Bildung | In Frankreich ist Schauspielerin Noémie Schmidt ein Star – am Kollegium plauderte sie heute Morgen aus dem Nähkästchen
Glücklich dank der Schauspielerei
Seit «Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse» ist Noémie Schmidt auch in der Deutschschweiz bekannt. An der «Matinée bilingue» stellte sich die Sittenerin den Fragen der Kollegiumsschüler.
Noémie Schmidt sitzt am Bühnenrand des Theatersaals im Kollegium Spiritus Sanctus, wie ein Kind auf einem zu grossen Stuhl lässt sie ihre Füsse baumeln. Sie ist an die «Matinée bilingue» eingeladen worden, in welcher Schüler, die die Matura zweisprachig absolvieren, mit Personen aus Politik, Wirtschaft oder Kultur diskutieren können.
Der Anfang ist holprig, die Schülerinnen und Schüler der Bilingueklassen sind wohl noch zu schüchtern, um Schmidt mit Fragen zu bombardieren. Und wenn Schmidt die Stimmung zu lockern versucht, indem sie Fragen stellt, gibt es nur Gemurmel im Saal. Zaghaft beginnt sie von sich zu erzählen, von ihrer Jugend in Sitten, von der Amerikareise im Zwischenjahr, von Brüssel, wo sie sich ausbilden liess und von Paris, wo sie mittlerweile lebt.
«Ich weiss nicht, was eure Ängste sind, was euch beschäftigt. Ich kann mir nicht vorstellen, was es bedeutet, 2018 in eurem Alter zu sein», sagt Schmidt – die selbst nicht sehr viel älter ist als die anwesenden Schüler – und versucht so die Schüler zur Diskussion anzuregen.
Nach und nach fallen die Hemmungen. Schmidt wird zu ihrer Arbeit als Schauspielerin befragt: Wie die Castings ablaufen («Ich hasse die Wartezeit, deshalb versuche ich Castings schnellstmöglich wieder zu vergessen»), wie der Alltag am Set ist («Repetitiv!»), wie sie mit intimen Szenen umgeht («Mag ich nicht. Ich habe immer das Gefühl, meinen Freund zu betrügen. Aber es gehört halt zum Job.») Die Schauspielerei habe sie aber vor allem glücklich gemacht, sagt Schmidt und ermutigt die Schülerinnen und Schüler, in ihre eigene Kreativität zu glauben.
Der MeToo-Moment
So richtig in Fahrt kommt die Diskussion, als Schmidt von einer Schülerin gefragt wird, ob auch sie einen MeToo-Moment erlebt hat, ob sie in der verruchten Filmindustrie schon Opfer von Übergriffen geworden ist. «Ich habe eine Rolle verloren, weil ich einen Regisseur gebeten habe, seine Hand nicht dauernd auf meinen Oberschenkel zu legen», sagt Schmidt. Sie hätte die Rolle zwar gerne gespielt, ihre Integrität aber schliesslich über die Karriere gestellt.
Dann holt sie weit aus, spricht anekdotisch über gesellschaftliche Fragen, die sie beschäftigen. Dass die Rollenbilder so stark in den Köpfen verankert sind, dass auch sie selbst manchmal in die Sexismusfalle tappt: «Als mir eine Freundin erzählte, dass sie im Spital arbeitet, habe ich sie gefragt, wie der Job als Krankenschwester ist», erzählt Schmidt, «Als sie mir gesagt hat, dass sie als Ärztin angestellt wurde, habe ich mich so geschämt, dass ich nicht mehr wusste, was ich darauf erwidern soll.»
Nach fast zwei Stunden bedankt sich Chiara Rossi bei Noémie Schmidt für ihre Anwesenheit und Offenheit, bei den Schülern für die angeregte Diskussion. «Ich habe an der Matinée bilingue noch nie ein so aktives Publikum erlebt», so Rossi.
Wenig später steigt Schmidt in den Regio Richtung Sitten. «Da ich momentan keine anstehende Rolle habe, kann ich die Festtage mit meiner Familie so richtig geniessen.»
awo
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