Justiz | Das Kantonsgericht bestätigte das erstinstanzliche Urteil, Anni Lanz zieht weiter
Lanz geht nach Lausanne
Die Causa Lanz geht in die dritte Runde: Nach der schriftlichen Urteilseröffnung haben sich Anni Lanz und ihr Verteidiger Guido Ehrler dazu entschieden, die vom Kantonsgericht bestätigte Verurteilung ans Bundesgericht weiterzuziehen.
Nachdem sich die Basler Menschenrechtsaktivistin Anni Lanz erfolglos vor dem Briger Bezirksgericht und dem Walliser Kantonsgericht gegen den Strafbefehl wegen Widerhandlung gegen das Ausländergesetz gewehrt hatte, wird die Verhandlung vor der zweiten öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts in Lausanne weitergeführt. Diesen Entschluss gab ihr Verteidiger Guido Ehrler am Donnerstagabend auf Nachfrage bekannt. Ehrler, Rechtsanwalt in Basel, gibt sich grundsätzlich positiv überrascht über die Walliser Justiz. Er habe nicht erwartet, dass das Urteil in zwei Wochen bei ihm eintreffen würde.
Menschlich berührend, juristisch verurteilt
Kantonsrichter Thierry Schnyder zeigte sich bereits während der mündlichen Urteilseröffnung von Lanz’ Courage und Engagement «sehr berührt» und schwang eine Eloge auf Fluchthelfer, die Humanismus nicht bloss als Wort, sondern als Pflicht sehen würden und aktiv versuchten, Geflüchtete in ihrer misslichen Situation zu helfen. Juristisch sei der Fall hingegen klar: «Frau Lanz, Sie sind zu weit gegangen in diesem Fall», sagte er der Beschuldigten.
Ehrler empfindet den Fall aber nicht als ganz so klar, wie ihn Einzelrichter Schnyder darlegte. Es ist die Notstandssituation des afghanischen Geflüchteten – der hier wie vor Gericht jeweils Tom genannt wird –, die nun vom Bundesgericht abzuklären sei. «Die kantonalen Instanzen haben erkannt, in welch schlechtem gesundheitlichen Zustand Tom gewesen ist», sagt Ehrler. «In der Urteilsbegründung wird dem hingegen keine Rechnung getragen.»
Tom war nach der gescheiterten Einreise über Gondo in die Schweiz wieder nach Domodossola zurückgebracht worden und habe anschliessend drei Nächte bei Minustemperaturen ohne Obdach am Bahnhof verbringen müssen. Nicht nur physisch sei der Mann angeschlagen gewesen – auch wenn es über die von der Verteidigung vorgebrachten Frostbeulen an seinem Körper keine Beweise gibt –, auch über seinen psychischen Zustand lagen bereits dem Walliser Kantonsgericht Zeugnisse vor, wonach er suizidgefährdet sei und schon mehrere Aufenthalte in psychiatrischen Institutionen im Kanton Baselland hinter sich habe.
Fehlende Kohärenz
Einen anderen Punkt, den Ehrler anficht, sind die unterschiedlichen Sichtweisen des Bezirksgerichts Brig und des Kantonsgerichts bezüglich der Alternativen, die Anni Lanz gehabt hätte, statt mit Tom illegal in die Schweiz einzureisen. «Das Bezirksgericht Brig sagte, Frau Lanz hätte mit ihm ein Asylgesuch in Italien einreichen müssen», so Ehrler. Kantonsrichter Schnyder war aber klar, dass dies keine Möglichkeit darstellte. Er verwies hingegen darauf, dass Lanz mit Tom nach Mailand in eine Notschlafstelle hätte fahren sollen. «Jede Instanz bringt etwas anderes», sagt Ehrler, «es werden immer neue Argumente vorgebracht, was Anni Lanz hätte machen müssen oder können.»
Nun sei es Aufgabe des Bundesgerichts, zu überprüfen, welche Anforderungen an das Subsidiaritätsprinzip im konkreten Fall Lanz zu stellen sind. Das Rechtsgut ist gemäss Ehrler nicht, wie von Staatsanwalt Andreas Seitz vorgebracht, die Kontrolle über die territoriale Integrität der Schweiz, sondern der Befehl an Tom, nicht in die Schweiz einzureisen. Eine individuelle Situation, über welche sich Lanz hinweggesetzt habe, und keine Frage der territorialen Sicherheit. «Wie ein Ungehorsam gegen eine amtliche Verfügung», so Ehrler.
Er wirft die Frage auf, wie hochrangig das Rechtsgut gewesen ist und wie gross der Eingriff darin zu werten sei. «Das Rechtsgut in der Causa Lanz ist nicht hochrangig, deswegen muss auch das Subsidiaritätsprinzip nicht so hochrangig gewichtet werden, wie es das Kantonsgericht gemacht hat», sagt er. Dies müsse das Bundesgericht nun prüfen. Auf die Frage, wie zuversichtlich er sei, antwortete er: «Ich bin zuversichtlich, dass das Bundesgericht den Fall genau anschauen wird.»
Ab heute gilt die Beschwerdefrist von 30 Tagen, danach kommt es darauf an, ob ein Vernehmlassungsverfahren eröffnet wird. Ehrler geht davon aus. Mit einem Urteil dürfte indes erst Ende Frühling, Mitte Sommer 2020 zu rechnen sein – frühestens.
Adrien Woeffray
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