Bau | Raban Karlen baut in Getwing drei Strohhäuser
«Manche fallen beim Anblick fast vom Velo»
GETWING. Der Bau strohisolierter Häuser hat im Wallis keine Tradition. Dabei sprechen viele Argumente für die ökologische Bauweise.
Raban Karlen (45) und seine Lebenspartnerin Chantal Soland erfüllen sich im malerischen Getwing ihren Traum vom Eigenheim. Dabei setzen sie nicht auf herkömmliche Bauweisen, sondern errichten mithilfe des Zimmermanns Thomas Blatter im Eigenbau drei strohisolierte Gebäude.
Raban Karlen, wie viele Häuser bauen Sie in Getwing?
«In diesem Jahr entstehen ein Werkatelier sowie eine Praxis für Alternativmedizin. Im kommenden Jahr geht unser Wohnhaus in Bau. Dort werden die Erfahrungen aus dem Bau der ersten beiden Strohhäuser einfliessen.»
Weshalb haben Sie sich für den Bau strohisolierter Häuser entschieden?
«Dahinter steckt eine ökologische Denkweise. Stroh ist in der Grosslandwirtschaft zum Teil ein Abfallprodukt, gleichzeitig ist es im Vergleich zu herkömmlicher Isolation in vergleichbarer Dicke günstig im Ankauf. Stroh brilliert überdies mit einem niedrigen Grauenergiewert, dass heisst, die Herstellung dieser Isolation braucht sehr wenig Energie in Form des Transports vom Bauern zur Baustelle.»
Müssen Strohballen für den Hausbau eine besondere Qualität aufweisen?
«Ich verarbeite Hafer- und Weizenstroh aus biologischem Anbau aus der Region um Bern. Wichtig ist, dass die Ballen alle am gleichen Tag mit der gleichen Maschine gepresst werden.»
Welche Masse weisen die Ballen auf?
«Beim System, wo die Strohballen wie ein Mauerwerk die Lasten tragen, kommen sie in den Massen 160×90×80 Zentimeter zum Einsatz.»
Wie konstruieren Sie die Aussen- und die Innenfassade?
«Als Aussenhülle dient ein fünf Zentimeter starker Kalkputz, innen ein ebenso dicker aus Lehm. Die Putze werden direkt aufs Stroh aufgetragen, nachdem es zuvor mit einer Heckenschere einen Bürstenschnitt verpasst bekommt. Damit sind auch die feuerpolizeilichen Auflagen erfüllt. Zudem ist die Wand atmungsaktiv, was zu einem gesunden Raumklima beiträgt.»
Und was passiert bei einem Erdbeben?
«Strohhäuser sind erdbebensicher. Stroh kann Erschütterungen ausgleichen.»
Das Dach wird ebenfalls mit Stroh isoliert?
«Ja. Darauf wird mit einem normalen Ziegeldach gedeckt.»
Haben Sie nicht Angst, dass sich im Stroh Mäuse und Ungeziefer einnisten?
«Nein. Voraussetzung dafür ist, dass das verwendete Stroh trocken ist und nicht schimmelt. Das lässt sich mit einem Gerät messen. Und Mäusen wird der Zugang von der Innen- und der Aussenfassade verwehrt.»
Von welcher Lebensdauer gehen Sie bei einer Strohisolation aus?
«Wie andere Häuser wollen auchStrohhäuser instand gehalten werden. In den USA, wo Strohhäuser eine grössere Tradition haben, sind die ältesten über 100 Jahre alt. Das älteste lasttragende in der Schweiz steht meines Wissens in Graubünden. Es wurde vor 16 Jahren von Architekt Werner Schmid erbaut.»
Woher holen Sie das Know-how für den Eigenbau?
«Pionier Werner Schmid hat die Bauweise lasttragender Strohhäuser in einem Buch beschrieben. Dort hole ich mir fachspezifisches Wissen. Natürlich kommt mir auch meine Ausbildung als Hoch- und Tiefbauzeichner zugute.»
Wer unterstützt Sie bei den Bauarbeiten?
«Einerseits Thomas Blatter, ein Schreiner und Zimmermann aus Gluringen. Zum anderen kommen immer wieder Leute auf die Baustelle, die mit anpacken. Sie wollen lernen, wie man ein solches Haus baut.»
Minergie ist heute in aller Munde, erfüllt auch ein Strohhaus diese Werte?
«Ein Strohhaus übertrifft die Minergie-Standards mit einem Wärmekoeffizienten um 0,06 fast ums Doppelte. Somit kommt es praktisch ohne Heizsystem aus. Voraussetzung dazu ist, dass südseitige Fenster sonnenwärmedurchlässig sind. Nordseitige hingegen sollten dreifach verglast sein. Ein einfacher Heizkörper genügt neben dem Sonnenlicht und der Körper- oder Kochwärme, um das Haus zu heizen. Ökologisch macht das Sinn. Langfristig winken dem Hausbesitzer damit grosse Kostenersparnisse.»
Wie reagieren Passanten, die an der Baustelle in Getwing vorbeifahren, auf die doch exotische Bauweise?
«Interessiert sind alle. Manche fallen beim Anblick des Strohhauses beinahe vom Velo. Andere schütteln den Kopf und wieder andere stellen aus Interesse Fragen.»
Interview: Norbert Zengaffinen
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Kommentare
Gilbert Truffer, Visp - ↑45↓7
Bravo, ich kann dem herr karlen und der frau soland nur gratulieren, mutig und innovativ... ich wünsche ihnen viel erfolg.... und wie man da mit pfeil nach unten reagieren kann ist mir ein rätsel... gilbert truffer
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Thomas Zenhäusern, Niedergesteln - ↑57↓10
gute sache
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