Lektion in Technik lautet somit: Eigentlich funktioniert sie gar nicht – es geht darum Technik in Funktion zu bringen und in Funktion zu erhalten oder sauber ausser Funktion zu setzen. In optimaler Weise nähern sich Kinder Technik also dann, wenn sie eine Baumhütte bauen, einen Bach stauen oder eine Seifenkiste konstruieren. Leider passieren solch wunderbare Lernmomente in Technik und Naturwissenschaften heute immer weniger. Wir von ‹explore-it› konzentrieren uns darum auf den Schulunterricht.»

Welche weiteren Angebote bestehen im Oberwallis?

«Ausserhalb des obligatorischen Schulunterrichts gibt es nur wenige Möglichkeiten. Eine löbliche Ausnahme im Oberwallis ist der Erfinderclub in Brig, den ‹explore-it› vor drei Jahren initiiert hat und der heute von einem eigenen Verein betrieben wird. Kinder kommen heutzutage zuhause nur selten in Kontakt mit Technik. In der Landwirtschaft, beim Kochen oder auch beim Reparieren von Alltagsobjekten würden sich aber viele Möglichkeiten bieten.»

In welchem Alter sollte das Technik-Interesse geweckt werden?

«Am besten beginnt man damit natürlich möglichst früh, indem kleine Kinder mit Sand, Wasser und einfachstem Spielgerät Erfahrungen machen können. Dieses eher noch dem Spielen zuzuordnende Entdecken ist fundamental für das spätere Lernen – nicht nur in Technik. Das beste Alter, um schliesslich in die Themen Technik und Naturwissenschaften einzutauchen, ist ab neun Jahren und dauert bis etwa zum 13. Altersjahr. In der Pubertät sind oft andere Themen wichtiger, und die haben in den seltensten Fällen mit Technik zu tun.

«Technisches Interesse wäre bei fast allen Kindern vorhanden»

Eltern rate ich, Kindern auch beim Thema Technik Freiräume zu gönnen und die Interessen der Kinder, die wirklich bei fast allen vorhanden wären, wahrzunehmen; also keine Angst davor, dass eine Drittklässlerin mit dem Sackmesser schnitzt und ein Vierjähriger beim Rüsten von Gemüse mithilft. Ferner braucht es Zeit. Wenn rudimentäres Werkzeug, nicht allzu aufgeräumte Räume und einfachstes Material verfügbar sind, steigt die Dichte an Baumhütten in der Region und damit die Chance darauf, dass Kinder einmal mündige, verantwortungsvolle Bürger und schlaue Köpfe werden. Hier sind neben den Eltern auch Behörden, Verkehrsplaner, Spielplatz-Anwohner, ja eigentlich alle gefordert.»

Kann man Kinder mit Produkten aus der Spielwarenindustrie, wie Experimentierkästen oder Roboter, für das Thema sensibilisieren?

«Vor allem bei kleinen Kindern warnen viele Experten vor zu perfekten Spielwelten, welche die Phantasie der Kinder kaputt machen. Wenn beispielsweise das Gesicht einer Puppe nicht zu genau definiert ist, kann man damit neben lustigen auch traurige Situationen spielen. Wenn aus steckbaren Plastik-Bauklötzen nur exakt das vorgegebene Objekt gebaut werden kann, ist das schade. So paradox es klingt, aber weniger Spielzeug macht mehr Spiel. Wenn die Möglichkeit besteht, dass etwas kaputt gehen kann, steigen gleichzeitig die Möglichkeiten im Spiel.

Sand, Steine, Äste oder Wasser haben schon unseren Grosseltern wunderbare Spiel- und Lernmöglichkeiten eröffnet. Die Werkstatt im Remis und die ältere Frau in der Nachbarschaft, die noch vieles selbst flickt, sind ideale Lernfelder für Kinder. Gekaufte Experimentiersets und Roboterspielzeuge sind es nur dann, wenn sie den Kindern die Gelegenheit zum eigenen Erkunden und Gestalten lassen. Im Unterricht ist diese Herangehensweise übrigens darum gut realisierbar, weil Kinder in der Schule in einer grösseren Gruppe beisammen sind. Die Eltern, welche mit dem Zögling vor der Bauanleitung eines Experimentierkastens sitzen, werden es ungemein schwieriger haben, die Initiative dem Kind zu überlassen. Eine Gruppe verunmöglicht es im Unterricht hingegen, dass die Lehrperson für jeden die Arbeit übernimmt.»

Das komplette Interview mit René Providoli und weitere Antworten auf Fragen, wie besonders Mädchen für Technik begeistert werden können, wie sich das Technikverständnis in den vergangenen Jahren verändert hat und warum dem Bereich Technik im Unterricht ein hoher Stellenwert beizumessen ist, lesen Sie in der aktuellen WB-Themenbeilage #UnternehmenWallis, die in Zusammenarbeit mit The Ark, der Stiftung für Innovation des Kantons Wallis, und dem «Walliser Boten» realisiert wurde. Darin enthalten sind unter anderem aktuelle Zahlen zur Walliser Wirtschaft, Porträts von Oberwalliser Jungunternehmern und eine Kostprobe besonderer Walliser Export-Produkte. Ein PDF mit allen Artikeln der Beilage gibt es hier.

pan
14. November 2015, 09:05
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