Walliser im Ausland | Laura Hagen in Grossbritannien
«Den britischen Akzent hab ich noch nicht drauf»
Laura Hagen aus Brig-Glis hat ein Austauschjahr auf der Isle of Wight verbracht. Auf 1815.ch berichtet die 17-jährige Schülerin über britische Wetter-Small-Talks, welches neue Hobby sie entdeckt hat und gibt Tipps, was man in «England in a Nutshell» auf keinen Fall verpassen sollte.
Laura Hagen, du hast ein Austauschjahr auf der Isle of Wight absolviert. Was hat dich gerade nach Südengland verschlagen?
«Ursprünglich wollte ich nach Schottland, aber meine Austauschorganisation fand im Süden auf der schönen Isle of Wight eine Gastfamilie für mich. Also ging ich dorthin.»
Wem bist du dort zuerst begegnet?
«Zuerst war ich in einem Lager in Winchester. Dort begegnete ich vielen verschiedenen Menschen aus aller Welt, unter anderem auch meiner späteren Gastschwester Sara, mit welcher ich mich sehr schnell angefreundet hatte. Als wir nach zirka zwei Wochen auf der Insel ankamen, holte uns unser Gastvater ab und fuhr uns Heim.»
Wie hast du gewohnt?
«Ich habe mit meiner Gastfamilie, bestehend aus den beiden Gasteltern, meiner norwegischen Gastschwester und drei jüngeren englischen Gastgeschwistern in einem ‚Semi detached House‘ gewohnt. Dieser Häusertyp ist in der Mitte geteilt: Auf der linken Seite lebt eine Familie, eine andere auf der rechten.»
Was hast du dir von deinem Austauschjahr erhofft?
«Einerseits wollte ich das britische Englisch lernen und die Kultur erleben. Andererseits wollte ich einfach etwas Neues ausprobieren und verschiedene Menschen kennen lernen.»
Haben sich diese Erwartungen erfüllt?
«Grösstenteils ja. Ich habe viele schöne Erinnerungen gesammelt und Leute kennengelernt, mit welchen ich hoffentlich in Kontakt bleibe. Durch das neue Umfeld habe ich auch neue Dinge ausprobiert, wie Kickboxen, womit ich definitiv weiter machen möchte. Mir hat es sehr gut gefallen, jedoch habe ich mich trotzdem darauf gefreut, wieder zurück in die Heimat zu kommen. Ich konnte aber auch einiges über mich selber lernen, was ich sehr schätze. Mein Englisch hat sich verbessert. Ich habe Vieles gelernt und konnte auch selbstständig reisen. Den britischen Akzent, glaube ich jedenfalls, habe ich allerdings noch nicht so drauf…»
Was hast du in deiner Freizeit gemacht?
«Da die Schule 45 Minuten mit dem Bus von meinem Wohnörtchen entfernt war, kam ich normalerweise erst gegen 17 Uhr nach Hause. Dann standen oft Hausaufgaben an oder ich verbrachte Zeit mit meinen Gastgeschwistern. An zwei Abenden in der Woche ging ich ins Kickbox-Training und dann war der Tag meist schon vorbei. An den Wochenenden traf ich mich oft mit Freunden und fuhr mit dem Fahrrad herum oder wir spielten zusammen Xbox. In den Ferien reiste ich meistens von der Insel weg aufs ‚Mainland‘. In meinen letzten Wochen dann habe ich mehr Reisen auf der Isle of Wight unternommen, um sie zu entdecken, weil sie als ‚England in a Nutshell‘ bekannt ist.»
Welchen Herausforderungen bist du begegnet?
«Am Anfang war es erstaunlicherweise nicht allzu schwierig für mich, im Ausland zu leben. Man musste sich einfach einleben und an die Unterschiede gewöhnen; zum Beispiel dass die Grösse der Münzen nicht viel Sinn macht: 20 Pence sind kleiner als 10 Pence. Meiner Erfahrung nach war es nicht ganz einfach, sich mit den englischen Schülern anzufreunden. Engländer reagieren teils sehr sensibel bezüglich Privatsphäre und des öfteren war ich unsicher, ob ich diese verletze oder das Gegenüber durch unabsichtliches Brechen der ungeschriebenen Regeln beleidige. Eine andere Herausforderung war selbständiges Reisen, da ich anfangs das System noch nicht so gut kannte und die Züge oft Verspätungen hatten.»
Typisch Englisch: Schwarzer Humor, viel Regen und trinkfreudige Menschen. Wie hast du die Engländer erlebt?
«Die Einheimischen, denen man im Alltag begegnet, waren meistens sehr höflich und sagten einem oft ‚Take care, Love‘. Man redet tatsächlich unglaublich oft über das Wetter, aber auf der Isle of Wight bleibt es meistens trocken. Dieses Jahr war wettermässig allerdings sehr besonders, da es zum ersten Mal seit sieben Jahren geschneit hat. Wegen ein paar Zentimetern Schnee lief nichts mehr und ich bekam sogar schulfrei. Auch Wärme ist man nicht so gewohnt. Wenns mal 23 Grad hat, kommt die Mehrheit mit Sommerkleidung zur Schule und beschwert sich über die Hitze. Die meisten, die ich kannte und die trinken durften, gönnten sich ein Bier am Wochenende, aber man traf sich auch in Pubs, wo man gemeinsam gegessen hat oder ging in ‚Chippies‘ und holte sich ‚Fish ’n‘ Chips‘.»
War die Hochzeit von Prinz Harry und Meghan Markle im Mai Pflichtprogramm?
«Es war ein grosser Hype, viele Pubs und Cafes waren gefüllt mit Menschen, die sich die Hochzeit anschauten. Jedoch gab es auch viele, die die Königsfamilie als Humbug empfinden und sich die Hochzeit nicht ansahen.»
Was unterscheidet die Engländer von den Wallisern?
«Das ist schwer zu sagen. Ich denke offensichtliche Unterschiede sind die oberflächliche Freundlichkeit und die Small Talks über das Wetter und die Tatsache, dass man normalerweise in Cafes und ähnlichem immer angesprochen wird, und mit dem Gegenüber mindestens ein paar Worte wechselt, bevor man zur eigentlichen Sache kommt. Ein klarer Unterschied für mich war, dass die Engländer sehr viel freiwillige und ehrenamtliche Arbeit und Projekte für die Jugend förderten – an meiner Schule etwa gab es die Möglichkeit, an drei verschiedenen Charity-Programmen teilzunehmen. Im britischen Schulsystem muss man sich für Universitäten bewerben, dafür muss man Punkte sammeln und wer bei ehrenamtlichen Projekten mitmacht kriegt Extra-Punkte. Das motiviert die Schüler, sich zu engagieren. Ich mochte auch unsere Schulzeiten. Die Schule begann um 9 Uhr, was verhältnismässig spät ist. Jedoch war es viel entspannter und ich hatte das Gefühl, dass ich mich besser konzentrieren konnte.»
Welches Bild der Schweiz hat man?
«Einige Leute verwechseln die Schweiz mit Schweden, was mir zwar ein Rätsel ist, aber was solls. Was ich am meisten hörte, war, dass die Schweiz sehr teuer sei. Viele dachten auch an die Berge und Schokolade.»
Hattest du manchmal Heimweh?
«Ja, ich hatte vor allem an Weihnachten und in der zweiten Hälfte des Jahres Heimweh. Aber die Tatsache, dass man übers Internet relativ einfach Kontakt mit Familie und Freunden halten kann, machte es auf jeden Fall einfacher.»
Was aus der Schweiz hast du am meisten vermisst?
«Am meisten vermisste ich meine Familie und Freunde, aber auch ein bisschen unser Schulsystem, da es verglichen mit dem englischen strukturierter ist, zwar in den Stunden anstrengender, dafür mit weniger Hausaufgaben. Jedoch hat man hier eine andere Beziehung zu Lehrern, da sie einen sehr unterstützen und oft auch ausserhalb der Schulzeit helfen.»
Hast du einen Insider-Tipp für Isle-of-Wight-Reisende?
«Auf der Isle of Wight hat es viele Kraftorte. Mein Lieblingsort ist bei den ‚Needles‘ an der Westküste; man kann den Bus zu ‚Alum Bay‘ nehmen und von dort zirka 30 Minuten zu den ‚New Batteries‘ laufen. Dort oben kann man bei gutem Wetter den Horizont über dem endlosen Ozean sehen, was atemberaubend ist! Ansonsten gibt es viele sehenswerte Strände und wenn man schon da ist, ist es ein Muss, in einen Fish’n‘Chips-Laden zu gehen, davon gibt es unzählige. Wenn man in Newport ist, sollte man auch einmal im ‚The Original’s Phil Diner‘ einen Milkshake probieren!»
Für unsere Rubrik «Walliser im Ausland» sind wir regelmässig auf der Suche nach Wallisern, die fernab der Heimat leben. Gehören Sie auch dazu oder kennen Sie jemanden? Dann freuen wir uns auf Ihre Nachricht an info@1815.ch.
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