Lawinengefahr | Belalp-Pistenrettungschef Michi Nellen warnt:
«Wer jetzt die Skipiste verlässt, sollte extrem grosse Erfahrung haben»
Spät kam er, der grosse Schnee, dafür um so üppiger. Eine Schneefront brachte dem Wallis in den vergangenen Tagen grosse Neuschneemengen. Weiterer Schnee ist im Anflug.
Die Zeit der harten Kunstschneepisten in teilweise aperen Bergflanken ist definitiv vorbei. In den vergangenen Tag fiel in den höheren Lagen des Wallis ein halber Meter Neuschnee und mehr. Das freut Skifahrer und Skigebiete gleichermassen, denn auf den Skipisten herrschen hervorragende Bedingungen.
Wintersportler, welche ihrem Hobby ausserhalb der markierten Pisten in jungfräulichen Pulverschneehängen frönen wollen, sollten sich aber noch gedulden, warnen Pistenchefs und Lawinenspezialisten gleichermassen. «Aufgrund der Schneefälle ist zu erwarten, dass es aufs Wochenende hin Freerider und Tourengänger in Gebiete ausserhalb der markierten Skipisten lockt», sagt Michi Nellen, Pistenrettungschef bei den Belalp-Bahnen. «Noch aber herrschen dort nicht Topverhältnisse. Der Neuschnee kann beim Befahren leicht bis auf die Altschneedecke ausgelöst werden.»
Nur für Freerider mit grosser Erfahrung
Gleichzeitig weist Michi Nellen auf die Gefahrenlage ausserhalb der Pisten hin. «Hinter uns liegt eine Zeitperiode mit extrem wenig Schnee. Der Neuschnee der Neujahrswoche ist nur sehr schlecht mit der darunter liegenden Altschneedecke verbunden. Deshalb können Lawinen schon von einem einzelnen Schneesportler ausgelöst werden oder in Ausnahmefällen sogar spontan abgleiten. Wer in den kommenden Tagen dennoch ausserhalb der Pisten Schneesport betreiben will, muss über eine extrem grosse Erfahrung verfügen.» Gefahrlos befahren werden können laut Nellen lediglich Hänge, die eine Neigung von weniger als 30 Prozent aufweisen.
Aufgrund der erheblichen Lawinengefahr werden deshalb am Wochenende in den Walliser Skigebieten an den Pisteninformationstafeln Lawinenwarnleuchten eingeschaltet sein. «An den Bergstationen der Bergbahnen weisen überdies Plakate auf die Gefahren hin. Dieses Vorgehen wird ab erheblicher Lawinengefahr schweizweit einheitlich gehandhabt», so Nellen.
Mehr Lawinenunfälle in schneearmen Wintern
«Erfahrungen haben gezeigt, dass es in schneearmen Winter zu viel mehr Lawinenunfällen kommt als in Wintern mit viel Schnee», gibt der Zermatter Bergrettungschef Anjan Truffer zu bedenken. «In diesem Jahr haben wir es mit einem schlechten Schneedeckenaufbau zu tun. Der viele Neuschnee der letzten Tage ist schlecht mit der dünnen Schneedecke von Anfang Dezember verbunden. Dazu führten in der Region Zermatt starke Winde zu Triebschneeansammlungen, was die Gefahr von Lawinenabgängen zusätzlich erhöht.»
Wer sich derzeit in Gebiete ausserhalb von markierten Pisten oberhalb der Waldgrenze begebe, müsse vorab die Lawinenbulletins lesen sowie die Empfehlungen der lokalen Behörden und Skigebiete beachten. «Entscheidet sich für eine Tour, sollte man den gesunden Menschenverstand walten lassen und bei Unsicherheit besser auf die eine oder andere verlockende Querung eines Hanges oder einer Abfahrt verzichten. Besonders auch dann, wenn bei schlechter Witterung diffuse Lichtverhältnisse die Einschätzung des Hanges erschweren», sagt der Zermatter Bergretter.
Zahlreiche Lawinensprengungen im Oberwallis
Für die Sicherheit der Skipisten und Verkehrswege sind in den letzten Tagen zahlreiche Lawinen künstlich ausgelöst worden. «Das war im Matter- und Saastal ebenso der Fall wie in Leukerbad, im Lötschental und im Goms», weiss Jules Seiler, Koordinator der Oberwalliser Sicherheitsdienste. Diese sind im Winter für die Sprengungen von Lawinen zuständig. «Ab einer Neuschneemenge von 50 bis 70 Zentimeter werden die bekannten Lawinenzüge mittels künstlicher Auslösung geleert, damit die Gefahr von Grosslawinen erst gar nicht aufkommt. Immer auch mit dem Ziel, dass die Lawinen keine Schäden an der Infrastruktur auslösen.»
Seiler rechnet aufgrund der Wetterprognosen damit, dass sich die Gefahrenlage bis auf Weiteres kaum entschärfen wird. «Bis Mitte nächster Woche wird im Oberwallis mit wiederholten Schneefällen mit bis zu 60 Zentimeter Neuschnee gerechnet. Damit bewegt sich die Lawinensituation an der oberen Grenze der Warnstufe ‚erheblich’. Künstliche Lawinenauslösungen werden so auch in den kommenden Tagen notwendig sein.» Die Lawinen werden im Oberwallis teils mit fix installierten Spreng- oder Gasex-Anlagen oder mit dem Abwurf von Sprengsätzen aus dem Heli ausgelöst. Zu diesem Zweck müssen kurzzeitig Bahnstrecken und Strassen gesperrt werden.
zen
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Kommentare
Carlo Müller - ↑10↓19
Ich dachte nicht dass die Lawinengefahr von Erfahrung und Ausrüstung abhängt. Also Aussagen sind tot gefährlich...
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