Politik | Parlament soll nur noch Vetorecht bei Wahl der Kantonsrichter haben
Grossrat will seine eigenen Kompetenzen beschneiden
Darf das Parlament bei der Wahl von Kantonsrichtern künftig keine eigenen Vorschläge mehr machen? Im Gesetz über den Justizrat ist nur noch ein Vetorecht für den Grossrat vorgesehen.
Am Donnerstag fand die erste Lesung über die neue Gesetzgebung zur Schaffung eines Justizrates statt. In einer fast dreistündigen Debatte wurden nicht weniger als 72 Abänderungsanträge diskutiert.
Neun Mitglieder im Justizrat
Die Hautpaufgaben des Justizrates als unabhängige Justizaufsichtsbehörde ist die administrative und disziplinarische Ausübung der Aufsicht über die kantonalen Gerichtsbehörden und die Staatsanwaltschaft. In der ersten Lesung kristallisierte sich heraus, dass der Justizrat aus neun Mitgliedern bestehen soll. Davon sind der Präsident des Walliser Anwaltverbandes, der Präsident des Kantonsgerichts und der Generalstaatsanwalt von Amtes wegen als Mitglieder im Justizrat vertreten. Die weiteren sechs Mitglieder werden vom Grossen Rat für die Dauer von vier Jahren gewählt. Es handelt sich dabei um einen Anwalt, einen erstinstanzlichen Richter, einen Staatsanwalt, ein Mitglied des Büros des Grossen Rates sowie zwei Vertreter der Zivilgesellschaft.
Einige Gerichtsbarkeiten ausgenommen
Eine offene Frage war am Donnerstag, ob nebst den neun Mitgliedern des Justizrates ebenfalls neun Suppleanten als deren Vertreter gewählt werden sollen. Die CVPO war entschieden dagegen: «Wir sind seit jeher gegen die Aufblähung des Staatsapparates», so Aron Pfammatter. Sidney Kamerzin von der CVPM pflichtete ihm bei. Die beiden fanden kein Gehör, das Parlament will auch für den Justizrat ein Suppleanten-System einrichten.
Der Vorschlag des Staatsrates sieht vor, dass der Justizrat nur die kantonalen Gerichtsbehörden beaufsichtigt. Ausgenommen sind folglich die kommunalen Behörden, also die Gemeinderichter und Polizeigerichte, die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden oder etwa auch das Steuer-Rekursgericht. Die Grünen und die Linksallianz wünschten sich hingegen, dass auch diese in den Aufgabenbereich des Justizrates fallen sollen. «Möchten wir nur einen schlanken Justizrat oder einen starken, der sämtliche Gerichtsbehörden überwachen darf?», fragte Julien Délèze von der Linksallianz. Thierry Largey von den Grünen pflichtete ihm bei: «Es ist unlogisch, wenn nur einige Gerichtsbehörden dem Justizrat unterstellt sind.» Das Parlament entschied sich für die Variante des Staatsrats.
Nur noch ein Vetorecht für den Grossrat?
Höchst umstritten war die Frage, wer künftig für die Wahl der Kantonsrichter und der Mitglieder des Büros der Staatsanwaltschaft verantwortlich sein soll. Die Linksallianz brachte nämlich einen Artikel durch, wonach der Justizrat dem Grossen Rat einen Kandidaten vorschlägt, den das Parlament entweder annehmen oder ablehnen kann. Wobei dem Grossen Rat einzig ein Vetorecht gewährt wird, nicht aber das Recht, selbst einen Gegenvorschlag zu unterbreiten. Michael Graber, Fraktionschef der SVPO brachte das mächtig auf die Palme: «Sie machen de facto den Justizrat zur Wahlbehörde der Gerichtsbarkeiten. Und das ist kreuzfalsch. Sie erkennen die politische Dimension nicht und pervertieren das Ganze. Wenn das Parlament nicht mehr die Wahlbehörde ist, wird die politische Ordnung auf den Kopf gesellt. Die Verfassung sagt glasklar, dass der Grosse Rat das Wahlrecht haben soll».
Sidney Kamerzin und Aron Pfammatter von der CVP, wie Graber auch sie gestandene Anwälte, pflichteten ihm bei. «Ich bin schockiert, was gerade im Saal passiert. Das ist vollkommen gegen die Verfassung», so Kamerzin. Die PLR, die Linksallianz, die SVPU und die Grünen sehen darin keinerlei Problem. «Immer sagen wir, dass die Justiz entpolitisiert werden soll. Nun tun wir einen Schritt in diese Richtung und schon will man das wieder rückgängig machen», so Christophe Claivaz, Fraktionschef der PLR.
CVPO, CSPO, SVPO und CVPM lehnen das Gesetz ab und wünschen sich, dass der Staatsrat einen neuen Vorschlag ausarbeitet. In diesem Fall wäre der Justizrat für die nächsten drei, vier Jahre wohl auf Eis gelegt. PLR, Linksallianz, Grüne sowie die CVPU und SVPU stimmten für das Gesetz. Bei der Schlussabstimmung wurde es mit 83 zu 44 angenommen. Staatsrat Frédéric Favre sagte danach, man werde vor der zweiten Lesung wohl ein Gutachten einfordern, wonach die Frage geklärt werden solle, ob der heiss diskutierte Passus verfassungskonform sei oder nicht.
wek
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