Festung | Zu Besuch bei Werner Bellwald im Natischer «Kulturbunker»
«Mich fasziniert der Untergrund»
Seit Jahren betreut Werner Bellwald die Ausstellungen in der Festung Naters. «Der Mann in der Festung» verbringt viel Zeit in der alten Anlage und schätzt die Abgeschiedenheit im Felsen.
15 Grad. Angenehm kühl sind die Temperaturen in den Stollen der Natischer Festung. Zumindest im Sommer. Die Gänge aus den frühen 40er-Jahren ziehen sich auf über einen Kilometer Länge durch das Felsband oberhalb des grossen Dorfs. Die Soldaten sind längst abgezogen. Geblieben sind ihre Räumlichkeiten und Einrichtungsgegenstände, von Kanonen und Dieselmotoren über Massenschläge bis hin zur Totenkammer. «Ein kleines unterirdisches Dorf. Man entdeckt vieles», erklärt Werner Bellwald. Der 56-jährige Kulturwissenschaftler und Historiker ist Kurator der «La Caverna», der Dachorganisation der Museen und der Mieter, die sich nach Abzug der Armee in den 90er-Jahren seit 2005 in der Festung einquartiert haben.
Es kommt nicht von ungefähr, dass sich Bellwald oft im «Felsen-Dorf» aufhält. Bereits als 16-Jähriger sei er mit Kollegen erstmals in ein altes Bergwerk vorgedrungen, das sie zuvor auf einer Landkarte entdeckt hatten. «Seither fasziniert mich der Untergrund», betont er. In der Zwischenzeit habe er verschiedenste Minen besucht und auch über den Bergbau in der Schweiz geschrieben. «Es ist spannend, die noch bestehende Infrastruktur zu erkunden und mit Zeitzeugen über die damalige Arbeit zu sprechen.» In der Festung Naters fühle er sich deshalb sehr wohl. Es gebe zum Teil sehr kleine Gänge und gleichzeitig Hallen, die mit Lichteffekten gestaltet werden können. «Auch die alten Festungseinrichtungen sind teilweise erhalten geblieben.» Gleichzeitig sei die Anlage nahe an den Zentren Naters und Brig gelegen, andere befänden sich stundenweit entfernt im Gebirge.
Genug Platz zum Schlafen
Bellwald arbeitet zu 50 Prozent für den Kulturbetrieb in der Festung. Daneben schreibt er Publikationen, erstellt Konzepte, hat einen Lehrauftrag an der Universität Basel, betreibt ein kleines Abfallmuseum im Lötschental und ist für das Freilichtmuseum Ballenberg tätig, für das er derzeit neue Informationstafeln zu den Gebäuden verfasst. Zwei bis drei Tage pro Woche verbringt er in der Festung und übernachtet in der Mannschaftsunterkunft. «Noch immer hat es rund 120 Betten. Da findet man schon eines zum Schlafen», scherzt der Festungsbewohner, der ansonsten in Basel und in Ried im Lötschental lebt. «Hier schlafe ich besser als daheim. Es herrscht absolute Ruhe und die klimatisierte Luft ist angenehm.» Obwohl Bellwald in der Festung über Internet und Festnetzanschluss verfügt, kann er bei der Arbeit gut abschalten. Er schätzt die Ungestörtheit. «Wie wenn man im Zug das Smartphone ausschaltet», vergleicht er.
Morgens wasche er sich kalt im Waschraum und frühstücke in der Festungsküche, bevor er an die Arbeit gehe. Wenn er dann nach einem ersten Block Arbeit die schwere Panzertüre zur Aussenwelt öffne, frage er sich jeweils gespannt, wie es draussen wohl sei. Ob es regnet? Ob die Sonne scheint? «Man nimmt das Wetter und alles draussen viel bewusster wahr. Doch den Untergrund musst du auch ertragen können.» Es gebe Leute, die ihn dafür beneiden, und andere, die auf keinen Fall mit ihm tauschen möchten. «Die Arbeit hier in der Festung heisst Verantwortung und erfordert Durchhaltevermögen, birgt aber auch Freiheiten», erklärt Bellwald, der sich selbst augenzwinkernd als «Mädchen für alles» bezeichnet. Ohne ein Sekretariat oder andere Hilfen müsse er halt verschiedene zusätzliche Aufgaben übernehmen.
Vom Käse bis zur Antenne
Mit dem angelaufenen Neubauprojekt für einen Empfangsraum mit Cafeteria, inklusive Unterstand und Toiletten, wird die Festung, die sich im Besitz der Gemeinde Naters befindet, als Oberwalliser Museumszentrum weiter aufgewertet. Aktuell ist in der Festung neben Käse- und Weinproduzenten, welche die Räume zur Lagerung nutzen, oder einer Band mit Probelokal auch die Sunrise als Mieterin aufgeführt. Sie verfügt über eine Antenne im Aussenbereich. Hinzu kommen mit dem Garde- und dem Festungsmuseum zwei bereits heute etablierte Museen. «Es ist ein Konglomerat, das eigentlich recht gut funktioniert», so der Kurator. In den nächsten Jahren wird dieses zusätzlich durch ein Strahlermuseum sowie das Museum «Les Valaisanneries» ergänzt.
Letzteres ist ein Projekt, das Werner Bellwald besonders am Herzen liegt. «Die Bauarbeiten haben inzwischen begonnen. Realistisch gesehen ist mit einer Eröffnung im Jahr 2020 zu rechnen. Ein Ziel für meinen 60. Geburtstag!» Zahlreiche Ausstellungsgegenstände sind bereits vorhanden. Sie reichen von einem Oldtimer aus Vouvry bis hin zu römischen Schuhnägeln vom Albrunpass. Die Ausstellung wird unter anderem die Themen Mobilität und Fortschritt behandeln. «Hier in der Festung ist es spannend, ein viertes Museum zu haben. Dann ist der Platz aber ausgereizt. Wir können schon heute nicht mehr alle Anfragen berücksichtigen», betont er. Zugleich freut er sich jedoch, dass die alten «Gemäuer» so weiter erhalten bleiben. «Viele andere Festungen stehen leer oder wurden zugemauert.»
Bis zu 10'000 Besucher
Das Gardemuseum, das dieses Jahr sein zehnjähriges Jubiläum feiert, und auch das nur wenig jüngere Festungsmuseum zeigen, dass das Modell funktioniert. «Ehemalige Gardisten oder Festungswächter übernehmen gegen eine kleine Entschädigung die Führungen. Wenn man bedenkt, dass in einem Museumsbetrieb der grösste Budgetposten sonst das Personal ist, kann so viel gespart werden.» Mit den Einnahmen wird der Unterhalt finanziert, wie etwa die Stromrechnung. Immerhin ein Budgetposten von über 20'000 Franken jährlich. Das übrige Geld wird zudem laufend für kleinere Investitionen genutzt. So planen sowohl das Festungs- als auch das Gardemuseum aktuell die Nutzbarmachung neuer Räume für ihre Besucher.
«Während eines guten Jahres kommen 10'000 Leute, darunter viele Schulklassen. Erstaunlicherweise auch viele Besucher aus der Romandie.» Mit zehn Franken ist der Eintritt durchaus erschwinglich. «Es geht nicht darum, viel Geld zu verdienen», so Bellwald. Eine Ergänzung des Programms stellt übrigens das Übernachtungsangebot für Gruppen dar. «Ein Teil der Festung ist als sogenanntes rotes Reduit unter anderem auch für Gruppenübernachtungen reserviert.» Man sei derzeit aber eher zurückhaltend in diesem Bereich, da Übernachtungen auch eine Sicherheitsfrage darstellen und immer eine Betreuungsperson dabei sein müsse. «Die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls ist praktisch null. Aber für den Fall der Fälle braucht es jemanden, der sich in der Festung auskennt und sogleich handeln kann.»
Bunter Themenmix
Als Kurator der «La Caverna» zählen verschiedene Aufgaben zu Werner Bellwalds Tätigkeitsfeld. Zusätzlich zu Planungen und zur Medienarbeit sorgt er auch dafür, dass im Saal „Kulturfels“ neben Film- und Musikanlässen immer eine Künstlerausstellung zu bestaunen ist. Nach der Ausstellung «Die wundersame Welt der Mama Madani», die in den nächsten Tagen mit Finissage und Buchvernissage zu Ende geht, folgt ab dem 19. August eine Ausstellung mit Werken des Natischers Karl Walden. Sie wird bis im Dezember zu sehen sein. Im nächsten Jahr sind Ausstellungen zur Marmormine von Saillon, ein Informationsabend und eine Fotoausstellung zur Autobahn im Oberwallis sowie eine Gemäldeausstellung der Deutschweizer Künstlerin Marlies May in Planung.
pmo
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