Walliser im Ausland | Marisa Anthamatten in Afrika
«Kenia hat meinen Horizont erweitert»
Marisa Anthamatten aus Naters arbeitet derzeit in einer Privatschule in Kenia als Lehrerin. Auf 1815.ch berichtet die 23-Jährige über ihr Leben Mitten im Nirgendwo, die kenianische Spontanität und wie sie sich als «Msungu» durchschlägt.
Marisa Anthamatten, du arbeitest derzeit in einer Privatschule in Kenia, davor warst du in einer NGO für Bedürftige. Was hat dich nach Afrika verschlagen?
«Afrika fasziniert mich schon sehr lange. Dieser Kontinent hat eine riesen Vielfalt an Ressourcen zu bieten und doch herrscht grosse Armut. Ich wollte besser verstehen und selbst erleben, wie es ist, im Land und mit den Leuten zu leben.»
Seit wann bist du dort und wie lange wirst du bleiben?
«Ich bin seit anfangs März da und werde bis Ende Juni in Kenia bleiben, bevor ich mit meinem Freund drei Wochen Madagaskar bereise.»
Wie sieht dein Alltag als Lehrerin im Dorf Matunda/Eldoret aus?
«Morgens um halb sieben laufe ich zur Schule. Diese ist zirka 20 Minuten vom Wohnhaus entfernt. Der Schultag fängt um sieben Uhr an und dauert bis um vier Uhr nachmittags. In der Schule unterrichte ich Kunst, Sport, Englisch und Mathe.»
In welchen Sprachen verständigst du dich?
«Englisch und einige Wörter in Swahili.»
Inwiefern unterscheidet sich das Arbeiten in Kenia von demjenigen in der Schweiz?
«In so vielen Dingen! Ein Beispiel ist die Arbeitsweise in der Schule. In der Schweiz sind die Lehrpersonen sehr gut organisiert und vorbereitet. Wir haben Wochen- und Jahresplanungen. Die Kenianer nehmen jeden Tag wie er kommt und überlegen sich kurz vor dem Unterricht, was sie den Kindern erzählen möchten. Dies lässt viel Spontanität zu, was durchaus auch seine Vorteile haben kann.»
Was waren die grössten Herausforderungen für dich?
«Das Zeigen von Dankbarkeit ist hier selten. Anfangs fühlte ich mich ausgenutzt und nicht wertgeschätzt. Doch nun verstehe ich ihre Umgangsformen und nehme es gelassen. Die Kenianer haben ein ganz anderes Verständnis von Pünktlichkeit. Das war sicher anfangs auch eine Herausforderung für mich, da ich sehr pünktlich bin. Jetzt rechne ich einfach eine Stunde auf den vereinbarten Termin, dann passt es ganz gut ;).»
Was machst du in deiner Freizeit?
«Matunda ist ‚in the Middle of Nowhere’, also gibt es nach Feierabend nicht mehr viel zu machen. Am Abend lese ich viel und unterhalte mich mit meiner Gastfamilie. Mein neues Highlight am Wochenende ist, im Supermarkt einkaufen zu gehen ;).»
Ist es einfach, Freundschaften zu schliessen?
«Für mich ist es schwierig, richtige Freundschaften zu schliessen.»
Wem bist du in Kenia zuerst begegnet?
«Meinem Gastvater aus der NGO. Er holte mich vom Flughafen in Nairobi ab.»
Wie wohnst du?
«Ich wohne auf einer Farm. Von Kühen bis zu Hühnern leben hier alle Tiere. Man braucht fünfzehn Minuten mit dem Auto bis zum nächsten grösseren Dorf.»
Was erhoffst du dir von deinem Aufenthalt?
«Dass ich etwas bewirken kann bei den Kindern, Lehrpersonen und den Familien, bei denen ich wohne. Ich möchte eine gewisse Spielkultur hinterlassen.»
Haben sich diese Erwartungen bis jetzt erfüllt?
«Ja, zu einem grossen Teil. Ich habe einige Projekte zum Thema Spiel durchgeführt, zum Beispiel eine Spielkiste eingeführt, eine Kinderolympiade organisiert, im Sportunterricht zeige ich ihnen neue Spiele und Lieder und im Moment bauen wir für die Kinder einen Spielplatz aus Autoreifen.»
Die Kenianer gelten als herzlich und lebensfroh. Welche Erfahrungen hast du gemacht?
«Ich persönlich habe viel Gastfreundschaft, Herzlichkeit und Lebensfreude erfahren. Doch manchmal hatte ich das Gefühl, es sei nicht echt. Die Familien hier haben es sehr schwer und wirken auf mich – geprägt von ihrem Leben – traurig und sehr ernst. Die Kinder in der Schule sprühen noch vor Lebensfreude und sind sehr neugierig. Ich wünsche mir für sie, das dies im Erwachsenenalter so bleibt!»
Wie ist das Wetter momentan?
«Es ist Regenzeit, zwischen 25 und 30 Grad Celsius. Fast jeden Tag gibt es ein starkes Gewitter.»
Empfindest du das Leben in Kenia als gefährlich?
«Nein. Ich achte auf einige Regeln, die die Einheimischen auch befolgen, wie nicht aus dem Haus gehen, wenns dunkel wird oder keinen Geldbeutel mit sich tragen.»
Wie viel kostet ein Kaffee an deinem Wohnort?
«Ein Kaffee kostet fünf Rappen.»
Welches Bild der Schweiz hat man in Kenia?
«Die ‚Msungus’ (Weissen) sind alle reich geboren. Europa ist ein sehr schöner und kalter Kontinent.»
Hast du manchmal Heimweh?
«Ja, habe ich. Ich freue mich schon sehr auf zu Hause.»
Was vermisst du am meisten aus der Schweiz?
«KÄSE! Nein, Spass! Meinen Freund, meine Familie, meine Freunde, meine Hobbys und die Berge. Auch materielle Sachen wie fliessendes Wasser, eine warme Dusche, Elektrizität und eine Waschmaschine fehlen mir. All dieses werde ich im Wallis, wenn ich zurück bin, sehr schätzen.»
Hast du dich verändert, seit du in Afrika lebst?
«Ja. Grundlegend bin ich sicher noch dieselbe. Ich konnte viel von den Kenianern lernen. Ihre Spontanität und ihre Gelassenheit, wenn etwas mal nicht so klappt, wie vorgesehen, haben mich am meisten geprägt. Ich hatte tolle Erlebnisse mit meiner Gastfamilie und den Leuten, die ich kennenlernen durfte, die ich nie vergessen werde. Die Zeit in Kenia hat meinen Horizont persönlich und beruflich erweitert.»
Hast du einen Insider-Tipp für Kenia-Reisende?
«Den Diana Beach, die Shimba Hills Lodge in Mombasa und die Nationalparks in Kenia, insbesondere den Masai Mara Nationalpark.»
Für unsere Rubrik «Walliser im Ausland» sind wir regelmässig auf der Suche nach Wallisern, die fernab der Heimat leben. Gehören Sie auch dazu oder kennen Sie jemanden? Dann freuen wir uns auf Ihre Nachricht an info@1815.ch.
map
Artikel
Kommentare
Noch kein Kommentar